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POLITIK IN BADEN-WÜRTTEMBERG

30.11.2010

Schlichterspruch von Heiner Geißler zu Stuttgart 21: Sieben-Punkte-Plan vorgelegt

Der als Schlichter zwischen Gegnern und Befürwortern des umstrittenen Bahnprojekts Stuttgart 21 eingesetzte CDU-Politiker Heiner Geißler sprach sich am Dienstagabend im Stuttgarter Rathaus in seinem Schlichterspruch grundsätzlich für die Weiterführung des Projekts aus. Allerdings machte er verschiedene Auflagen für die Projektplaner und die politischen Entscheidungsträger zur Voraussetzung einer weiteren Umsetzung des Bauvorhabens. Auch eine Volksabstimmung oder Volksbefragung, wie sie unter anderem die SPD gefordert hatte, lehnte Geißler aus rechtlichen Gründen ab.

Geißler erklärte, er halte die Fortführung des Projekts aus mehreren Gründen für richtig. Zum einen sei ein Ausstieg aus dem Bauvorhaben nur durch freiwilligen Verzicht der an dem Projekt Beteiligten denkbar. Damit sei aber nicht zu rechnen. Außerdem würden hohe Kosten entstehen, sollte das Vorhaben gestoppt werden. Unabhängige Wirtschaftsprüfer hätten die Ausstiegskosten auf etwa eine Milliarde Euro geschätzt. Andererseits gab er den Kritikern des Bahnprojekts teilweise recht. Deren Kritikpunkte und Sicherheitsbedenken müssten in die weitere Umsetzung des Bauvorhabens einfließen. Immobilienspekulationen durch freiwerdende Grundstücke an der Neubaustrecke Ulm-Wendlingen seien zu unterbinden. Die betroffenen Flächen seien in eine Stiftung einzubringen. Geißler sprach sich außerdem für den Schutz gesunder Bäume im Schlossgarten vor weiterer Abholzung aus. Eine Bahnstrecke in südlicher Richtung, in die Schweiz, müsse erhalten werden. Die Verkehrssicherheit in dem neuen Tiefbahnhof müsse entscheidend verbessert und der neue Tiefbahnhof behindertengerecht gestaltet werden. Der Sicherheitsaspekt müsse auch in die Tunnelplanung einfließen. Hier sei dem Feuer- und Rauchschutz größeres Augenmerk zu widmen, außerdem sei ein ausgereiftes Notfallkonzept zu entwickeln. Weiter forderte Geißler zwei zusätzliche Gleise für den künftigen Tiefbahnhof. Die Gegner des Projekts hatten ausgeführt, bei dem geplanten achtgleisigen Konzept seien Verspätungen vorprogrammiert. Der Bahn machte Geißler zusätzlich zur Auflage, in einer Simulation nachzuweisen, dass der geplante Tiefbahnhof einer Erhöhung des Verkehrsaufkommens um 30 Prozent gewachsen sei. Gegner schätzen, dass die Verwirklichung der zusätzlichen Auflagen des Schlichters Mehrkosten in Höhe von etwa 500 Millionen Euro verursachen werden.

Die Reaktionen auf den Schlichterspruch waren geteilt. Gegner des Bahnprojekts machten ihrem Ärger über die Entscheidung Geißlers lautstark Luft. Teilnehmer am Schlichtungsverfahren zeigten sich jedoch überwiegend zufrieden mit dem Ergebnis des Schlichtungsverfahrens. Der Ministerpräsident Baden-Württembergs, Stefan Mappus (CDU), äußerte sich erleichtert. Er sprach sich dafür aus, die Bürgerbeteiligung in solchen Fällen in Zukunft früher anlaufen zu lassen. Die entsprechenden rechtlichen Rahmenbedingungen müssten dafür aber noch geschaffen werden. Wörtlich versprach Mappus, die Auflagen des Schlichterspruchs "Punkt für Punkt transparent abzuarbeiten". Die grundsätzlichen Positionen von Gegnern und Befürwortern des Projekts konnten jedoch auch durch das fünfeinhalbwöchige Schlichtungsverfahren nicht einander angenähert werden. Projektgegner riefen umgehend für den 11. Dezember zu einer weiteren Großkundgebung in der baden-württembergischen Landeshauptstadt gegen Stuttgart 21 auf. Geißler selbst wertete das Schlichtungsverfahren ausdrücklich als Erfolg. Für die Gestaltung und Planung künftiger Großprojekte in Deutschland empfahl Geißler das Schweizer Modell der Bürgerbeteiligung, das zunächst eine Übereinkunft aller Beteiligten über die Ziele eines Bauvorhabens herbeiführen müsse, bevor mit der konkreten Bauplanung begonnen werden könne. Die Bürgerbeteiligungsverfahren, die in Deutschland gesetzlich geregelt seien, sind nach Auffassung Geißlers unzureichend.

Das Schlichtungsverfahren in Stuttgart über das geplante Verkehrsprojekt hatte am 22. Oktober begonnen, nachdem die Auseinandersetzungen zwischen Projektgegnern und der Polizei bei einer Demonstration am 30. September eskaliert waren und mehrere Menschen durch den Polizeieinsatz zum Teil schwer verletzt worden waren.

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