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KOMMENTAR

07.07.2006

Fußball ist trotz allem keine Weltmacht

Es ist keine gewagte These, dass Fußball eine weltumspannende Leidenschaft ist. Beim WM-Finale werden über eine Milliarde Menschen live mitfiebern. Auf allen fünf Kontinenten wird gegen den Ball getreten, und tatsächlich bestimmt der Fußball häufig das politische und gesellschaftliche Geschehen vieler Staaten.

Können wir also von einer Weltmacht Fußball sprechen, die mehr Einfluss als etwa Religionen oder die Vereinten Nationen hat? Kann Fußball etwa Frieden stiften? Die häufig selbstgerechte Fifa wird die in allen Bereichen erfolgreiche WM 2006 weiter kommerziell vermarkten, wird hehre Ideale als ihre Leitlinien verkaufen und behaupten, dass Fußball eine wahre völkerverbindende Kraft sei. Auch der Kampf gegen den Rassismus und die Armut sei der Kampf der Fifa.

Einspruch! Fußball ist kein Allheilmittel. Wenn alles gut geht wie bei dieser WM, dann ist Fußball tatsächlich ein Völker verbindendes Fest. Dann gibt es Impulse für die Integration, dann sind Völkerfreundschaft und Internationalität keine leeren Worte. Aber es braucht günstige Umstände, um eine solche Stimmung zu erzeugen. Der grundlegende Faktor für jubelnde Fans ist ein Sieg der Heimmannschaft, sonst nichts. Fehlt diese Grundvoraussetzung, dann kann es schlimm enden.

Emotionen können auch gelenkt und missbraucht werden, autoritäre Regime sind darin Meister. Der Blick zurück zeigt, wie übel es zugehen kann. 1969 kam es zu dem so genannten Fußballkrieg zwischen El Salvador und Honduras. Etwa 3000 Menschen verloren ihr Leben. Die Militärdiktatur in Argentinien profitierte von der WM 1978. Deshalb sei an dieser Stelle empfohlen, einfach den Ball flach zu halten und nicht aus überschäumender Freude die Realität zu verkennen.

Fußball ist trotz aller bunter Facetten eben weiterhin nur ein Sport. Aber es ist ein Sport, der viel bewegen kann, positiv wie negativ. Deutschland sollte den Schwung dieser Weltmeisterschaft und damit die Weltoffenheit, die Toleranz und die Aufgeschlossenheit gegenüber Unbekanntem in den Alltag hinüberretten. Damit wäre schon viel gewonnen. Denn so richtig können wir uns auf die nächsten Monate nicht freuen. Wenn berechtigt oder unberechtigt Vater Staat uns mit fantasiereichen Begründungen in die Taschen greift, dann wird unsere Laune nicht besser. Es droht ein miesepetriger Herbst und Winter. Ein Vorrat an guter Stimmung kann da nicht schaden. (Original Pressetext)

Westdeutsche Allgemeine Zeitung

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