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KOMMENTAR

22.06.2006

Philippe Senderos - So jung und schon so wichtig

Es war eine jener Fragen, die Philippe Senderos etwas verlegen machen. «Was ist das für ein Gefühl, wenn man als 21-Jähriger so jung und so wichtig ist für eine Mannschaft, wie Sie das sind bei den Schweizern?», fragte der deutsche Reporter mit dem blauen Mikrofon. Senderos kratzte sich am Oberschenkel, lächelte verschmitzt und zog die Augenbrauen hoch, als wolle er scheu zurückfragen: «Muss ich das beantworten?» Nach einer Kunstpause antwortete er: «Es ist wie ein Traum. Wir lernen alle zusammen hier. Alle, Trainer, Eltern, Kollegen, helfen mir. Und ich will immer besser sein.»

Was hätte er sonst antworten sollen? Dass er das grösste Schweizer Innenverteidiger-Talent aller Zeiten ist? Das würde nicht zu diesem Blondschopf mit dem Millimeterschnitt passen. Senderos ist einer der wenigen Schweizer, die sowohl auf dem Platz als auch vor den Mikrofonen glänzen. Seine Antworten sind nicht banal, aber sorgfältig gewählt. Sie sind niemals überheblich, sondern stets bescheiden. Und sie sind vielfältig: Senderos antwortet fliessend auf Deutsch, Französisch, Englisch und Spanisch. Er repräsentiert den Multi-kulti-Kicker, den es in der Schweiz so häufig gibt. Vater Spanier, Mutter Serbin; geboren und aufgewachsen in der Schweiz.

Belesen. Doch anders als andere Profis spielt Senderos keine Playstation, er liest vorzugsweise Bücher. Er beendete in Genf zuerst die Schule, ehe er 2003 nach London zog - alleine. In der Lehre von Arsenal brachte ihm Trainer Arsène Wenger Demut und Respekt vor dem Gegner bei. «Ich muss jeden Tag lernen», lautet seine Devise. Dabei, so scheint es oft in den Spielen, kann dieses gross gewachsene Bürschchen schon alles. Sein Kopfballspiel ist überragend, sein Antizipieren in der Zentrale ebenfalls. Senderos ist flink auf den Beinen, er ist robust, er ist technisch auf bestem Weg. Er foult praktisch nie. Und das mit 21 Jahren. So, als würde er diesen Job seit Jahren ausfüllen. Dabei hat der Genfer, der 2002 mit der U17 in Dänemark die EM gewann, erst 13 Länderspiele auf dem Buckel.

In der Super League dagegen debütierte er noch früher: Mit sechzehneinhalb Jahren stand er auf dem Zürcher Hardturm erstmals in der Startformation von Servette Genf. Als er ein Jahr später nach London zog, ärgerte sich FCB-Chefscout Ruedi Zbinden: «Wir müssen besser aufpassen. Ein solches Talent darf nicht von Servette zu Arsenal, sondern sollte beim FC Basel landen.»

In Englands Hauptstadt hat sich Senderos nach ersten Anfangsproblemen und einigen (Rücken)-Verletzungen längst durchgesetzt. In der abgelaufenen Saison verdrängte er gar Englands Innenverteidiger-Ikone Sol Campbell auf die Reservebank. Kein Wunder, loben ihn auch die Schweizer Nationalspieler in den höchsten Tönen. «Es ist phantastisch, wie routiniert er schon auftritt», sagte beispielsweise sein Abwehrkollege Patrick Müller. Und als Coach Köbi Kuhn kürzlich gestand, «dass sich meine Jungen viel schneller entwickelt haben als erwartet», da meinte er vor allem Senderos, seinen zweitjüngsten Stammspieler hinter Tranquillo Barnetta.

Selbstkritisch. Vor dem morgigen letzten Gruppenspiel gegen Südkorea schaute Senderos nochmals kurz zurück auf den Montag - auf Togo, auf seine Leistung, die für einmal durchzogen war. «Ja, das war nicht mein bestes Spiel. Nach dem 1:0 hatten wir Probleme. Wichtig war aber, dass wir kein Goal kassiert haben. Also habe ich meinen Job gemacht.» In Sachen Gegentore sind Senderos & Co auf Titelkurs - nur Brasilien hat ebenfalls noch kein Tor erhalten. Doch das ist zweitranging. Für Senderos gehts in Hannover um den Einzug in die Achtelfinals. Die riesige Euphorie in der Heimat hat er mitbekommen. «Für die Leute in der Schweiz müssen wir kämpfen», sagt er und plötzlich wird sein Blick forsch, «wir sind stolz, Schweizer zu sein.» (Original Pressetext)

Basler Zeitung

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