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Alexandra von Wolff-Stomersee

Alexandra (Alexandrine) Alice Marie von Wolff a.d.H. Stomersee (auch "Licy" genannt, 1894-1982): deutsch-baltische Psychoanalytikerin, heiratete 1932 Giuseppe Tomasi di Lampedusa, Autor des Romans "Der Gepard".

Leben und Werk

Alexandra von Wolff-Stomersee wurde am 13. November 1894 in Nizza (Frankreich) geboren. Ihre Kindheit und Jugend verbrachte sie in St. Petersburg (Russland), wo ihr Vater, der deutsch-baltische Baron Boris von Wolff a.d.H. Stomersee (1850-1917), Hofmeister des russischen Zaren Nikolaus II. war. Ihre Mutter war die bekannte italienische Mezzosopranistin Alice Barbi. 1918, ein Jahr nach dem Tod ihres Vaters, heiratete Alexandra den deutsch-baltischen Baron Andreas (André) Pilar von Pilchau (1891-1960), einem international erfolgreichen, homosexuellen Bankier. In den 1920er Jahren absolvierte sie eine vierjährige Ausbildung am Psychoanalytischen Institut in Berlin und machte dort eine Lehranalyse bei Felix Boehm. 1927, im Anschluss an einen kurzen Aufenthalt in Wien, ging sie nach London, wo ihre Mutter mit ihrem zweiten Mann, dem italienischen Botschafter Pietro Tomasi della Torretta (1873-1962), lebte. Hier hatte sie 1925 dessen Neffen Giuseppe Tomasi di Lampedusa, Fürst von Lampedusa und Herzog von Palma (1896-1957) kennengelernt, der später durch seinen Roman "Der Gepard" berühmt wurde. Nach der Scheidung von ihrem ersten Mann am 19. Juli 1932, heiratete Alexandra Giuseppe Tomasi di Lampedusa am 24 August 1932 in der russisch-orthodoxen Kirche in Riga (Lettland) und zog mit ihm nach Palermo, wo sie als Psychoanalytikerin zu arbeiten begann. Seit 1929 stand sie in Kontakt mit dem italienischen Psychoanalytiker Edoardo Weiss und wurde 1936 ordentliches Mitglied der "Società Psicoanalitica Italiana" (SPI). Das Zusammenleben mit ihrer Schwiegermutter auf dem Familiensitz der Lampedusa gestaltete sich jedoch als sehr schwierig, u. a. wegen der symbiotischen Bindung Giuseppe Tomasis an seine Mutter. Alexandra kehrte 1933 nach Lettland zurück. Nach der Besetzung Lettlands durch sowjetische und später deutsche Truppen, musste sie schließlich den Stammsitz ihrer Familie, Schloss Stomersee, aufgeben und verließ 1942 endgültig ihre Heimat.

Sie ließ sich in Rom nieder und arbeitete dort als Psychoanalytikerin. Alexandra war eine der ersten Lehranalytikerinnen der 1946 rekonstituierten "Società Psicoanalitica Italiana" (SPI) und zuständig für die Ausbildung der Kandidaten in Palermo, wo sie seit 1949 mit ihrem Mann in der "Via Butera" lebte. Sie gehörte der Redaktion der seit 1955 erscheinenden "Rivista di Psicoanalisi" an und war von 1955 bis 1959 Präsidentin der SPI. Zu ihren Schülern zählte u. a. der Sizilianer Francesco Corrao. Das Denken Alexandras stand in der Tradition Karl Abrahams und der Berliner Schule. In ihrem 1946 veröffentlichten Beitrag "Sviluppi della diagnostica e tecnica psicoanalitica" (deut.: "Entwicklungen in der psychoanalytischen Diagnostik und Technik") führte sie in einem Überblick über die psychoanalytische Nosografie den "borderline"-Begriff ein. 1950 hielt sie auf dem zweiten Kongress der SPI in Rom einen Vortrag zum Thema "L'aggressività nelle perversioni" (deut.: "Die Aggression in den Perversionen"). Von Freuds Konzept des Todestriebs ausgehend, entwickelte sie hier am Beispiel eines Falles von Nekrophilie die theoretischen Grundlagen des aggressiven Narzissmus. In ihrer wohl bekanntesten Analyse, vorgetragen Anfang der 1970er Jahre in den psychoanalytischen Zentren in Rom und Palermo, behandelte sie einen Fall von Likanthropie, also einen Patienten, der sich für einen Werwolf hielt. Darin prägte sie in Anlehnung an den Kleinschen Begriff der "projektiven Identifizierung" den Neologismus einer "identifikatorischen Introjektion".

Nach dem Tod ihres Mannes im Jahr 1957 widmete sich Alexandra neben ihrer Privatpraxis auch der Herausgabe seines Werks. Sie war Ehrenpräsidentin des "Centro di Psicoanalisi di Palermo", bis sie in ihrem Palazzo in Palermo am 22. Juni 1982 an einer Lungenentzündung starb.

Werke (Auswahl)

  • "Sviluppi della diagnostica e tecnica psicoanalitica" (deut.: "Die Entwicklungen in Diagnose-und psychoanalytischen Technik"), in: Psicoanalisi, 2, 1946.

  • "L'aggressività nelle perversioni" (deut.: "Die Aggression in den Perversionen"), Präsentation auf dem II. Kongress der "Società Psicoanalitica Italiana" (SPI) in Rom, 1950.

  • "Le componenti preedipiche dell'isteria d'angoscia" (deut.: "Die Komponenten der präödipalen Angsthysterie"), in: Rivista di Psicoanalisi, 2, 1956, S. 101-106.

  • "Necrofilia e istinto di morte: Osservazioni su un caso clinico" (deut.: "Nekrophilie und der Todestrieb: Beobachtungen auf einer Fall-Studie"), in: Rivista di Psicoanalisi, 3, 1956, S. 173-186.

  • "La spersonalizzazione" (deut.: "Die Entpersönlichung"), in: Rivista di Psicoanalisi, 6 (1), 1960, S. 5-10.

  • "Il caso del licantropo" (deut.: "Der Fall des Werwolfs"), in: Rivista di Psicoanalisi, 2, 2008, S. 433-446.

  • "Il patto con il diavolo" (deut.: "Der Pakt mit dem Teufel"), in: Rivista di Psicoanalisi, 2, 2008, S. 455-474.

Literatur

  • Accerboni, Anna Maria: Tomasi di Palma di Lampedusa-Wolff Stomersee, Alessandra. In Dictionnaire international de la psychanalyse (International Dictionary of Psychoanalysis) (2002). Hg. von A. de Mijolla. Paris 2005, S. 1807f.

  • Cardona, Caterina: Lettere a Licy. Un matrimonio epistolare. Giuseppe Tomasi di Lampedusa e Alessandra Tomasi Wolff, Palermo 1987

  • Corrao, Francesco: Alessandra Tomasi di Lampedusa (1895-1982). Riv psicoanal 28 (3), 1982, S. 455-459

  • Gaddini, Eugenio: Psychoanalyse in Italien. In Die Psychologie des 20. Jahrhunderts III: Freud und die Folgen (2). Zürich 1977, S. 73-90

  • Gilmour, David: The Last Leopard. A Life of Giuseppe Tomasi di Lampedusa. London 2003

  • Tomasi, G. Lanza: Giuseppe Tomasi di Lampedusa. Una biografia per immagini. Palermo 1998

  • Vigneri, Malde: La principessa di Lampedusa. Riv psicoanal 54, 2008, S. 389-425

  • Vigneri, Matilde: Alessandra Wolff Stomersee Tomasi di Palma, principessa di Lampedusa. Archivi Storici della Pscicologia Italiana (14.3.2014)

Siehe auch

  • Wolff (Adelsgeschlecht)

  • Deutsch-Balten

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