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RECHT

05.07.2012

Justizopfer Horst Arnold ist tot

Horst Arnold ist tot. Fast ein Jahr, nachdem er, wurde der 53-jährige, der eine Tochter hinterlässt, am vergangenen Freitag tot in der Nähe seiner Wohnung im saarländischen Völklingen aufgefunden. Wie sein Anwalt Hartmut Lierow mitteilte, brach er offenbar auf der Straße zusammen. Die Polizei gibt Herzversagen als Ursache an und schließt ein Fremdverschulden aus.

Im Jahr 2002 war der Lehrer wegen Vergewaltigung einer Kollegin zu fünf Jahren Haft verurteilt worden. Erst nachdem er diese Strafe restlos abgesessen hatte, wurde bekannt, dass das angebliche Opfer Heidi K. und damit gleichzeitig die Hauptbelastungszeugin regelmäßig durch abstruse Geschichten aufgefallen war, die sie in vielen Fällen ihrer Umgebung auftischte, als wäre es ihr Ernst. Ebenso unglaublich waren Gerüchte, die sie ungewöhnlich effektiv auszustreuen verstand, in denen sie sich z.B. als Vergiftungsopfer darstellte. Zuletzt ergab sich von ihr das Bild einer chronischen Lügnerin.

Erst nach umfangreichen Ermittlungen, die Anwalt Lierow auf eigene Faust und eigene Kosten unternahm, war genug Material beisammen, um ein Wiederaufnahmeverfahren vor dem Landgericht Kassel erfolgreich durchzusetzen. Im Sommer 2011 war es dann soweit: Horst Arnold wurde nachträglich freigesprochen. Heute vor genau einem Jahr erging dort der Urteilsspruch, der keinen Zweifel an seiner Unschuld ließ. Obwohl schon ein Wiederaufnahmeverfahren im Strafrecht eine Sensation ist, wurde der Prozess überwiegend von regionalen Medien begleitet, die renommierten Gerichtsreporter von SPIEGEL und ZEIT waren damals, kurz nach dem Kachelmannprozess nicht präsent.

Die von Arnold direkt nach dem Freispruch geäußerte Hoffnung, sein Leben werde sich nun langsam zum Guten wenden, schien sich nicht zu erfüllen.

Arnold hatte durch die Haft seinen Beruf verloren und den Großteil seiner Freunde. Er büßte sein Vermögen ein und seine Beziehung zerbrach. Sein größtes Anliegen, die Rückkehr in seinen Beruf als Lehrer, scheiterte an der Gleichgültigkeit der zuständigen Stellen. Schreiben an die frühere Kultusministerin in Hessen, Dorothea Henzler, mit der Bitte um eine bevorzugte Wiederanstellung blieben lange unbeantwortet; dann nur der Hinweis, Arnold solle sich beim "Zentralen Personalmanagement" bewerben. Das hatte er längst getan, wie sein Anwalt mitteilte. Sein Haftentschädigungsantrag blieb bis zuletzt unbearbeitet. Auf die Bitte, ihm bis zu einer Wiedereinstellung Abschlagszahlungen zu gewähren, erfolgte keine Reaktion.

Bis zuletzt blieb Horst Arnold ein arbeitsloser Hartz-IV-Empfänger. Die Verbitterung darüber kann sein Anwalt nicht verhehlen.

Für all diese Angelegenheiten seines Mandanten hat sich Lierow unermüdlich eingesetzt, er schrieb Anträge und Mahnungen an Behörden, unterstützte und begleitete ihn in alltäglichen Belangen.

Empört ist er auch, weil die Staatsanwaltschaft Darmstadt bis heute noch keine Anklage gegen Heidi K. erhoben hat; die gleiche Staatsanwaltschaft, die, wie er sagt, die Ermittlungen gegen seinen Mandanten damals sehr einseitig geführt habe. Heidi K. ist bei mittlerweile leicht gekürzten Bezügen vom Schuldienst suspendiert. Die Entscheidung, ob gegen sie Anklage erhoben wird, wurde ausgerechnet am Todestag von Arnold getroffen, wie die Staatsanwaltschaft Darmstadt mitteilte. Sie wurde jedoch noch nicht veröffentlicht, da sie zuerst zugestellt werden muss.

In seiner Pressemitteilung resümiert Hartmut Lierow: "Die Jahre der Haft und des anschließenden Wartens haben die Gesundheit von Horst Arnold zerrüttet. Sein Herz - so scheint es - hat das alles irgendwann nicht mehr ertragen."

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