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Heftige Reaktionen auf Kölner Urteil zur Strafbarkeit von Beschneidungen
Jüdische, muslimische und christliche Organisationen üben scharfe Kritik am Kölner Urteil, das Beschneidungen an Kindern aus religiösen Gründen als Straftat sieht. Deutsche Politiker wollen zügig eine Gesetzesgrundlage schaffen, um das religiöse Ritual in Deutschland zu erlauben, Rechtssicherheit für diejenigen schaffen, die jetzt Gefahr laufen wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilt zu werden. Onlinekommentare aus der Bevölkerung zeigen wenig bis kein Verständnis für die vorsätzliche Verletzung von Kindern.
Stellungnahme von Religionsgemeinschaften:
Die Konferenz Europäischer Rabbiner kritisiert das Urteil als schwersten Angriff auf das Judentum seit Jahrzehnten in Deutschland. Der Moskauer Rabbiner Pinchas Goldschmidt erklärte: "Ein Verbot der Beschneidung stellt die Existenz der jüdischen Gemeinschaft in Deutschland infrage. Sollte das Urteil Bestand haben, sehe ich für die Juden in Deutschland keine Zukunft." Er sieht ein gesamteuropäisches Problem in mangelnder Toleranz gegen die Religion und führte dazu das Burka-Verbot in Frankreich, das Verbot des Minarettbaus in der Schweiz und Bestrebungen in den Niederlanden, das Schächten zu verbieten, an. Deutschland müsse bei so einer Entscheidung auch die eigene Geschichte bedenken. Zentralratspräsident Graumann sagte gegenüber der Zeitschrift Focus: "Die Liebe zu Kindern ist in der jüdischen Religion sehr tief verwurzelt. Jüdische Väter und Mütter gehen für ihre Kinder durchs Feuer." Deshalb treffe ihn die Unterstellung, Kindern werde durch die Beschneidung unnötiges Leid zugefügt. Der Koordinationsrat der Muslime (KRM) wertete den Richterspruch als einen Rückschlag bei der Integration von Muslimen. Im Islam ist die Beschneidung eine Empfehlung und kein religiöses Gebot wie im jüdischen Glauben.
Durch den Dortmunder Rabbiner Avichai Apel wurde die Gründung eines deutschen Verbands für alle professionellen jüdischen Beschneider angekündigt, dieser solle die religiöse Qualität und die medizinische Sorgfalt bei der Beschneidung garantieren. Die Beschneidung symbolisiert im Judentum den Bund zwischen Gott und Abraham und stellt den Eintritt in die jüdische Gemeinschaft dar. Das Ritual wird aus der Bibel abgeleitet: "beschnitten soll euch jeder Männliche werden" (Gen. 17, 10), "Und zwar acht Tage alt soll euch jedes Männliche beschnitten werden" (Gen. 17, 12).
Stellungnahmen von Politikern: Die Bundesregierung hat nach dem Urteil angekündigt, die Beschneidung in Deutschland straffrei halten zu wollen. Regierungssprecher Steffen Seibert erklärte: "verantwortungsvoll durchgeführte Beschneidungen" müssten in Deutschland straffrei möglich sein. Es bereitet uns Sorge, dass die Ausübung dieser uralten religiösen Bräuche sich derzeit nicht in einer Situation des Rechtsfriedens befindet." CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe ergänzte: "Gerade im Hinblick auf einen verantwortungsvollen Vollzug dieser Rituale durch Ärzte muss es schnellstmöglich Rechtssicherheit geben. Die Möglichkeit einer gesetzlichen Klarstellung muss zügig geprüft werden." Unionsfraktionschef Volker Kauder will eine fraktionsübergreifende Resolution im Bundestag in der kommenden Woche verabschieden: "Jüdisches und muslimisches Leben muss auch in Zukunft in Deutschland möglich sein. Dazu gehört auch die auf der religiösen Überzeugung beruhende Beschneidung von Knaben". Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) glaubt nicht daran, dass es möglich ist, kurzfristig in der Frage der Beschneidung Rechtssicherheit zu schaffen: "Zu einem Rechtsstaat gehört auch, dass durch Einzelfallentscheidungen von Gerichten aufgetretene Rechtsunsicherheiten nicht von heute auf morgen beseitigt werden können. Das gilt sowohl für die Herausbildung einer einheitlichen bindenden Rechtsprechung als auch für die Neuregelung durch den Gesetzgeber." Außenminister Guido Westerwelle mahnte den Respekt vor religiösen Traditionen an. Sozialdemokraten und GRÜNE wollen ein Gesetz, das die Beschneidung von Jungen in Deutschland aus religiösen Gründen erlaubt. In dieser Richtung äußerte sich auch der SPD-Parteivorsitzender Sigmar Gabriel.
Pressestimmen: Nach einem Bericht der Financial Times Deutschland gibt es bei den Leitartikeln der Presse unterschiedliche Stimmen. So schreibt die Westdeutsche Zeitung (Düsseldorf): "Zunächst einmal ist es erfreulich, dass in unserem Land genau hingeschaut wird, wenn der Verdacht aufkommt, das Wohl eines Kindes könnte beeinträchtigt sein." Ferner zitiert das Blatt den Düsseldorfer Psychoanalytiker Matthias Franz, nach dessen Ansicht die Operation im Säuglings- oder Kindesalter ein traumatisches Erlebnis darstellen und zu andauerndem körperlichen, sexuellen oder psychischen Leiden führen könne.
Die Frankfurter Rundschau kommentiert: "Die Beschneidung - mag sie nun medizinisch sinnvoll sein oder nicht - ist ein geringfügiger körperlicher Eingriff, ihr strafrechtliches Verbot aber würde den Lebensnerv sowohl der jüdischen als auch der muslimischen Glaubensgemeinschaft treffen. In keinem Land der Welt ist die Beschneidung verboten. Die Ankündigung der Bundesregierung, ihre Zulässigkeit gesetzlich zu bestätigen, ist beruhigend." Verwandte Texte:
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