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POLITIK

01.07.2009

Timor-Lestes Premierminister sieht sich zunehmend mit Korruptionsvorwürfen konfrontiert

Von vielen Seiten wird Timor-Leste als eine "Gesellschaft, die auf Gerüchten basiert" (rumor-based society) bezeichnet, eine Folge der indonesischen Besatzungszeit (1975-1999), in der sowohl Besatzer als auch Freiheitskämpfer mit Gerüchten die Bevölkerung und die jeweils andere Seite verunsichern wollten. Die Bevölkerung ist daher anfällig für Gerüchte und Verschwörungstheorien, was von allen politischen Parteien und Akteuren ausgenutzt wird. Das beginnt mit Vermutungen über die verfassungsmäßige Rechtmäßigkeit der Koalitionsregierung und geht über Behauptungen über Fehlverhalten der ausländischen Sicherheitskräfte (zum Beispiel der "INTERFET-Frosch") und Unfähigkeit der Regierenden bis hin zu Gerüchten über bewaffnete, paramilitärische Gruppen und Spekulationen über den gewaltsamen Tod des Rebellen Alfredo Reinado und dessen Verbindungen ins Ausland. Im Mai 2009 sah sich der stellvertretende Polizeikommandant Alfredo de Jesus gezwungen, die Bevölkerung in Radio und Fernsehen aufzufordern, nicht dem Gerücht zu glauben, eine Hexe namens Magareta würde nächtens über Dili fliegen.

Seit Monaten gibt es bereits Gerüchte und Anschuldigungen gegen mehrere Mitglieder der AMP-Koalitionsregierung unter Premierminister Xanana Gusmão. Ihnen werden Korruption und Vetternwirtschaft vorgeworfen, vor allem durch die oppositionelle FRETILIN. Im Mai letzten Jahres drohte die ASDT aus der Regierungskoalition auszuscheiden, da Premierminister Gusmão sich weigerte, zwei der Korruption beschuldigte ASDT-Angehörige des Kabinetts zu entlassen, wie es die Partei gefordert hatte. Dahinter stand ein Machtkampf zwischen der Parteiführung und ihren Parlamentsabgeordneten. Letztlich blieben Tourismusminister Gil da Costa Alves und der Staatssekretär für Umwelt Abílo de Deus de Jesus Lima im Amt und die ASDT in der Koalition.

Als nächstes kamen Landwirtschaftsminister Mariano Assanami Sabino (PD) und Justizministerin Lúcia Lobato (PSD) unter Korruptionsverdacht. Das Wohnhaus von Lobato wurde am 1. Juni diesen Jahres von UN- und Nationalpolizei ebenso durchsucht, wie die Firma von Lobatos Ehemann Americo Lopes. Die Pualaka Petrolium Fuel hatte einen Vertrag über die Lieferung von Dieseltreibstoff an die nationalen Elektrizitätskraftwerke im Wert von 3,1 Millionen US-Dollar erhalten. Medien vermuteten eine Übervorteilung von Lopes. Zudem wird ihm von Geschäftspartnern vorgeworfen, Lopes habe Dokumente manipuliert, um mehr Einfluss in der Firma zu gewinnen.

Nun ist auch der Regierungschef und Unabhängigkeitsheld Gusmão selbst unter Verdacht geraten. Er hatte einen Vertrag über mehrere Millionen US-Dollar mit einer Firma unterzeichnet, deren Haupteigentümer seine Tochter aus erster Ehe, Zenilda Gusmão ist. Laut ABC Radio Australia erhielt Prima Food einen Lieferauftrag über Reis im Wert von 3,5 Millionen US-Dollar. Prima Food ist eine von mehreren Firmen, die Timor-Leste für insgesamt 56 Millionen US-Dollar das wichtige Grundnahrungsmittel 2008 lieferten. Das Geld stammte aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfond und sollte die akute Nahrungsmittelknappheit lindern. Die Opposition hatte die Ausgaben scharf kritisiert. Ebenfalls zu den Lieferanten gehören United Foods Lda. und Belun Feto Lda., die unter Kathleen Gonçalves Geburtsname Fon Ha Tchong verzeichnet sind. Kathleen Gonçalves ist die Ehefrau von Entwicklungsminister João Mendes Gonçalves (PSD). Der Liefervertrag mit den beiden Firmen und einer Firma namens Tres Amigos hatte ein Volumen von 11 Millionen US-Dollar. Eine Regierungssprecherin erklärte, dass Kathleen Gonçalves allerdings schon seit 1999 Reis importiere und auch schon von den Vorgängerregierungen, auch jener der FRETILIN, als offizielle Handelspartnerin anerkannt war. João Gonçalves erklärte, er habe keinen Einblick in die Firmen seiner Frau und deren Verträge.

Während die ABC auf ein Gesetz verweist, dass Mitarbeitern des Öffentlichen Dienstes, Beamten und Politikern verbietet Verträge mit nahen Verwandten abzuschließen, erklärte die timoresische Regierung der australische Sender habe mehrere Fakten, vor allem bei der juristischen Bewertung nicht richtig dargestellt. Der Staatssekretär für den Ministerrat Agio Pereira erklärte, Gusmão habe keine Gesetze gebrochen. Die Verträge seien von der Regierung die ganze Zeit über transparent gehalten worden, erklärte eine Regierungssprecherin. Kritik an dem Vorgang kommt aber weiterhin sowohl von den Oppositionsparteien FRETILIN und PUN, als auch der Menschenrechtsorganisation La'o Hamutuk. PUN-Chefin Fernanda Borges erklärte, die Regierung würde das Gesetz so auslegen, dass bestimmte Regierungsmitglieder nicht an ihm gebunden seien, doch gerade der Premierminister müsse hier vorsichtig sein. Der stellvertretende FRETILIN-Vorsitzende Arsénio Bano forderte den Rücktritt von Premierminister Gusmão. Zudem kritisierte Bano, dass die Regierung noch nicht einmal angebe, um wie viel Reis es sich bei der Lieferung handle.

Die neusten Fälle sind der Höhepunkt der monatelangen, größtenteils unbelegten Korruptionsvorwürfe. Diese zeigen in der öffentlichen Meinung immer deutlicher ihre Wirkung. 35 % der Timoresen glauben, die Korruption wäre unter der neuen Regierung schlimmer geworden. Im Internationalen Korruptionsindex von Transparency International fiel Timor-Leste 2008 von Platz 122 auf Platz 145, was erneut zu einer heftigen öffentlichen Diskussion führte. Die Regierung wies darauf hin, dass die Verschlechterung noch auf Daten der FRETILIN-Vorgängerregierung beruhen würden, ernannte aber Mário Viegas Carrascalão zum zweiten Vizepremierminister, der sich primär mit der Korruptionsbekämpfung beschäftigen soll und gründete eine Anti-Korruptionskommission, die von einer Mehrheit der Bürger begrüßt wurde. Carrascalão erklärte, er werde den Reishandelskandal untersuchen. Staatspräsident José Ramos-Horta erklärte, er werde sich in den Skandal nicht einmischen. Es gehöre nicht zu seinen Aufgaben als Präsident, hier zu intervenieren. Heute verteidigte Ramos-Horta den Premierminister und Minister João Gonçalves. "Nur weil jemand Präsident oder Premierminister geworden ist, bedeutet das ja nicht, dass seine Familie in die Arbeitslosigkeit gehen, ihre Firmen verkaufen und ihre Geschäfte stoppen muss," so Ramos-Horta.

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