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RECHT

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Amasya-Prozesse

Die Amasya-Prozesse von 1921 waren Sonderverfahren der sogenannten Unabhängigkeitsgerichte, welche von den türkischen Nationalisten organisiert wurden. Sie fanden in Amasya (auch Amassea) in der heutigen Türkei statt, während der letzten Phase der Griechenverfolgungen im Osmanischen Reich 1914-1923. Die Gesamtzahl der exekutierten Personen wird auf etwa 400-450 geschätzt, darunter 155 prominente Pontosgriechen.

Hintergrund

Die osmanische Politik einer Verfolgung der pontosgriechischen Bewohner wurde bereits nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges 1914 in die Wege geleitet, zumeist mittels Deportationen und erzwungener Todesmärsche. Diese Politik wurde nach Anschuldigungen, die pontosgriechischen Gemeinden würden die russische Armee unterstützen, intensiviert. Als Ergebnis deportierten die osmanischen Behörden Tausende örtlicher Griechen in das Innere Anatoliens. Die osmanische Politik nahm ab 1917, als Griechenland in den Ersten Weltkrieg eintrat, eine gewalttätigere Form an. Eine große Zahl an deportierten Menschen starb an Krankheiten, Erschöpfung und Epidemien während der Todesmärsche und der Einweisung in Arbeitsbataillone. Diejenigen, die es überlebten, wurden der Zwangsislamisierung ausgesetzt oder ermordet. Währenddessen wurden Anführer irregulärer türkischer Banden (çete) wie Topal Osman, berüchtigt für seine Rolle im Völkermord an den Armeniern, 1916 zu den Griechen der Provinz Samsun geschickt.

Die gleiche Politik wurde nach dem Ausbruch des Griechisch-Türkischen Krieges (1919-1922) fortgesetzt, als Gruppen irregulärer türkischer Banden mit Billigung bzw. Unterstützung der Türkischen Nationalbewegung von Mustafa Kemal Pascha eingriffen und 1920-1921 Massaker in der Region Pontos begingen.

Verfahren

Die Absicht der türkischen Nationalisten war es, die wichtigsten Vertreter der griechischen Gemeinde der Schwarzmeer-Küstenregion unter einem rechtlichen Vorwand auszuschalten. Diese Verfahren vor den Unabhängigkeitsgerichten wurden in Amaseia, einer Stadt im Inneren Anatoliens durchgeführt; es wurde so bewusst eine Entfernung zu jeglichen Konsulaten gewählt, um die Anwesenheit westeuropäischer Vertreter zu vermeiden, da das Ganze als eine "innere Angelegenheit" betrachtet wurde.

Von Dezember 1920 an begannen die türkischen Nationalisten damit, griechische Vertreter aller Teile der Pontosregion festzunehmen und sie in Amaseia zu inhaftieren. Die Verfahren begannen Ende August 1921. Es wurde behauptet, dass einige von ihnen im Ersten Weltkrieg die russische Armee unterstützt hätten. In derselben Weise fühlten sich die türkischen Nationalisten angegriffen, als sie nach einer Untersuchung bemerkten, dass die Trikots der örtlichen griechischen Fußballmannschaft Pontus Metzifon die Farben der Griechische Flagge (blau und weiß) hatten.

Die Verfahren standen unter dem Vorsitz von Emin Bey Gevecio?lu, Rechtsanwalt aus dem nahegelegenen Samsun. Nach Eilverfahren, bei denen der Richter die Angeklagten mit Beschimpfungen und beleidigenden Kommentaren anschrie, war das Urteil für die Mehrheit der Personen der Tod, mit dem Vorwand, dass sie die Unabhängigkeit des Pontus organisiert hätten. Die Urteile wurden sofort beschlossen.

Vom 20. August bis zum 21. September 1921 wurden als Folge der Verfahren 177 Griechen aus der Pontosregion gehängt. Die exakte Gesamtzahl der im Zuge der Amaseia-Verfahren hingerichteten ist unbekannt, wobei die Schätzungen zwischen 400 bis 450 Personen rangieren. Am 25. September 1921 veröffentlichte eine örtliche türkische Zeitung eine Liste mit 155 prominenten Pontosgriechen, die am zentralen Platz von Amaseia erhängt wurden.

Diejenigen, die zum Tode verurteilt wurden, waren Politiker, Geschäftsleute, Unternehmer, Journalisten und religiöse Würdenträger der örtlichen griechischen Gemeinde. Unter ihnen waren der örtliche Assistenzbischof von Amaseia, Euthemios Zelon, der im Gefängnis an Typhus starb. Das Unabhängigkeitsgericht verurteilte ihn posthum zu Tode, und sein lebloser Körper wurde am zentralen Platz der Stadt zusammen mit den anderen aufgehängt.

Nachwirken und Reaktionen

Die Verfahren und Hinrichtungen in Amaseia durch die türkische Nationalbewegung gingen über zur Vernichtung der pontosgriechischen Elite unter einem rechtlichen Vorwand, wobei die Gesamttodeszahl der pontosgriechischen Gemeinde 1915 bis 1923 von geschätzt 353.000 bis 360.000 rangiert.

Reaktionen darauf kamen sowohl aus dem Inland, wie auch aus dem Ausland. Die Tötung des Volksvertreters Matthaios Kofidis in Amaseia, ehemaliger Abgeordneter des Osmanischen Parlaments, der jegliche Form einer Widerstandsbewegung gegen die türkischen Behörden ablehnte, führte selbst unter der muslimischen Bevölkerung von Trapezunt zu Entrüstung, die sich darin ausdrückte, dass sie sich weigerten, mit den türkischen Nationalisten zusammenzuarbeiten, und damit das Leben mehrerer örtlicher Griechen retteten.

Proteste fanden in Griechenland, dem Vereinigten Königreich ebenso wie in Frankreich und Italien statt - Länder, die zu dieser Zeit inzwischen im Bündnis mit den türkischen Nationalisten standen. Das Problem wurden am 22. Dezember 1921 auch im Kongress der Vereinigten Staaten durch den Senator William H. King aufgegriffen.

Zum Tode verurteilt (Auswahl)

  • Matthaios Kofidis, Geschäftsmann und Politiker, ehemaliger Abgeordneter des Osmanischen Parlaments.

  • Nikos Kapetanidis, Journalist und Zeitungsherausgeber.

  • Pavlos Papadopoulos, Direktor der Ottomanischen Bank in Samsun.

  • Iordanis Totomanidis, Direktor des Tabakmonopols in Bafra.

  • Dimosthenes Dimitoglou, Bankier.

  • Lehrer und Studenten der Mertsivan Anatolia High School, einige von ihnen waren Spieler der Fußballmanschaft der Schule "Pontus Merzifon".

  • Euthemios Zelon, Assistenzmetropolit von Amaseia.

  • Platon Aivazidis, Protosyncellus von Amaseia.

In Abwesenheit


  • Erzbischof Chrysanthos, Metropolit von Trapezunt, später Erzbischof von Athen.

  • Karavaggelis Germanos, Metropolit von Amaseia.

  • Laurentios, Metropolit von Chaldia.

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