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POLITIK

17.11.2012

"Israel is under attack" - Nahostkonflikt droht zu eskalieren

Erstmals seit dem Golfkrieg 1991 ist in Tel Aviv am Donnerstag wieder Luftalarm ausgelöst worden, nachdem die Hamas verstärkt begonnen hat, den Westen Israels zu bombadieren. Zu der Eskalation war es nach der gezielten Tötung von Ahmed Dschabari gekommen, dem Anführer der Qasssam-Brigaden. Die israelischen Streitkräfte hatten, kurz nachdem eine Qassam-Rakete in Israel eingeschlagen war, die "Operation Wolkensäule" gestartet. Hamas kündigte daraufhin Vergeltung an.

Im Rahmen dieser Vergeltungsaktion wurden durch die Hamas, die Qasssam-Brigaden und die Organisation "Islamischer Dschihad" vom Gazastreifen aus 306 Raketen auf Israel abgeschossen, wobei drei israelische Zivilisten getötet und mindestens zwölf verletzt wurden. Von israelischer Seite wurden "320 Ziele im Gazastreifen angegriffen. 16 Menschen starben, mehr als 150 wurden verletzt." Als am späten Nachmittag des 15. Novembers vereinzelt Raketen bis in die Nähe der bisher als sicher geltenden Stadt Tel Aviv flogen, wurde erstmals seit 1991 wieder Luftalarm ausgelöst und die israelischen Streitkräfte meldeten: Israel is under attack. Verteidigungsminister Ehud Barak gab anschließend bekannt, 30.000 Reservisten einzuberufen und ließ erklären, dass "keine Option vom Tisch" sei. Ab Freitag wurden verstärkt Soldaten in den Süden Israels verlegt, "um für einen Einmarsch bereit zu stehen, sollte der Befehl kommen, sagte ein ranghoher Beamter in Tel Aviv".

Gestern ertönten nun auch in Jerusalem die Luftschutzsirenen. Raketen der Hamas schlugen auf unbewohntem Land und dem Meer auf, durch israelische Angriffe wurden derweil fünf Menschen getötet. Noch am Vormittag hatte der ägyptische Ministerpräsident Hischam Kandil den Gazastreifen besucht und dabei seine Solidarität mit der radikal-islamischen Hamas bekundet: "Er sagte, Ägypten stehe unverbrüchlich auf der Seite der Palästinenser. Die Opfer der israelischen Angriffe bezeichnete er als "Märtyrer". Und auch Ägyptens Präsident Mohammed Mursi sicherte den Palästinensern die Unterstützung seines Landes zu." Währenddessen gingen sowohl Palästinenser, Ägypter und Israelis auf die Straßen, um für oder gegen eine militärische Intervention zu demonstrieren.

Die Staatengemeinschaft reagierte unterdes beunruhigt auf die sich zupitzenden Ereignisse, da ein erneuter Nahost-Krieg befürchtet wird. Die ägyptische Regierung verurteilte die Angriffe Israels und rief die Regierung auf, weitere Provokationen zu unterlassen. Infolge der andauernden Kampfeinsätze Israels wurde daraufhin der ägyptische Botschafter abgezogen. Auch der französische Präsident François Hollande versuchte, Israel zu einer Beruhigung der Lage zu drängen, während hingegen US-Präsident Barack Obama Ministerpräsident Benjamin Netanjahu schon am Mittwoch ausdrücklich seine Unterstützung zugesichert und "das Recht Israels auf Selbstverteidigung" betont hatte, gleichzeitig aber auch durch einen Außenministeriums-Sprecher verlauten ließ: "Wir bitten Ägypten, seinen Einfluss in der Region für eine Deeskalierung zu nutzen". Die Organisation für Islamische Zusammenarbeit verurteilte die Luftangriffe auf den Gazastreifen als "Angriff gegen die Gesamtheit der islamischen Nation", außerdem beschäftigten sich die Vereinten Nationen in einer Dringlichkeitssitzung mit der Lage in Nahost, woraufhin sie vor "möglicherweise katastrophalen Folgen" warnten, sollten die Kampfhandlungen nicht bald niedergelegt werden. Auch Bundesaußenminister Guido Westerwelle sprach von einer außerordentlich gefährlichen Lage: "Es sei von großer Bedeutung, dass keine neue Spirale der Gewalt entstehe".

Experten befürchten nun, da die Präsidentschaftswahlen in den USA vorüber sind, dass Israel derzeit einen weiteren Nahost-Krieg vorbereitet. Für Israels wichtigsten Verbündeten wäre ein unpopuläres militärisches Eingreifen während des Wahlkampfes unvorteilhaft gewesen. Jetzt sind die Wahlen in den USA allerdings vorbei, während sie in Israel derzeit bevorstehen; das lässt die Vermutung aufkommen, dass Ministerpräsident Netanjahu durch ein rigeroses militärisches Handeln gestärkt werden würde und deshalb ein bevorstehender Krieg nicht mehr sonderlich unwahrscheinlich erscheint. Die israelische Regierung kündigte derweil an, dass sie künftig die Zivilbevölkerung warnen wolle, bevor sie bestimmte Ziele bombadiere. Ob es aber bei Luftangriffen bleibt, oder ob Israel tatsächlich, wie derzeit vermehrt berichtet, eine erneuete Bodenoffensive nicht nur vorbereitet, sondern auch umsetzt, wird sich zeigen. Anti-Kriegs-Mahner, wie die Chefin der linken Meretz-Partei, Zehava Galon stehen allerdings zunehmend alleine da. Die Politikerin hatte kürzlich noch vor einem Krieg gewarnt und an Netanjahu appelliert: "Nutzen Sie die Gelegenheit, dass der ägyptische Regierungschef nach Gaza gekommen ist. Nutzen Sie das als Ausstiegs-Strategie. Ändern Sie die Spielregeln und bringen Sie den Bürgern des Südens Frieden". Ebenso rufen Bürgerbewegungen sowohl auf Seiten Israels, als auch in Palästina schon seit Monaten zu einer friedlichen Lösung des Konflikts auf und haben dabei zuletzt ein weltweites Medien-Echo erfahren. Doch angesichts der Tatsache, dass die israelische Armee bereits 16.000 Reservisten vorsorglich eingezogen hat (weitere 75.000 stehen auf Abruf bereit) und Berichte zeigen, wie Panzer und Panzerhaubitzen in der Nähe des Gazastreifens positioniert werden, vermuten zahlreiche Experten, dass weitere militärische Eskalationsstufen unmittelbar bevorstehen. Dies würde einen neuen Nahost-Krieg bedeuten - mit ungewissem Ausgang.

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