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Libyen droht die Spaltung
Ein halbes Jahr nach dem Sturz des früheren Revolutionsführers Muammar al-Gaddafi droht Libyen die Spaltung. Die ölreiche Region Kyrenaika hat sich für halbautonom erklärt und eine Gegenregierung ausgerufen. Es werde zwar keine vollständige Abspaltung angestrebt, doch erkenne man die Zuständigkeit des Nationalen Übergangsrates in Tripolis nur noch für überregionale Angelegenheiten an. Erziehung, Gesundheit, Justiz und öffentliche Sicherheit wolle man selbst regeln, während die Zentralregierung für Außenpolitik, Verteidigung sowie Finanz- und Ölpolitik verantwortlich sein solle.
Mehr als 3.000 Stammesangehörige haben auf einem "Kongress für das Volk der Kyrenaika" die Bildung eines "Provinzrats der Kyrenaika" angekündigt, der bereits in zwei Wochen gewählt werden soll. Zu ihrem Vorsitzenden wählten die Stammesangehörigen den 79-jährigen Ahmed Al-Zubair Al-Senussi, der auch Mitglied des Nationalen Übergangsrates ist. Al-Senussi saß nach einem Putschversuch gegen Gaddafi im Jahr 1970 jahrelang im Gefängnis und wurde 2001 begnadigt.
Der Umsturz des vergangenen Jahres hat in Libyen die Frage nach der Verfassung aufgeworfen. Von den politischen Kräften der Kyrenaika wird eine teilweise Rückkehr zur Verfassung von 1951 angestrebt. Diese galt bis zur Machtergreifung durch Gaddafi im Jahr 1969. Die Monarchie ist zwar vom Tisch, aber eine föderative Republik mit den drei Provinzen Fessan, Tripolitanien und Kyrenaika wird von den Stammmesführern im Osten des Landes bevorzugt. Der Nationale Übergangsrat hingegen favorisiert eine starke Zentralregierung.
In dem geplanten 200 Sitze umfassenden Parlament sollen 60 Sitze auf die Kyrenaika entfallen. Zuwenig, finden die Stammesführer dort. Sie kritisieren auch, dass die meisten der Minister im Kabinett von Ministerpräsident Abdurrahman al-Qib aus Tripolitanien stammen und Milizen aus Az-Zintan und Misrata die Kontrolle über die Hauptstadt Tripolis ausüben.
Der Vorsitzende des Nationalen Übergangsrats, Mustafa Abd al-Dschalil, erklärte unterdessen in Misrata, eine Spaltung des Landes notfalls "mit Gewalt" unterbinden zu wollen. Nun liegt es an der Reaktion des Nationalen Übergangsrats und daran, ob der neue Provinzrat beim Volk in der Kyrenaika Autorität gewinnen kann. Am 12. Juni 2012 soll in Libyen eine verfassungsgebende Versammlung gewählt werden. Doch gerade im Osten Libyens fürchten viele Menschen eine Rückkehr des alten Systems.
"Gaddafi ist tot, aber das von ihm geschaffene System und seine Leute sind immer noch da. Der Übergangsrat hat seine Glaubwürdigkeit beim einfachen Mann verloren", sagte Abd al-Salam al-Scharif, ein 33-jähriger Anwalt und politischer Aktivist aus Bengasi. Als das Gaddafi-Regime noch an der Macht war, seien viele Aktivisten dem Übergangsrat heimlich beigetreten, doch auch heute noch ist wenig über diese Mitglieder bekannt. "Wer sind diese Menschen und warum geben sie ihre Namen nicht preis?" fragt al-Scharif. Verwandte Texte:
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