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POLITIK IN DEUTSCHLAND

25.10.2009

Deutschland: Schwarz-gelber Koalitionsvertrag steht - Überraschungen bei Ministerämtern

CDU, CSU und FDP übergaben am Samstag den ausgehandelten Koalitionsvertrag für die neue Legislaturperiode in Deutschland der Öffentlichkeit. Die geplante personelle Neubesetzung der Ministerämter wurde ebenfalls bekannt. Die Oppositionsparteien im künftigen Deutschen Bundestag kritisierten die Koalitionsvereinbarung scharf.


Die neue Regierung plant laut ihrem Koalitionsvertrag steuerliche Entlastungen in Höhe von 24 Milliarden Euro. Gleichzeitig will die neue Regierung "einen nachhaltigen Kurs der Sparsamkeit, der Transparenz der öffentlichen Finanzen und der verlässlichen Konsolidierung der öffentlichen Haushalte" verfolgen.

Als zentrales Reformvorhaben wird zum Einen die Neugestaltung des Gesundheitswesens genannt, außerdem will die schwarz-gelbe Koalition das "Steuerrecht spürbar vereinfachen und von unnötiger Bürokratie befreien". Diese beiden Punkte waren ein besonderes Anliegen der FDP. Der Vorsitzende der FDP, Guido Westerwelle, sagte nach der entscheidenden Nachtsitzung von Freitag auf Samstag, diese beiden Politikfelder trügen "eine starke liberale Handschrift". Den gefundenen Kompromiss in der Gesundheitspolitik zwischen der Union und der FDP bewertete der CSU-Parteivorsitzende Horst Seehofer allerdings etwas anders. Zunächst ändere sich da gar nichts. Eine Regierungskommission werde zu diesem Thema eingerichtet und dann werde man "mal schauen, zu welchen Ergebnissen diese Kommission kommt". Wie bekannt wurde, sollen die Arbeitnehmer ab 2011 stärker zur Finanzierung der wachsenden Gesundheitskosten herangezogen werden, der Arbeitgeberanteil soll eingefroren werden. Außerdem wird mit höheren Beiträgen in der gesetzlichen Pflegeversicherung gerechnet.

Die amtierende und künftige deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) verspräch, es werde in der laufenden Legislaturperiode keine Steuererhöhungen geben. Änderungen könne es vielleicht bei den Sozialabgaben geben. Deutlich wurde auch, dass alle geplanten Vorhaben für die nächsten vier Jahre unter dem Finanzierungsvorbehalt stünden.

Die Verschuldung der öffentlichen Haushalte befindet sich auf einem historischen Höchststand. Die Webseite staatsverschuldung.de rechnet mit einer Neuverschuldung von 126 Milliarden Euro in 2009. Im Verlauf des Jahres 2009 gehen die Betreiber der Webseite von einer Zunahme der Staatsschuld in Deutschland von 1.640 auf 1.768 Milliarden Euro aus. Pro Sekunde erhöht sich die Gesamtschuldenlast rechnerisch um 4.058 Euro.

Auch auf anderen Politikfeldern wurden Veränderungen vereinbart:

  • In der Außenpolitik soll die Politik des US-Präsidenten Obama für eine atomwaffenfreie Welt unterstützt werden. Außerdem will die Bundesregierung darauf hinarbeiten, dass die USA die in Deutschland stationierten Atomwaffen abzieht.

  • Die neue Regierung verabschiedet sich vom Atomausstieg, den die Regierung Schröder mit der Industrie ausgehandelt hatte. Die Laufzeit "sicherer Atomkraftwerke" soll über das Jahr 2022 hinaus verlängert werden.

  • Arbeitsmarkt: Einen gesetzlichen Mindestlohn soll es nicht geben. Stattdessen will man gesetzlich sogenannte sittenwidrige Löhne verbieten.

  • Die Wehrpflicht soll von jetzt neun auf künftig sechs Monate reduziert werden.

  • Innenpolitik: Das Recht auf Online-Durchsuchungen soll auf das Bundeskriminalamt begrenzt werden. Dazu muss künftig eine Genehmigung des Bundesgerichtshofs eingeholt werden.

  • Webseiten mit kinderpornografischem Inhalt sollen künftig nicht mit mehr mit Stoppschildern versehen, sondern gleich gelöscht werden.

  • Bildungspolitik: Die Koalition will mehr Geld in das Bildungswesen investieren. Demnach sind Ausgabenerhöhungen von insgesamt 12 Milliarden Euro bis 2013 geplant.

  • An den Plänen zur Privatisierung der Deutschen Bahn will die Regierung festhalten.

Der neuen Bundesregierung gehören einschließlich des Bundeskanzleramts 15 Minister sowie als Bundeskanzlerin Angela Merkel an. Darunter sind sieben Ministerien für die CDU vorgesehen, CSU und FDP verfügen zusammen über acht Ministerien. Außenminister und Vizekanzler wird der FDP-Parteivorsitzende Guido Westerwelle. Der bisherige Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) übernimmt das Finanzressort. Neuer Wirtschaftsminister wird der FDP-Wirtschaftsexperte Rainer Brüderle, der bisherige CSU-Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg wechselt ins Ressort Verteidigung. Das Innenministerium geht an Thomas de Maizière (CDU). Als Agrarministerin bleibt Ilse Aigner (CSU) im Kabinett. Als neues Gesicht auf der bundespolitischen Bühne wird die FDP den Niedersachsen Philipp Rösler ins Gesundheitsministerium entsenden. FDP-Generalsekretär Dirk Niebel, der bisher als arbeitsmarktpolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion in Erscheinung getreten war, soll neuer Entwicklungshilfeminister werden. Ronald Pofalla, CDU-Generalsekretär, soll Kanzleramtsminister werden. Für die FDP geht Sabine Leutheusser-Schnarrenberger ins Justizministerium. Ursula von der Leyen (CDU) führt weiterhin das Familienministerium. Annette Schavan (CDU) verbleibt im Ministerium für Bildung und Forschung. Neuer Verkehrsminister wird der CSU-Landesgruppensprecher Peter Ramsauer und Norbert Röttgen (CDU) übernimmt das Umweltministerium von seinem sozialdemokratischen Vorgänger Sigmar Gabriel.

Der designierte neue SPD-Vorsitzende Gabriel kritisierte insbesondere die Pläne der künftigen deutschen Bundesregierung im Gesundheitsbereich. Kosten und Risiken würden einseitig auf die Schultern der Arbeitnehmer abgewälzt. Außerdem werde das Gesundheitswesen nach den Plänen der neuen Bundesregierung "in Abhängigkeit von der Haushalts- und Kassenlage des Finanzministers gebracht". Die Parteivorsitzende der Grünen, Claudia Roth, charakterisierte die Regierungspläne als "unsozial, unbezahlbar, unverbesserlich". Die Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke sei "sicherheitspolitischer Wahnsinn". Der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK), Hans Heinrich Driftmann, bescheinigte der Regierungskoalition dagegen "gute Reformansätze". Er lobte besonders die Pläne zur Reform des Gesundheitswesens. Die Krankenkassenbeiträge müssten unabhängig vom Einkommen sein. So könne man die Lohnzusatzkosten begrenzen, die Schaffung von Arbeitsplätzen werde erleichtert. Auch die geplante Entlastung bei der Einkommensteuer fand seine Zustimmung: "Dann spüren die Leistungsträger, dass sich ihre Arbeit lohnt."

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