C6 MAGAZIN
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POLITIK IM VEREINIGTEN KÖNIGREICH

19.02.2010

Britischer Außenminister Miliband empört über "Mossad-Affäre"

Mit ungewöhnlich scharfen Worten hat sich am Donnerstag, dem 18. Februar der britische Außenminister David Miliband an die Regierung Israels gewandt. Nachdem sich herausstellte, dass sechs der elf mutmaßlichen Mörder des am 20. Januar getöteten Hamas-Führers Mahmud al-Mabhuh gefälschte Pässe mit Identitäten von in Israel lebenden britischen Staatsbürgern verwendet haben, ließ Miliband den israelischen Botschafter Ron Prosor einbestellen.

Der britische Staatssekretär Peter Ricketts verlangte bei seinem Treffen mit Prosor von Israel eine umfassende Kooperation bei der Aufklärung der Angelegenheit. Miliband erklärte nach dem Treffen, dass seine Regierung Israel die Möglichkeit geben wollte, Informationen über den Zwischenfall mit der britischen Regierung zu teilen. "Wir hoffen und erwarten, dass sie vollständig mit der Untersuchung kooperiert, die vom Premierminister eingeleitet wurde und von der "Serious Organised Crime Agency" (übersetzt etwa: ?Abteilung für organisierte Schwerverbrechen') durchgeführt wird." Miliband stellte fest, dass die britische Regierung der Angelegenheit auf den Grund gehen werde. Das Wichtigste sei es, die missbräuchliche Verwendung von Reisepässen britischer Bürger aufzuklären. Der israelische Botschafter in London sagte nach dem Treffen vor der britischen Presse, dass er keine der gewünschten Angaben machen konnte.

Auch der israelische Botschafter in Irland musste im dortigen Außenministerium vorsprechen. Botschafter Zion Evrony erklärte, dass er Minister David Cooney nichts zum Vorfall sagen konnte. Nach Angaben aus Dublin handelt es sich bei den drei irischen Pässen um echte Vordrucke, die allerdings nicht von den irischen Behörden ausgegeben wurden.

Mabhuh war am 20. Januar in einem Luxushotel in Dubai tot aufgefunden worden. Er war ein hochrangiger Anführer der Qassam-Brigaden, dem militärischen Arm der Hamas. Mabhuh soll nach israelischen Angaben 1989 während der Ersten Intifada die Entführung und Ermordung von zwei israelischen Soldaten organisiert haben. Außerdem sei Mabhuh einer der Hauptorganisatoren des Waffenschmuggels in den Gazastreifen gewesen.

Zunächst hatte es nach einem natürlichen Tod ausgesehen, bis sich herausstellte, dass Mabhuh in seinem Hotelzimmer mit einem Elektroschock betäubt und danach vermutlich mit einem Kissen erstickt wurde. Die Polizei Dubais verdächtigt anhand von Videoaufnahmen eine Frau und zehn Männer, den Mord ausgeführt zu haben und leitete bei Interpol die Fahndung nach den vermeintlich sechs Briten, drei Iren sowie jeweils einem Deutschen und einem Franzosen ein. Die Verdächtigen hätten kurz vor der Tat mit gefälschten Pässen verschiedener europäischer Staaten im selben Hotel wie Mabhuh eingecheckt und wenige Stunden nach dem Attentat das Land bereits wieder verlassen. Die weiteren Ermittlungen ergaben, dass die auf den britischen Pässen genannten Personen in Israel leben und zum Tatzeitpunkt nicht in Dubai waren. Der betroffene Brite Melvin Adam Mildiner erboste sich: "Man hat uns zu gesuchten Personen gemacht." Die Behörden in Dubai fahnden inzwischen nach mindestens 16 Personen, zwei weitere Personen, beides Palästinenser, wurden inzwischen in Dubai in Polizeigewahrsam genommen. Generalleutnant Dahi Chalfan Tamim erklärte vor der Presse, dass die Ermittlungen in Dubai ergaben, "dass der Mossad in den Mord an al-Mabhuh verwickelt ist. Es ist 99-prozentig sicher, wenn nicht gar zu 100 Prozent, dass der Mossad hinter dem Mord steht."

Die bereits kühlen Beziehungen zwischen dem Vereinigten Königreich und Israel dürften durch den Vorfall weiter belastet werden. "Der britische Pass ist ein wichtiger Teil der britischen Identität und wir müssen sicherstellen, dass alles getan wird, dies zu schützen", erklärte der britische Premierminister Gordon Brown und sprach sich für eine vollständige Aufklärung der Vorwürfe aus. Parlamentsmitglied Mike Gapes, der dem außenpolitischen Ausschuss vorsitzt, glaubt auch an eine Verwicklung des israelischen Geheimdienstes, andernfalls habe "jemand versucht, es so aussehen zu lassen, als seien es die Israelis".

Zur Todesursache Mabhuhs gibt es unterschiedliche Angaben. Hamas sprach von einer Vergiftung und Tötung durch Stromschlag, der Bruder des Getöteten gab einen Tod durch "Stromschlag und Ersticken mit einem Kleidungsstück" an. Nach Polizeiangaben wurde Mabhuh erstickt. Dubais Polizeichef wies darauf hin, dass verschiedene Tatbegleitumstände eine Verwicklung des Mossad nahelegen. Hamas selbst hatte zwischenzeitlich auch die von Mahmud Abbas geführte Palästinensische Autonomiebehörde als Drahtzieher des Mordes beschuldigt. Den Mossad hatte man allerdings von Anfang an auch im Verdacht. Hamas hat inzwischen Rache für die Ermordung Mabhuhs angekündigt.

Israel hat eine Verwicklung weder bestätigt noch dementiert. Der israelische Außenminister Avigdor Lieberman hält es jedoch nicht für korrekt, dass man wie selbstverständlich auf Israel und seinen Geheimdienst zeige. Hinter der Tat könne auch jeder andere Geheimdienst stehen. Der Mossad benutzte allerdings schon früher gefälschte britische Pässe bei Auslandseinsätzen seiner Agenten, so etwa bei dem Attentat in Amman auf Hamas-Chef Chalid Meschaal 1997 - damals wurden kanadische Pässe verwendet - und 1987 wurden acht für den Mossad bestimmte britische Pässe in einer Telefonzelle in Deutschland gefunden. Israel hatte in diesem Zusammenhang der damaligen Premierministerin Margaret Thatcher versprechen müssen, dass sich das nicht wiederholen werde.

Nach Auffassung der BBC liegt es nicht im Interesse sowohl des Vereinigten Königreiches als auch Israels, dass der Vorfall zu einer diplomatischen Krise führt. Das Verhältnis zwischen beiden Staaten ist seit der Gründung des Staates Israel schwierig. Von israelischer Seite wird vor allem die Haltung der Briten während des Holocaust kritisiert. Das Weißbuch von 1939 bedeutete eine Abkehr von der Zwei-Staaten-Lösung der Balfour-Deklaration und bewirkte ein Einwanderungsverbot für jüdische Siedler. Die Briten benötigten acht Monate, um Israel als Staat anzuerkennen, erheblich länger als die Vereinigten Staaten, die diesen Schritt innerhalb weniger Minuten vollzogen. Für Jahrzehnte existierte im britischen Außenamt eine Fraktion, die den Israelis nicht freundlich gesonnen war. In den 1950er- und 1960er-Jahren waren Briten und Franzosen dennoch die wichtigsten Lieferanten Israels für Waffen. Doch im Jom-Kippur-Krieg verhängte der damalige Premierminister Edward Heath ein Waffenembargo, sodass sich Israel den Vereinigten Staaten zuwandte. Der derzeitige Premierminister Brown ist Israel zugeneigt.

Der deutsche Außenminister Guido Westerwelle hat die Unterstützung seines Landes bei der Untersuchung des Mordfalls angeboten. Auch das deutsche Bundeskriminalamt beschäftigt sich mit der Angelegenheit. Einige Mitglieder des Kommandos sollen aus Deutschland nach Dubai geflogen sein. Westerwelle erklärte, "angesichts der bisher bekanntgewordenen Informationen halte ich es für dringend geboten, die Umstände des Todes von Mahmud al-Mabhuh gründlich aufzuklären". In deutschen Sicherheitskreisen geht man ebenfalls davon aus, dass der Mossad für die Tötung Mabhuhs verantwortlich war, allenfalls eine "untergeordnete logistische Hilfe" durch Jordanien sei möglich. Die mit im Zusammenhang mit dem deutschen Reisepass verwendete Identität wurde inzwischen als die des in Tel Aviv wohnenden amerikanischen Juden Michael Bodenheimer identifiziert. Er ist streng religios und hat nach Angaben seiner Familie "mit Politik nichts am Hut".

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