Die
Fraktursonographie ist ein spezielles Anwendungsgebiet der medizinischen Ultraschalldiagnostik (Sonografie). Während normalerweise nur Weichteile wie Haut, Organe und Gefäße beurteilt werden, dient die Fraktursonographie der Darstellung eines Knochenbruchs zur Erstdiagnostik und Verlaufsbeurteilung. Dadurch kann die Strahlenbelastung von Patienten reduziert werden.
Anwendung
Physikalische Grundlagen
Die Fraktursonographie erfolgt im regulären B-Mode-Verfahren mit einer linearen Ultraschallsonde (Linearschallkopf) und standardisierten Ultraschallgeräten bei 4-12 MHz und unterliegen damit den technischen und physikalischen Grundlagen der Sonografie. Der hohe Impedanzunterschied zwischen Knochen und Weichteilen hat eine vollständige Reflexion der Schallwellen an der Kortikalis (Knochenoberfläche) zur Folge, so dass mit dieser Methode die Knochenoberfläche, nicht aber die darunter liegenden Strukturen beurteilt werden können.
Darstellung und Limitationen
Mit der Ultraschallbildgebung kann die Oberfläche fast aller Extremitätenknochen beurteilt werden. Hierbei ist eine Darstellung aller Flächen möglich, die nicht von anderen Knochen überlagert werden. Aus diesem Grunde können aktuell die knöchernen Gelenkflächen nicht mit ausreichender Genauigkeit abgebildet werden. An der Wirbelsäule ist die Ultraschalldiagnostik bisher nicht erforscht.
Ein Vorteil ist die zusätzliche Darstellung der weichen Strukturen wie einem Hämatom, Gelenkerguss oder einem Blutgefäß.
Aufgrund der begrenzten Größe der Ultraschallsonde wird nur ein begrenzter Ausschnitt des Knochens dargestellt. Sind längere Ausschnitte nötig, werden diese Bereiche sequenziell nacheinander dargestellt.
Ziel der Maßnahme
Mit der Fraktursonographie können Knochenbrüche des Schaftes und der Metaphyse von Knochen dargestellt werden . Da nur die Knochenoberfläche abgebildet wird, sind nur bestimmte Knochenbruchformen für die Ultraschalldiagnostik geeignet. Gelenkfrakturen könne nicht sicher dargestellt werden, so dass die Anwendung für die Erstdiagnostik nur bei Kindern sinnvoll ist; bei Erwachsenen ist stets eine zusätzliche Röntgendiagnostik notwendig. Beim erwachsenen Skelett kann die Sonographie zur Stellungskontrolle eingesetzt werden.
Aktuelle Anwendungsbereiche
Handgelenksnahe Unterarmbrüche
Patientenalter: 0-12 Jahre. Diese Knochenbrüche stellen sich regelhaft mit Veränderungen an der Knochenoberfläche dar (Wulst, Knick, Versatz) und können daher ohne Röntgenbild diagnostiziert und behandelt werden . Gelenkfrakturen sind selten. Ein Röntgenbild ist nur in Ausnahmefällen notwendig. Das Vorgehen wird im Wrist SAFE - Algorithmus zusammengefasst.
Ellenbogennahe Brüche
Patientenalter: 0-12 Jahre. Bei den ellenbogennahen Brüchen (im wesentlichen sogenannte suprakondyläre Frakturen, siehe Distale Humerusfraktur) kann mittels Ultraschall ein Knochenbruch weitgehend ausgeschlossen werden, indem ein Gelenkerguss (fat pad sign) ausgeschlossen wird . Wenn ein Gelenkerguss nachgewiesen wird, muss ein Röntgenbild angefertigt werden, um den Bruch exakt zu beurteilen. Das Vorgehen wird im Elbow SAFE-Algorithmus zusammengefasst.
Schultergelenksnahe Oberarmbrüche
Patientenalter: 0-12 Jahre. Auch diese Brüche können durch Ihre Veränderungen an der Knochenoberfläche gut sonographisch dargestellt werden . Da an dieser Stelle jedoch auch ein Knochentumor als Ursache von Brüchen auftreten kann, muss hier bei allen nachgewiesenen Brüchen immer ein Röntgenbild angefertigt werden, um einen Tumor auszuschließen. Das Vorgehen wird im Shoulder SAFE-Algorithmus zusammengefasst.
Schlüsselbeinbrüche
Patientenalter: 0-12 Jahre. Der Schlüsselbeinbruch ist eine häufige Fraktur im Kindesalter. Er kann sonographisch gut dargestellt und meist konservativ behandelt werden. Hier kann die gebogene Form des Knochens und die Nähe zum Kopf-Hals-Bereich die Untersuchung erschweren.
Stellungskontollen
Patientenalter: beliebig. Die Anwendung kann erfolgen, wenn ein Röntgenbild und eine Ultraschalluntersuchung zum Vergleich vorliegen. Zur Kontrolle einer Abkippung / Verschiebung der Bruchfragmente kann dann eine Ultraschalldarstellung und der Vergleich mit den Voraufnahmen erfolgen.
Risiken und Nebenwirkungen
Die Nebenwirkungen entsprechen denen der normalen Sonografie. Es entsteht keine Strahlenbelastung.
Fehlerquellen und Gefahren
Bei hochgradig instabilen Knochenbrüchen sollte die Ultraschalldiagnostik nur mit großer Vorsicht angewandt werden, um eine Verschiebung durch die Untersuchung zu vermeiden, da ein Gipsverband zur Untersuchung abgenommen werden muss. Die standardisierten Untersuchungsebenen sollten eingehalten werden, um reproduzierbare Ergebnisse zu erhalten und eine Vergleichbarkeit zu gewährleisten. Da nur ein kleiner Ausschnitt des Knochens dargestellt werden kann und längere Abschnitte sequentiell untersucht werden müssen, können leichte Verbiegungen (wie bei einer Bowing-fracture) der Untersuchung entgehen. Im Zweifelsfall sollte eine Röntgenaufnahme erfolgen.
Dokumentation
Bei der Fraktursonographie stellt sich die besondere Problematik der Dokumentation. Da sich auf den Bildern der Knochen meist nicht eindeutig identifizieren lässt, ist bei der Ultraschalldiagnostik eine sorgfältige Kennzeichnung der Lokalisation, der Seite und der Bildebene notwendig.
Alternativen
In allen unklaren Fällen oder bei Unsicherheiten in der Beurteilung kann ein konventionelles Röntgenbild angefertigt werden. Im Vergleich beider Untersuchungen werden eine Zeitersparnis von 25 min zugunsten der Ultraschalluntersuchung und eine Reduzierung der Schmerzen von 1,7 auf 1,2 (visuelle Analogskala 0 bis 5 Punkte) angegeben.
Geschichte und Entwicklung der Fraktursonographie
Die sonographische Primärdiagnostik von Frakturen wurde erstmals 1986 von Leitgeb untersucht, seitdem sind etliche Untersuchungen zu verschiedenen Lokalisationen erschienen. Da mit der Röntgendiagnostik jedoch eine überall verfügbare Alternative zur Verfügung stand, konnte sich die Sonographie zur Knochenbruchdarstellung im klinischen Alltag nicht durchsetzen. Erst mit der systematischen Untersuchung der Sensitivität und Spezifität im direkten Vergleich zur radiologischen Bildgebung in den letzten Jahren findet die sonographische Frakturdiagnostik zunehmend weitere Verbreitung.
Weblinks
- Christoph Katzer, Ergebnisse einer systematischen Übersichtsarbeit zum Vergleich von Röntgen und Ultraschall zur Frakturdiagnostik bei Kindern. Prävention zwischen Evidenz und Eminenz. 15. Jahrestagung des Deutschen Netzwerks Evidenzbasierte Medizin. Halle, 13.-15.03.2014. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2014. Doc14ebmP5f
- Schall schlägt Strahlen, Frankfurter allgemeine Sonntagszeitung (FAS) vom 10.2.2013
- Ultraschall macht Unterarmbrüche im Kindesalter sichtbar, Pressemitteilung DEGUM
- Ultrasound effective for visualizing fractures in children, Pressemitteilung, news-medical
- Ultraschall bei Knochenbruch - eine sichere Alternative zum Röntgen bei Kindern, Pressemitteilung Deutschen Röntgengesellschaft.
- Keine Strahlen, aber genauso gut?, Deutschlandradio Beitrag vom 9.3.2013.
- Leonardo-Wissenschaft WDR 5, Beitrag vom 12.2.2013