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GESUNDHEIT

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Sterbefasten

Beim Sterbefasten wird nacheinander oder zugleich mit dem Essen und Trinken aufgehört, um vorzeitig versterben zu können. Um den Prozess so leidfrei wie möglich zu halten, ist eine gute Mund- und Schleimhautpflege unumgänglich. Bei konsequenter Durchführung ist - abhängig von Konstitution und Grunderkrankung - innerhalb von ca. zwei Wochen mit dem Tod zu rechnen. Durch Einnahme von Flüssigkeit kann das Sterben herausgezögert werden. "Wenn man mit dem Trinken nicht aufhört, kann man viele Wochen fasten, ohne dadurch den Tod herbeizuführen."

Es ist natürlich für Sterbende, mit dem Essen und Trinken aufzuhören. Sie sterben dann nicht, weil sie nicht essen und trinken, sondern hören auf zu Essen und zu Trinken, weil sie sterben.

Das Sterbefasten ist ein sanfter Vorgang; er beruht auf einer bewussten, freiwilligen Entscheidung. Sterbefasten kann zumindest in der ersten Woche wieder beendet werden, ohne dass mit bleibenden Schäden zu rechnen ist.

"Dass man das Leben nach einer autonomen Entscheidung eines Tages durch Sterbefasten beenden kann (...), wird für manche etwas Befreiendes und Beruhigendes darstellen."

Voraussetzungen

Sterbefasten kann durch drei Bedingungen definiert werden:

1. Ein Patient entscheidet sich, in einem Zustand, in dem er zu Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme fähig ist, weder das eine noch das andere zu sich zu nehmen.

2. Er beabsichtigt damit, den Eintritt des Todes zu beschleunigen.

3. Er trifft die Entscheidung dazu im Zustand der Einsichtsfähigkeit, ohne äußeren Druck und im Wissen um die Tragweite seiner Entscheidung.

Physiologie

Wenn dem Körper keine Nahrung zugeführt wird, kommt es nach ein bis zwei Tagen zum sogenannten Hungerstoffwechsel, bei dem so wenig Energie wie möglich verbraucht wird. Gleichzeitig legt sich das Hungergefühl. Die Eiweiß- und Fettreserven des Körpers werden allmählich aufgelöst; es kommt zum Muskelschwund. Bei diesen Stoffwechselvorgängen bilden sich Ketonkörper wie Aceton. Bei längerem Fasten schüttet der Körper auch Endorphine aus, was das Hungern erträglicher macht und zu euphorischen Gefühlszuständen führen kann. Pro Tag verlieren Fastende im Durchschnitt etwa 400 Gramm Gewicht, am Anfang vor allem Wasser und dann Eiweiß (und damit Muskelsubstanz). Bei Verzicht auf die zum Erhalt der Stoffwechselfunktionen nötigen ca. 25 ml Wasser pro Kg Körpergewicht kommt es zur Austrocknung (Exsikkose), die sich ab einem Wasserverlust von drei Prozent als Durst äußert. Ab ca. zehn Prozent kann es zu Sprachstörungen und unsicherem Gang führen. Eine gute Mund- und Schleimhautpflege z. B. durch halbstündiges Mund ausspülen kann diese Symptome lindern. Selbst bei sterbenden Menschen erweist sich eine Flüssigkeitsaufnahme von 500 ml pro 24 Stunden als ausreichend.

Durch die Dehydration haben die Nieren zu wenig Flüssigkeit, um ihre Ausscheidungsfunktion aufrechtzuerhalten. Es kommt zu einer Erhöhung des Harnstoffs im Blut, was mit der Zeit schläfrig macht. Der Tod tritt dann in der Regel im Schlaf durch Herzstillstand ein.

Eine Befragung von Pflegenden aus Hospiz- und Palliativeinrichtungen in Oregon, die ein solches Sterben begleitet hatten, ergab, dass sie den Sterbeprozess im Durchschnitt als sehr gut und friedlich erlebt hatten.

Gesellschaft

Gesellschaftlich ist das Verhalten zum Sterbefasten, zumindest in Deutschland, durch Unwissenheit und Vorurteile dominiert. Während es in der Hospizbewegung bekannt und akzeptiert ist, dass ein sterbender Mensch zunächst auf das Essen und im weiteren Verlauf auch auf das Trinken verzichtet, wird es von Laien, aber häufig auch von Ärzten und Pflegekräften, fälschlicherweise mit Hunger und Durst assoziiert.

Recht

Der Verzicht bzw. die Ablehnung von lebenserhaltenden Maßnahmen ist spätestens seit dem Erlass des Patientenverfügungsgesetzes (1901a|bgb|juris) in Deutschland rechtens. Dazu zählt auch der Verzicht auf Nahrung und Flüssigkeit, solange dies von einer einwilligungsfähigen Person getan wird, die ihren Willen glaubhaft und nachhaltig äußert. Der nachhaltige Wille wird hier schon durch die fortgesetzte Ablehnung der Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme dokumentiert. Hilfreich ist das Vorliegen einer entsprechenden Patientenverfügung und - zumindest bis sich die Erkenntnis der Straffreiheit herumgesprochen hat - einer dokumentierten Modifizierung der Garantenpflicht. Letzteres, um den falschen Vorwurf der unterlassenen Hilfeleistung abweisen zu können, der gelegentlich unterstellt wird, wenn der oder die Fastende am Ende das Bewusstsein verliert.

Ethik

Aus ethischer Sicht kann das Sterbefasten als passiver Suizid eingestuft werden. Es ist ein autonomes Gestalten des Sterbeprozesses, das im Unterlassen der Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme besteht.

Ärztliches Standesrecht

Ein Arzt, der einen Patienten beim Sterbefasten palliativmedizinisch betreut, handelt im Einklang mit deutschem Recht und seiner Standesethik, denn er trägt nicht zum Sterben bei, sondern sorgt - den Umständen entsprechend - für das Wohlbefinden des oder der Sterbenden.

Kulturelles

Beim buddhistischen Ritual Sokushinbutsu wird in einem jahrelangen Prozess versucht, eine Selbstmumifizierung durch Reduzierung und schließlich totalen Verzicht auf Nahrung und Flüssigkeit zu erreichen. Dieses extreme Ritual wurde im 19. Jahrhundert verboten.

Von dem Philosophen Demokrit wird berichtet, dass er im Alter von 109 Jahren, auf Bitten seiner Schwester Honig zu sich genommen habe, um nicht an einem Feiertag, sondern erst danach zu sterben.

Aus christlicher Sicht kann es als Sünde betrachtet werden, weil der Patient sein Lebensende nicht vollständig der zum Tode führenden Erkrankung überlässt.

Kritik

In einer Rezension zum Buch "Ausweg am Lebensende: Sterbefaste" von Chabot und Walther setzt sich die FAZ kritisch mit dem propagierten Konzept des sog. Sterbefastens auseinander: Magersüchtige und Hungerstreikende werden von dem propagierten Weg des Sterbefastens ausgenommen, da dieses für junge Menschen gemäß des Buches "unerträgliche Qualen" bedeute, während der Zielgruppe des Konzepts ein Sterben angeboten werde, welches (nur) "nicht ganz frei von Leiden" sei wobei der Autor exemplarisch die gemäß des Buches wichtigen Hilfsmittel im Sterbeprozess aufführt, u.a. "Eiswürfel gegen Blasen und Geschwüre" und "Wattestäbchen mit Chlorhexidinlösung gegen Pilze".

Siehe auch

  • Fasten

  • Hunger

  • Hungerstoffwechsel

  • Durst

  • Mundpflege

  • Hungerstreik

Literatur

  • Boudewijn Chabot: Taking Control of your Death by Stopping Eating and Drinking. 2014, ISBN 978-90-816194-3-1, 88 Seiten

  • Ralf J. Jox: Sterben lassen - Über Entscheidungen am Ende des Lebens. rororo, 2013, ISBN 978-3-499-63032-3, 272 Seiten

  • Boudewijn Chabot, Christian Walther: Ausweg am Lebensende: Selbstbestimmtes Sterben durch freiwilligen Verzicht auf Essen und Trinken. Reinhardt, München, 3. aktualisierte Auflage, 2012, ISBN 978-3-497-02274-8, 174 Seiten

  • Judith K. Schwarz: Death by voluntary dehydration: Suicide or the right to refuse a life-prolonging measure? In: Widener Law Review, 2011, Vol. 17:351, S. 251-361

  • Judith Schwarz: ''Exploring the Option of Voluntarily Stopping Eating and Drinking within the Context of a Suffering Patient's Request for a Hastened Death.'' Journal of Palliative Medicine. December 2007, 10(6): 1288-1297

  • Stanley A. Terman: The Best Way to Say Goodbye: A Legal Peaceful Choice At the End of Life. 2007, ISBN 978-1-933418-03-2, 489 Seiten

  • Goy, E. R., Miller, L. L., Harvath, T. A., Jackson, A., Delorit, M. A.: ''Nurses' Experiences with Hospice Patients who refuse Food and Fluids to hasten Death.'' New England Journal of Medicine, 2003, 349, 359-365

  • Jacobs, J.: Death by Voluntary Dehydration: What Caregivers say. New England Journal of Medicine, 2003, 325-326

  • Quill, T. E., Lo, B., Brock, D. W.: Palliative options of last resort: A comparison of voluntary stopping eating and drinking, terminal sedation, physician-assisted suicide, and voluntary active euthanasia. Journal of the American Medical Association, 1997, 278, 2099-2104

  • Justice, C.: The "Natural" Death While Not Eating: A Type of Palliative Care in Banaras, India. Journal of Palliative Care. 1995, 11(1): 38-42

  • Bernat, B. L., Gert, B., Mogielnicki, R. P.: Patient refusal of hydration and nutrition. An alternative to physician-assisted suicide or active euthanasia. Archives of Internal Medicine, 1993, 153, 2723-2728

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