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GESUNDHEIT

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Fritz Kurt Hauschild

Fritz Kurt Schauschild (* 8. Dezember 1908 in Chemnitz; ? 13. Januar 1974 in Leipzig) war ein deutscher Chemiker, Arzt und Pharmakologe.

Leben

Hauschilds Vater war praktischer Arzt. Der Sohn studierte ab 1928 in Göttingen, München und Leipzig Chemie und Medizin. 1932 legte er die Diplomprüfung in Chemie, 1934 das medizinische Staatsexamen ab. Im selben Jahr wurde er mit der von dem Leipziger Pharmakologen Oskar Gros (1877-1947) betreuten Arbeit Zur Pharmakologie und Chemie des Curins, eines Bestandteils des Pfeilgifts Tubocucare, zum Dr. med. promoviert. Er erhielt eine Assistentenstelle am Leipziger Pharmakologischen Institut. 1937 wechselte er zu den Vereinigten Chemischen Fabriken H. Temmler in Berlin. Dort entwickelte er das Methamphetamin, chemisch ein Phenylalkylamin, pharmakologisch ein Sympathomimetikum, zu dem als Markenartikel geschützten Pervitin. Er machte es zum Gegenstand seiner Habilitationsschrift Zur Chemie und Pharmakologie der Phenylalkylamine. Die Habilitation betreute der Berliner Pharmakologe Wolfgang Heubner. 1941 übernahm Hauschild für kurze Zeit die Leitung der Pharmakologischen Abteilung der ASTA-Werke im Bielefelder Stadtbezirk Brackwede. 1942 und 1943 arbeitete er bei Fritz Külz am Pharmakologischen Institut der Universität Frankfurt am Main, anschließend bei Fritz Eichholtz am Pharmakologischen Institut der Universität Heidelberg, von wo er aber bald als Infanterie-Arzt einberufen wurde. Aus dem Zweiten Weltkrieg kehrte er 1945 ans Heidelberger Institut zurück. Am 1. Juni 1945 trat er in die Kommunistische Partei Deutschlands ein. Nach dem Tod seines Vaters versorgte er von März bis Juni 1947 dessen ärztliche Praxis in Greiz in Thüringen.

Am 1. Juli 1947 übernahm er den Aufbau einer Pharmakologischen Abteilung bei den Deutschen Hydrierwerken in Rodleben, heute einem Stadtteil von Dessau-Roßlau. Das Werk hatte zum Henkel-Konzern gehört und chemisch über Sulfonamide geforscht, deren pharmakologische Prüfung aber extern vergeben. Inzwischen war das Werk als VEB DHW Rodleben verstaatlicht. Es kam bald zu Spannungen mit der Geschäftsleitung, doch beriet Hauschild das Hydrierwerk bis in die 1970er Jahre. Von 1948 bis 1949 nahm er eine Dozentenstelle bei Friedrich Holtz (1898-1961) am Pharmakologischen Institut der Universität Halle-Wittenberg ein. 1949 folgte er Ludwig Lendle (1899-1969) auf dem Lehrstuhl für Pharmakologie der Universität Leipzig. In seiner Bewerbung hatte er geschrieben: "Ich finde die ganze Situation fast schicksalhaft und würde natürlich glücklich sein, das Endziel meiner Arbeit in Form einer Berufung nach Leipzig zu erreichen, damit würde sich der Kreis meiner 1937 begonnenen Wanderschaft schließen und ich wieder dahin kommen, wo ich seinerzeit hoffnungsvoll meine pharmakologische Tätigkeit begonnen habe." Von 1954 bis 1956 hatte er zusätzlich einen Lehrauftrag an der neu gegründeten Medizinischen Akademie Magdeburg und leitete dort Planung und Bau des Pharmakologischen Instituts. Seit Ende der 1960er Jahre schwer krank, stellte er 1972 in Leipzig einen Antrag auf vorzeitige Emeritierung. Sein Schüler Volker Görisch (1928-1994) schrieb: "In seinen letzten Monaten bot er das tragische Bild eines hochintelligenten Mannes, der sich mit aller verfü?gbaren Willenskraft gegen die Anerkennung des eigenen Leidens wehrt. Auch darin lag Grö?ße, die Hochachtung verdient."

Forschung

Pervitin


Hauschilds weitaus folgenreichste Forschungstat war die Entwicklung des Pervitins - folgenreich bis heute, bedenkt man den Missbrauch als Droge, speziell als Stimulans, unter vielen Namen wie "Crystal Meth".. Die pharmakologische Gruppe der Sympathomimetika, in die Methamphetamin und andere Phenylalkylamine gehören, war seit Anfang des 20. Jahrhunderts vielfach bearbeitet worden, so 1910 in England von dem Chemiker George Barger und dem Pharmakologen Henry Hallett Dale. In den Vereinigten Staaten war 1933 das chemisch nahestehende, um eine Methylgruppe ärmere Amphetamin als "Benzedrin" in den Handel gekommen. Hauschild untersuchte Methamphetamin sowohl tierexperimentell als auch im Selbstversuch - er nahm 5 mg und fand die Stimulation milder, aber länger anhaltend als bei Benzedrin. Der erste Bericht erschien im September 1938 in der Klinischen Wochenschrift. "Das allgemeine Vergiftungsbild bei Pervitin wird bei allen Tierarten von eigenartigen zentralen Erscheinungen beherrscht. 1 - 2 Minuten nach Verabreichung der letalen Dosis, z. B. bei der Ratte, werden die Tiere unruhig, laufen aufgeregt hin und her, putzen sich und beschnuppern alles. Diese Erregung wird immer hochgradiger, die Tiere haben dauernd etwas zu tun, sie drehen sich ?tanzend' oft stundenlang im Kreis, teils fressen sie sich vor Erregung die Pfoten und die Bauchdecke an, so daß sie heftig bluten." Drei Monate später war unter der Überschrift Neue Spezialitäten (einschließl. Nährpräparate und Geheimmittel) in derselben Zeitschirift zu lesen: "Pervitin: 1-Phenyl- 2-Methylaminopropan. (Oral als Kreislauf- und psychisches Stimulans.) H.: Temmler-Werke, Berlin."

Noch im selben Jahr wurde Pervitin von dem Physiologen Otto Friedrich Ranke am Institut für Allgemeine und Wehrphysiologie der Militärärztlichen Akademie in Berlin an Studenten getestet und bald verbreitet zur Entmüdung ge- und missbraucht, nicht zuletzt beim Militär. So fand es Eingang in die Briefe Heinrich Bölls aus seiner Soldatenzeit. Am 6. September 1939 schrieb Böll aus der Winkelhausen-Kaserne in Osnabrück: "Liebe Eltern und Geschwister! <...> Wir liegen zu fünf Mann auf einer Stube, die fast so groß ist wie unser Wohnzimmer. Radioapparat bzw. Lautsprecher, der zentral bedient wird, ist auch vorhanden. Die Musik ist manchmal wirklich ein großer Trost für mich (im übrigen Pervitin nicht zu vergessen, das ganz besonders nach Nächten mit Alarm wunderbare Dienste tut)." Am 9. November 1939 ebenfalls aus Osnabrück: "Der Dienst ist stramm, und Ihr müßt verstehen, wenn ich späterhin nur alle 2 - 4 Tage schreibe. Heute schreibe ich hauptsächlich um Pervitin!" Am 2. Mai 1940 aus Osnabrück: "Vielleicht könntet Ihr mir noch etwas Pervitin für meinen Vorrat besorgen?" Am 19. Juli 1940 aus Bromberg, Polen: "Ich bin todmüde und will nun Schluß machen. Schickt mir nach Möglichkeit bald noch etwas Pervitin und von den Hilhall- oder Kamil-Zigaretten; außerdem eine kleine Unterhose. Papier habe ich noch genug. Viele herzliche Grüße in Dankbarkeit Euer Heinrich."

Hauschild veröffentlichte 1940 noch eine breit angelegte Untersuchung über die Pharmakodynamik der Phenylalkylamine, also ihre Wirkung im Körper, 1941 eine breite Untersuchung über ihre Pharmakokinetik, also ihr Schicksal im Körper. Er gehört neben Barger, Dale, Peter Holtz, Hermann Blaschko, Heribert Konzett und anderen zu den Forschern, die in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts die Pharmakologie dieser Stoffklasse erarbeitet und sich so in die Geschichte der Catecholaminforschung - die Catecholamine, etwa das Adrenalin, sind die wichtigsten körpereigenen Phenylalkylamine - eingeschrieben haben. Eine Prüfung der Wechselwirkung von Adrenalin mit aliphatischen Aminen, durchgeführt in Heidelberg und veröffentlicht 1948, und eine Prüfung des Adrenochroms, eines Abbauproduktes des Adrenalins, durchgeführt in Leipzig und veröffentlicht 1961, waren Nachklänge.

Sonstiges


Mit Hauschilds Übersiedlung in die sowjetische Besatzungszone und spätere Deutsche Demokratische Republik 1947 waren seine Arbeitsmöglichkeiten sehr beschränkt. Die pharmakologische Forschung diente der "Eigenversorgung" der DDR mit Arzneimitteln und dem Export in die osteuropäischen Länder. Auf dem westlichen Pharmamarkt spielten Arzneimittel aus der DDR kaum eine Rolle. "Trotz erheblicher Bemühungen," so Hauschild selbst, blieb "die pharmakologische Forschung in der DDR hinter dem Weltstand deutlich zurück". Sie werde "durch Überlastung mit zweckentfremdender Verwaltungs- und Planungstätigkeit gehemmt. Die Beschaffung zahlreicher, z. T.auch wertmäßig geringfügiger Hilfsmittel, Geräte, Chemikalien usw." führe zu einem untragbaren Verschleiß an Zeit und Arbeitskraft.

Aus Leipzig stammen Arbeiten über den Komplexbildner Ethylendiamintetraessigsäure, Wechselwirkungen zwischen Adenosin und einem Theophyllinderivat, die Ätzwirkung von Wasserstoffperoxid, die Toxizität des Neuroleptikums Chlorpromazin und Antidote bei Vergiftung mit Phosphorsäureestern.

Nach einer Leipziger Untersuchung verzweigtkettiger Fettsäuren zur Varizenverödung wurde 2-Hexyldecansäure von der Hydrierwerken als Devaricin in den Handel gebracht. Es sollte zusätzlich "bactericid und anästhetisch wirksam" sein.

Literatur

  • Fritz Kurt Hauschild im Professorenkatalog der Universität Leipzig. Abgerufen am 7. November 2014.
  • Peter Illes, Ingrid Kästner: Rudolf-Boehm-Institut für Pharmakologie und Toxikologie, Medizinische Fakultät der Universität Leipzig. In: Athineos Philippu (Hrsg.): Geschichte und Wirken der pharmakologischen, klinisch-pharmakologischen und toxikologischen Institute im deutschsprachigen Raum.'' S. 430-452. Berenkamp-Verlag, Innsbruck 2011. ISBN 978-3-85093-180-3.
  • Jürgen Lindner, Heinz Lüllmann: Pharmakologische Institute und Biographien ihrer Leiter. Editio Cantor, Aulendorf 1996, ISBN 3-87193-172-1.
  • Abgerufen am 29. Oktober 2014.
  • Michael Oettel, Klaus-Henning Chemnitius: Industrelle Pharmakologie und Toxikologie in der DDR und in den neuen Bundesländern Deutschlands (ohne Aerzneimitelwerk Dresden). In: Athineos Philippu (Hrsg.): Geschichte und Wirken der pharmakologischen, klinisch-pharmakologischen und toxikologischen Institute im deutschsprachigen Raum. S. 864-874. Berenkamp-Verlag, Innsbruck 2011. ISBN 978-3-85093-180-3.
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  • Peter Steinkamp: Pervitin (Methamphetamine) tests, use and misuse in the German Wehrmacht. In: Wolfgang U. Eckart: Man, medicine and the state: the human body as an object of government sponsored medical research in the 20th century. Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2006. ISBN 978-3-515-08794-0.

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