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GESUNDHEIT

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Pseudo-Apuleius

Pseudo-Apuleius, Apuleius Platonicus oder Apuleius Barbarus wird der unbekannte Autor eines Kräuterbuches genannt, dessen ältestes erhaltenes Manuskript (Leiden, MS. Voss Q. 9) aus dem 6. Jh. stammt. Er ist nicht identisch mit Apuleius von Madaura, dem römischen Dichter und Philosophen des 2. Jahrhunderts.

Pseudo-Apuleius Herbarius

Medizin- und Kunsthistoriker sind sich einig, dass der Urtext (Archetyp) dieses Herbarius im 4. Jahrhundert entstand. Nach Sigerist (1930, S. 200) speiste er sich aus lateinischen, nach Singer (1927, S. 37) aus griechischen Quellen. Ein großer Teil der Rezepte im Pseudo-Apuleius Herbarius stimmt mit Rezepten aus der Naturalis historia des Plinius überein. In - je nach Handschrift - 128 bis 131 Kapiteln wird je eine Pflanze behandelt. Nach der Nennung des Namens der Pflanze werden die Indikationen in Rezeptform abgehandelt. Die Anzahl der Rezepte pro Kapitel schwankt zwischen 1 und 24. Den Abschluss bilden eine Synonymenliste und - bei den Texten der ?-Klasse - erweiternde Zusätze (Interpolationen) aus der Materia Medica des Dioskurides.

Beispiel: Kapitel 89, Herba Millefolium (nach der Edition von Howald und Sigerist 1927):

















Text nach Howald/Sigerist Übersetzung
Herba millefolium Schafgarbe
1. Ad dentium dolorem. Herbae millefolium radicem ieiunus conmanducet. 1. Zum Zahnschmerz. Die Wurzel des Krautes Millefolium soll nüchtern gekaut werden.
2. Ad uulnera de ferro facta. Herba millefolium cum axungia pistata et inposita uulnera purgat et sanat. 2. Zu Wunden, die durch Eisen zugefügt wurden. Wenn man das mit Fett zerstampfte Kraut millefolium auflegt, so reinigt und heilt es Wunden.
3. Ad tumores. Herbam millefolium contusam cum butiro inpone. 3. Zu Geschwulsten. Lege das in Butter zerstossene Kraut Millefolium auf.
4. Ad urinae difficultatem. Herbae millefolium sucus cum aceto bibitur, mire sanat. 4. Zu Harnentleerungsstörungen. Der in Weinessig getrunkene Saft des Krautes Millefolium heilt wunderbar.
Nomina herbae. A Graecis dicitur miriofillon, alii ambrosiam, alii ciliofillon, alii crisitis, Galli mulicandos, alii uigentia, Daci diodela, Itali millefolium, alii militaris, alii Achillion, alii supercilium Veneris, alii cereum siluaticum. Hanc herbam Achilles inuenit, unde ferro percussus sanabat, quae ob id Achillea uocatur... Die Namen des Krautes. Die Griechen nennen es miriofillon, andere ambrosia, andere ciliofillon, andere crisitis. Die Gallier (nennen es) mulicandos, andere vigentia. Die Dacer (nennen es) diodela. Die Italer (nennen es) millefolium, andere militaris, andere Achillion, andere supercilium Veneris, andere cereum silvaticum. Dieses Kraut hat Achilles entdeckt, weil es durch Eisen geschlagene Wunden heilte. Es wurde daher Achillea genannt...
Interpolationes ex Diosc. Nascitur in palustris locis ... Erweiternde Zusätze aus der Materia Medica des Dioskurides. Es wächst an sumpfigen Stellen ...

Manuskripte

In den Apuleius-Codices des Mittelalters war der "Pseudo-Apuleius Herbarius" mit anderen Werken kombiniert:

  1. "De herba vettonica". Abhandlung über die Echte Betonie mit falscher Zuschreibung an Antonius Musa, den Leibarzt des römischen Kaisers Augustus.

  2. "Pseudo-Apuleius Herbarius".

  3. "De taxone liber". Anonyme Abhandlung über die Verwendung des Dachses in der Medizin.

  4. "Liber medicinae ex animalibus" mit der Zuschreibung an einen unbekannten römischen Arzt mit Namen "Sextus Placitus Papyriensis".

  5. *A-Version mit 12 Kapiteln über Vierfüßler.

  6. *B-Version mit 31Kapiteln über Vierfüßler, Vögel, Reptilien, Spinnen, Insekten und Menschen.

  7. "(Pseudo-)Dioscorides de herbis femininis". Nach Riddle vor dem 6. Jh. in Südeuropa entstanden.

  8. "Precatio terrae matris" und "Precatio omnium herbarum". Anrufung der Erdmutter und Anrufung aller Kräuter.

Aufgrund dieser Zusammensetzung teilten Howald und Sigerist (1927, S. V-XVI) die Codices in 3 Klassen (?, ? und ?) auf. Danach
  • enthält die ?-Klasse die Teile 1, 2, 3, 4a und 5., außerdem längere und bessere Synonyme als in den Texten der ?-Klasse und keine erweiternden Zusätze im Text (Interpolationen). Die ?-Klasse gilt als die Klasse mit der besten Textüberlieferung.

  • enthält die ?-Klasse die Teile 1, 2, 3, 4b, 5 und 6, außerdem erweiternde Zusätze im Text (Interpolationen). Die ß-Klasse gilt als die Klasse mit der reichhaltigsten Illustration. In Bezug auf den Text ist sie der ?-Klasse unterlegen.

  • enthält die ?-Klasse die Teile 1, 2 und 6, ohne die erweiternden Zusätze im Text (Interpolationen) der ?-Klasse. Die ?-Klasse enthält die ältesten Handschriften.

Die Codices der ?-Klasse und der ?-Klasse stammen nach Howald/Sigerist vom gleichen Urtext (Archetyp) ab. Auf der Grundlage der Illustrationen wies Grape-Albers (1977, S. 164-166) darauf hin, dass die Codices aller Klassen (?, ? und ?) vom selben Archetyp abstammen müssen.



















































Klasse Kürzel (Howald/Sigerist) Bezeichnung des Kodex Jahrhundert
? Ca Montecassino, Archivo de la Badia, Cod. 97 09. Jh.
? M München, Bayrische Staatsbibliothek, Fragmenta Emeranensia, Clm 14672, 14766 und 15028, insgesamt 8 Blätter. 07. Jh.
? L Lucca, Bibliotheka Governativa, MS. 236 09. Jh.
? Hal Halberstadt, Domschatz (Bibliothek des Domgymnasiums), Inv.-Nr. 465-466 fol. Ir-IIv, Palimpsest (Obere Schrift). 07. Jh.
? Be Berlin, Staatsbibliothek Fragmentum Berolinense Ms. Lat. fol. 381 no. 1 08. Jh.
? Ha London, British Museum, MS Harley 4986 12. Jh.
? V Wien, Codex Vindobonensis 187 (nach Grape-Albers 1977, S. 3: Eton College MS. 204) 12. Jh.
? A London, British Library, MS Cotton Vitellius C. iii 11. Jh.
? Hil Hildesheim, Beverinsche Bibliothek, MS. 658 08. Jh.
? Vr Bratislava, Codex Vratislaviensis Bibl. univ. III F 19 09. Jh.
? Bodley 130 Oxford, Bodleian Library, MS. Bodley 130 11. Jh.
? He Herten, Codicis medici Hertensis, verbrannt 09. Jh.
? B Bamberg, Codex Bambergensis med 8 (L III.15) 13. Jh.
? Laur. 7341 Florenz, Bibliotheca Laurenziana, MS. 73,41 09. Jh.
? Va Vatican, Codex Vaticanus Barberinus 160 11. Jh.
? Vat. Lat. 6337 Codex Vaticanus lat. 6337 15. Jh.
? Laur. 7316 Florenz, Bibliotheca Laurenziana, MS. 73,16 13. Jh.
? Vi Wien, Österreichische Nationalbibliothek, Codex Vindobonensis 93 13. Jh.
? Arsenal 1031 Paris, Bibliothèque de l'Arsenal, Codex 1031 15. Jh.
? Paris 6862 Paris, Bibliothèque Nationale, MS. lat. 6862 10. Jh.
? Ber Codex Berolinensis Hamil. 307 15. Jh.
? E Fragmentum Epporigiense 07. Jh.
? Vo Leiden, Universitätsbibliothek, MS. Voss. Q. 9 06. Jh.
? C Kassel, Landesbibliothek, 2° MS. phys. et hist. nat. 10 10. Jh.

Singer (1927), Grape-Albers (1977, S. 2-5) und Collins (2000) erwähnten noch weitere Manuskripte (Auswahl):

  • St. Gallen, Stiftsbibliothek, Cod. 217, 9. Jh.

  • London, British Museum, MS. Harley 1585, 12. Jh.

  • London, British Museum, MS. Sloane 1975 1585, 12. Jh.

  • Oxford, Bodleian Library, MS. Ashmole 1462, 12. Jh.

  • London, British Museum, MS. Harley 5294, 12. Jh.

  • Turin, Bibliotheca Universitaria, MS. K IV 3, 11. Jh., verbrannt

Inkunabeln und Frühdrucke

1481 wurde in Rom auf Veranlassung von Johannes Philippus de Lignamine ein Erstdruck des Pseudo-Apuleius-Komplex nach einer Handschrift des Klosters Montecassino aus dem 9. Jh. herausgegeben. Den ersten Druck in Nordeuropa veranstaltete Gabriel Humelberg 1537 in Zürich.

Edition des Textes

  • Ernst Howald und Henry E. Sigerist. Antonii Musae De herba vettonica, Liber Pseudo-Apulei herbarius, Anonymi De taxone liber, Sexti Placiti Liber medicinae ex animalibus. Corpus medicorum latinorum Bd. IV, Teubner, Leipzig 1927.

Literatur

  • Minta Collins. Medieval Herbals. The Illustrative Traditions. The British Library, London 2000. S. 165-220.

  • Heide Grape-Albers. Spätantike Bilder aus der Welt des Arztes. Medizinische Bilderhandschriften der Spätantike und ihre mittelalterliche Überlieferung. G. Pressler, Wiesbaden 1977.

  • Paul Diepgen. Zur Tradition des Pseudoapuleius. In: Janus Bd 29 (1925), S. 55-70.

  • Irmgard Müller. Pseudo-Apuleius. In: Lexikon des Mittelalters, Bd. VII, Sp. 306. Stuttgart 1999.

  • Henry E. Sigerist. Zum Herbarius Pseudo-Apuleius. In: Sudhoffs Archiv. Bd. 23 (1930), S. 197-204.

  • Charles Singer. The Herbal in the Antiquity. In: The journal of hellenic studies. Bd. XLVII (1927) S. 1-52, hier: S. 37-48.

  • Karl Sudhoff. Szenen aus der Sprechstunde und bei Krankenbesuchen des Arztes in mittelalterlichen Handschriften. In: Sudhoffs Archiv, Bd. 10 (1916), S. 71-90.

  • Georg Swarzenski. Mittelalterliche Kopien einer antiken medizinischen Bilderhandschrift. In: Jahrbuch des kaiserlichen deutschen archäologischen Instituts. Bd. XVII (1902), S. 45-53.

Einzelnachweise

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