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GESUNDHEIT

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Sanatorium St. Blasien

Das Sanatorium St. Blasien war von 1881 bis 1969 eine Lungenheilstätte in St. Blasien, die im gemäßigten Höhenklima selbstzahlenden Klienten aus der Oberschicht ganzjährig stationäre Behandlung sowie Sicherungs- und Vorsorgeheilverfahren bei Tuberkulose anbot.

Gründungskontext und Ausbau

Der in Davos ausgebildete Lungenarzt Paul Haufe (? 1917) suchte Ende der 1870er Jahre in Deutschland nach einem geeigneten Standort für ein eigenes Sanatorium zur Behandung der im 19. Jahrhundert durch die Verstädterung grassierenden Lungentuberkulose. In der Zeit vor der Einführung antituberkulotisch wirksamer Antibiotika standen wenige Behandlungsoptionen zur Verfügung. Der Lungenarzt Hermann Brehmer (1826-1889) hatte 1854 im schlesischen Görbersdorf die Höhentherapie der Tuberkulose in der freien Bergluft begründet. Dieser Therapie lag der falsche Ansatz zugrunde, Bewohner von Höhenlagen litten seltener unter Tuberkulosemanifestationen. Diese Auffassung stand im Gegensatz zur vorgehenden medizinischen Lehrmeinung. Gleichwohl erzielte Brehmer mit seinem Konzept beachtliche Erfolge, die national und international zu zahlreichen Folgeeinrichtungen führten. Peter Dettweiler (1837-1904) erweiterte das Behandlungskonzept in seiner 1876 gegründeten Heilanstalt Falkenstein im Taunus durch absolute Schonung in Form von langen Liegekuren. Die bessere Durchblutung der Lungen im Liegen förderte in gewissem Maß die Selbstheilung. Die später aufkommende Lungenchirurgie und die Pneumothoraxbehandlung blieben bis zum breiten Einsatz von Antibiotikakombinationen die einzigen therapeutischen Weiterentwicklungen.

Haufe entschied sich 1878 für das im Südschwarzwald liegende St. Blasien. Die geschütze Hochtallage in etwa 800 m Höhe war bekannt für ihr trockenes und thermisch stabiles Klima. Ein Vorgebirge hält zudem den im Voralpenland belastenden Föhn ab. Die Tannenwälder reduzierten die Staubbelastung. Das Terrain ist felsig und trocken. Die praktische Freiheit von Nebel sorgt für eine überdurchschnittliche Besonnung. Dadurch konnte die Einrichtung ganzjährig betrieben werden.

Auf einem von der badischen Domänenverwaltung erworbenen Gelände oberhalb der Gemeinde erbaute Paul Haufe ein kleines Sanatorium für gerade zwölf Patienten, das 1881 eröffnet werden konnte. Gleichzeitig entstand im Ortskern in dem von Otto Hüglin gegründeten Kurhaus St. Blasien 1882 eine konkurrierende Einrichtung, die über eine bessere finanzielle Grundlage verfügte. Obwohl das Kurhaus St. Blasien über mehr Betten als auch eine breitere Indikationsliste innerer Erkrankungen einschließlich psychiatrischer Leiden verfügte, konnte sich Haufes kleines Sanatorium gut behaupten. Haufe nutzte seine Verbindungen nach Davos und bot Akklimatisierungskuren vor und nach Hochgebirgskuren an. Die beiden bekannten und erfolgreichen Einrichtungen initiierten weitere Sanatoriumsgründungen in St. Blasien.

Ausbau des Sanatoriums

Paul Haufe zog sich 1895 aus der Leitung des Sanatoriums zurück. Unter seinem Nachfolger Medizinalrat Abert Sander wurde das Sanatorium auf eine Kapazität von 95 Zimmern erweitert. Der Neubau wurde zwischen 1900 und 1908 nach den hygienischen Grundsätzen und balneologisch-klimatologischen Kenntnissen der Zeit, mit hohem baulichen Standard und einem vorbildlichem Brandschutz errichtet. Man fokussierte auf eine zahlungskräftige internationale Klientel. 1914 übergab Medizinalrat Sander die Leitung an den Lungenarzt und außerordentlichen Professor für Innere Medizin an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg Adolf Bacmeister. Im Sommer 1923 wurde der westlicher Anbau fertiggestellt. Das Sanatorium bestand ab diesem Zeitpunkt aus drei eigenständigen miteinander verbundenen Gebäuden, die ein nach Süden offenes Rechteck bildeten.

Therapeutisches Angebot

Bis 1924 unterstanden Bacmeister ein Oberarzt und zwei Assistenzärzte. Der frühere Leiter Sander blieb dem Sanatorium als Konsiliarius verbunden. Bekannt wurde das Sanatorium durch seine offenen Liegehallen im Tannenwald. Der weitgehend ebene Philosophenweg ermöglichte kräfteschonende Spaziergänge zu Aussichtslagen. Das Sanatorium verfügte über eine dreieinhalb Meter breite Terrasse vor dem 50 m langen Mittelbau. Den nach Süden und Westen gehenden Zimmern für die Kurgäste waren nach Davoser Vorbild eigene Loggien vorgebaut. Über zwei Brücken wurden die Liegehallen im Wald angeschlossen. Sie konnten mit Rollläden nach jahreszeitlichem Bedarf nach Süden oder Norden ausgerichtet werden.

Im Westflügel befand sich die ärztliche Abteilung mit ärztlichen Sprechzimmern, einem Röntgenkabinett, einer Strahlentherapie, einem Operationssaal, in dem vorwiegend Pneumothoraxbehandlungen vorgenommen wurden, und ein hals-nasen-ohrenärztliches Behandlungszimmer. Dem Westflügel war eine Bäderabteilung zur Hydrotherapie angebaut.

Luxuriöse und großzügig dimensionierte Freizeiteinrichtungen, Gartenanlagen sowie ein repräsentativer multifunktionaler Speisesaal mit thematischen Waldgemälden von Adolf Hildenbrand sorgten für ein gediegenes Ambiente.

Das Sanatorium in der NS-Zeit

Mit der Etablierung des Nationalsozialistischen Regimes blieb die europäische Klientel zunehmend aus. Der fachlich angesehene Chefarzt Bacmeister verstrickte sich zunehmend mit dem NS-Regime. Er wurde beratender Arzt und Sanitätsoffizier der Kriegsmarine für Tuberkulose. Zwischen 1939 und 1945 leitete er zusätzlich als Chefarzt das Marinekurlazaretts im geschlossenen Kolleg St. Blasien. Bacmeister wurde Flottenarzt der Reserve und erhielt am 16. Mai 1944 für seine Verdienste das Ritterkreuz des Kriegsverdienstkreuzes mit Schwertern. Schwerwiegender und belastender war seine Zusammenarbeit mit der SS. Bacmeister koordinierte mit ihm unterstellen Tuberkuloseärzten die infamen Tuberkuloseexperimente im Konzentrationslager Ravensbrück. Adolf Bacmeister verstarb am 7. Dezember 1945 in St. Blasien.

1937 begann im Sanatorium St. Blasien die Leidenszeit des 1966 selig gesprochenen Karl Leisner.

Nachkriegszeit

Die französische Besatzungsmacht beschlagnahmte das Sanatorium 1945 und nutzte es umbenannt in Sanatorium Alsace zu Behandlungen französischer Miltärangehöriger und Deportierter. 1947 brannte der Ostflügel aus. 1951 wurde das restituierte und wiederhergestellte Sanatorium neu eröffnet. Ende der 1960er Jahre wurde das Sanatorium aufgrund der Rückläufigkeit der Tuberkulose in Deutschland und nachlassender Nachfrage geschlossen. Nach einem erneuten Umbau wurde in den Gebäuden 1970 ein neugegründetes und in den Krankenhausbedarfsplan aufgenommenes Fachkrankenhaus für Lungenkrankheiten die Klinik St. Blasien eingerichtet.

Literatur

  • Albert Sander: Sanatorium St. Blasien Heilanstalt für Lungenkranke, Hofbuchhandlung C.A. Wagner Freiburg, 1903, mit mehreren erweiterten Neuauflagen.

  • 50 Jahre Sanatorium St. Blasien im südlichen Schwarzwald, Heilanstalt für Lungenkranke: 1882-1932, Simhart, 1932

  • Charlotte Keller: Die Geschichte der Klinik St. Blasien im Wandel der Lungenheilkunde eines Jahrhunderts, Dissertation an der Universität Freiburg im Breisgau 1984, .

Prominente Patienten

  • Scholem Alejchem, 1909

  • Maxim Gorki, 1921

  • Karl Leisner, 1937

  • Corinne Luchaire, 1944

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