Ulipristalacetat (Handelsnamen
ellaOne und
Ella) wird in der Gynäkologie als
Pille danach zur Notfallkontrazeption eingesetzt. In geringerer Dosis wird es unter dem Handelsnamen
Esmya zur Behandlung von gutartigen Tumoren der Gebärmutter verwendet. Das Mittel ist in Deutschland seit dem Jahr 2009 zugelassen.
Wirkprinzip
Nachgewiesene Ovulationshemmung und tumorunterdrückende Wirkung
Die erwünschte Wirkung von Ulipristalacetat beruht auf der Hemmung der Bindung des körpereigenen Gestagens Progesteron an den zugehörigen Rezeptoren. Dadurch kann sowohl der Eisprung bei der Frau verhindert oder verzögert als auch die tumorfördernde Wirkung von Progesteron auf Uterusmyome unterdrückt werden.
Postulierte Hemmung der Einnistung befruchteter Eizellen
Eine zusätzliche kontrazeptive Wirkung durch Hemmung der Einnistung der befruchteten Eizelle in die Gebärmutterschleimhaut wird diskutiert, konnte aber bisher nicht bewiesen werden (Stand von Februar 2013).
Anwendungsgebiete
Zur Notfallkontrazeption
Ulipristalacetat kann bis zu 120 Stunden nach ungeschütztem Geschlechtsverkehr oder dem Versagen angewandter Kontrazeptiva zur Notfallkontrazeption eingesetzt werden. Zu dieser Vermeidung einer ungewollten Schwangerschaft wird eine Tablette
EllaOne oder
Ella zu 30 mg Ulipristalacetat frühestmöglich als Einmaldosis verabreicht. Die Einnahme ist sowohl zusammen mit Speisen als auch ohne sie wirksam. Die Gabe einer weiteren Einzeldosis in gleicher Höhe ist notwendig, wenn es binnen dreier Stunden nach der Einnahme zu Erbrechen kommt. Ulipristal ist zur routinemäßigen Schwangerschaftsverhütung nicht zu verwenden.
Zur Behandlung gutartiger Gebärmuttertumore
Zur Myombehandlung wird erwachsenen Frauen vor der Menopause während einer Frist bis zu drei Monaten täglich eine Tablette
Esmya zu fünf Milligramm Ulipristal verabreicht; die Behandlung beginnt in der ersten Woche des Menstruationszyklus. Bei unzureichender Wirkung kann die Behandlung einmal wiederholt werden. Durch die Abschirmung der Progesteronaktivität werden die Tumorzellen abgetötet, was zur Schrumpfung des Myoms und einem Rückgang seiner Auswirkungen führt. In entsprechenden Studien wurde Ulipristalacetat eine ähnlich hohe Wirksamkeit wie Leuprorelin bescheinigt.
Unerwünschte Wirkungen
Nebenwirkungen
Die am häufigsten berichteten Nebenwirkungen sind Kopfschmerzen, Übelkeit mit und ohne Erbrechen, Unterleibsschmerzen, Muskel- und Rückenschmerzen, Müdigkeit und Menstruationsbeschwerden. Seltener traten unter der Behandlung mit Ulipristalacetat Stimmungsschwankungen, Appetitstörungen, Migräne, Sehstörungen, Akne, Juckreiz, Fieber oder Hitzewallungen auf.
Die bisherigen Erfahrungen mit Überdosen von Ulipristalacetat sind begrenzt. In der Vergangenheit wurden Einzeldosen bis zu 200 mg ohne ernsthafte Folgen überstanden.
Wechselwirkungen
Die gleichzeitige Anwendung mit Rifampicin, Phenytoin, Carbamazepin, Phenobarbital, Efavirenz, Phosphenytoin, Nevirapin, Oxcarbazepin, Primidon, Rifabutin, Ritanovir, Johanniskrautpräparaten und dem gleichfalls als
Pille danach geeigneten Levonorgestrel wird nicht empfohlen. Ulipristalacetat kann die Wirkung anderer hormoneller Verhütungsmittel auf alleiniger Gestagen- und/oder Gestagen-Estrogen-Basis abschwächen.
Gegenanzeigen
Die Substanz darf weder während der Schwangerschaft noch bei bekannter Allergie gegen Ulipristalacetat angewendet werden. Ein Übertritt in die Muttermilch mit der Gefahr des Auftretens von Wirkungen beim Säugling findet statt, weshalb eine Gabe während der Stillzeit nicht zu empfehlen ist. Kraftfahrzeuge und gefährliche Maschinen sollten während der Behandlung vorsichtshalber nicht bedient werden, auch wenn die Auswirkung auf die Reaktionsfähigkeit als geringfügig bis moderat eingeschätzt wird und nur selten über Sehstörungen berichtet wurde.
Rechtslage
Innerhalb der Europäischen Union unterliegt Ulipristalacetat mit Stand vom 24. Februar 2014 der Verschreibungspflicht. Nach Angaben der Europäischen Arzneimittelbehörde liegt ein Antrag über die Entlassung des Ulipristalacetat-haltigen Medikamentes
EllaOne aus der Rezeptpflicht vor. Mit Stand vom 23. Juli 2014 wurde hierüber bislang nicht entschieden. Eine Freigabe des Wirkstoffs durch die EU ist auch gegen den Willen der einzelnen Mitgliedsstaaten möglich, da die Zulassung (anders als im Fall Levonorgestrel) auf gesamteuropäischer Ebene erfolgt ist.
Die Anwendung von Ulipristalacetat stellt nach deutschem Recht keinen Schwangerschaftsabbruch dar, da kein nachweislicher Ausstoß der befruchteten Eizelle aus der Gebärmutterschleimhaut stattfindet und die Schwangerschaft rechtlich erst mit der Einnistung der Eizelle in der Gebärmutter beginnt. Dementsprechend darf das Präparat, im Unterschied zu dem als "Abtreibungspille" geltenden Mifepriston, gegen Vorlage des Rezeptes in der Apotheke direkt an die Patientin abgegeben werden.
Kritik
Unter Berufung auf die unbewiesene Behauptung, Ulipristalacetat verhindere die Einnistung befruchteter Eizellen in der Gebärmutter oder führe zur Abstoßung bereits eingenisteter Eizellen, schreiben Teile der Lebensrechtsbewegung und der römisch-katholischen Kirche dem Mittel eine "frühabtreibende Wirkung" und ein der "Abtreibungspille" Mifepriston ähnliches Wirkprinzip zu (siehe hierzu auch behauptete Wirkung). Die zuständige Europäische Arzneimittelagentur teilt diese Einschätzung mangels wissenschaftlicher Nachweise nicht, wodurch sie arzneimittelrechtlich wirkungslos bleibt.