Anthocyanidine
Anthocyanidine stellen den farbgebenden Anteil der Anthocyane (einer Gruppe von Pflanzenfarbstoffen), dar. Diese Gruppe besteht aus Anthocyanidin, auch Aglycon genannt, und glycosidisch gebundenen Zuckern. Durch das Spektrum an natürlich gebildeten Zuckern ergibt sich eine Vielfalt von ca. 250 Anthocyanen.
Geschichte
Wesentliche Beiträge zur Strukturaufklärung der Anthocyane leistete Richard Willstätter, der für seine systematische Pionierarbeit auf diesem Gebiet den Nobelpreis für Chemie im Jahre 1915 erhielt. Es gelang ihm, aus Pflanzenextrakten die Anthocyane zu isolieren sowie hieraus durch Abbaureaktionen die Anthocyanidine freizusetzen und zu identifizieren. Letztlich sind nur circa zehn Anthocyanidine als natürliche Stammverbindungen bekannt.
Struktur
Die glykosidische Bindung in Anthocyanen kann säurekatalysiert gespalten werden und so das Anthocyanidin freigesetzt werden. Anthocyanidine sind mehrfach hydroxysubstituierte 2-Phenylchromenyliumsalze (Flavyliumsalze), als Gegenion von Benzopyryliumsalzen fungieren in der Natur meist Carboxylate diverser wasserlöslicher Säuren, bei Laborpräparaten häufig Chlorid. Zur Kristallisation benutzte man früher Pikrate. Mit Abstand am wichtigsten ist in dieser Pflanzenfarbstoffgruppe das Cyanidin, gefolgt von Delphinidin und Pelargonidin. Deren Methylether Peonidin, Petunidin und Malvidin finden sich ebenfalls häufig.
Ausgewählte Anthocyanidine und deren Substitutionsmuster
Anthocyanidin
| CAS o)
| Grundstruktur (R3 = -OH, R6 = -H)
| R1, R2
| -
| R5
| R7
| -
| ?maxoo)
| -
| pKS1+)
| pKS2
| pKS3
|
---|
Guibourtinidin++)
| 13544-54-2
|
| -H, -H
|
| -H
| -OH
|
| 504 nm
|
| ....
| ....
| ....
|
Fisetinidin++)
| 2948-76-7
| -OH, -H
|
| -H
| -OH
|
| 520 nm
|
| ....
| ....
| ....
|
Robinetinidin++)
| 3020-09-5
| -OH, -OH
|
| -H
| -OH
|
| 532 nm
|
| ....
| ....
| ....
|
Pelargonidin++)
| 134-04-3
| -H, -H
|
| -OH
| -OH
|
| 523 nm
|
| n.b.
| ....
| ....
|
Cyanidin++)
| 528-58-5
| -OH, -H
|
| -OH
| -OH
|
| 538 nm
|
| 2,98 ± 0,05
| 7,5
| ....
|
Peonidin (Paeonidin)
| 134-01-0
| -OCH3, -H
|
| -OH
| -OH
|
| 536 nm
|
| 2,09 ± 0,10
| 6,8
| ....
|
Rosinidin
| 4092-64-2
| -OCH3, -H
|
| -OH
| -OCH3
|
|
|
| ....
| ....
| ....
|
Delphinidin++)
| 528-53-0
| -OH, -OH
|
| -OH
| -OH
|
| 548 nm
|
| 1,56 ± 0,20
| 5,85
| ....
|
Pulchellidin
| 19077-86-2
| -OH, -OH
|
| -OCH3
| -OH
|
|
|
| ....
| ....
| ....
|
Petunidin
| 1429-30-7
| -OCH3, -OH
|
| -OH
| -OH
|
| 547 nm
|
| ....
| ....
| ....
|
Europinidin
| 19077-87-3
| -OCH3, -OH
|
| -OCH3
| -OH
|
|
|
| ....
| ....
| ....
|
Malvidin
| 643-84-5
| -OCH3,-OCH3
|
| -OH
| -OH
|
| 546 nm
|
| 1,76 ± 0,07
| 5,36 ± 0,04
| 8,39 ± 0,07
|
Capensinidin
| 19077-85-1
| -OCH3,-OCH3
|
| -OCH3
| -OH
|
|
|
| ....
| ....
| ....
|
Hirsutidin
| 4092-66-4
| -OCH3,-OCH3
|
| -OH
| -OCH3
|
|
|
| ....
| ....
| ....
|
Aurantinidin++) *)
| 25041-66-1
| (R6 = -OH)
| -H, -H
|
| -OH
| -OH
|
|
|
| ....
| ....
| ....
|
Quercetagetinidin++) **)
| 42529-06-6
| (R6 = -OH)
| -OH, -H
|
| -OH
| -OH
|
| 519 nm
|
| ....
| ....
| ....
|
6-Hydroxydelphinidin++)
| 178436-68-5
| (R6 = -OH)
| -OH, -OH
|
| -OH
| -OH
|
|
|
| ....
| ....
| ....
|
o) CAS-Nummern der Chloride. - oo) UV-Absorption in Methanol mit 0,1% HCl. Anthocyanidine absorbieren Licht circa 10 nm langwelliger als Anthocyanidine-Glycoside (bathochrome Verschiebung). - +) pKS-Werte diverser Anthocyanidin-glycoside aus der Literatur[Robert E. Asenstorfer, Patrick G. Iland, Max E. Tate, Graham P. Jones: "Charge equilibria and pKa of malvidin-3-glucoside by electrophoresis", Analytical Biochemistry, 2003, 318, 291-299 .] - ++) unsubstituierte Stammverbindungen. - *) 6-Hydroxypelargonidin. - **) 6-Hydroxycyanidin.
|
Anthocyanidine weisen in Position 2 immer einen p-Hydroxyphenyl-Substituenten (B-Ring) sowie in Position 3 eine Hydroxygruppe auf. Die wichtigsten natürlichen Anthocyanidine sind in 5- und 7-Position des A-Rings hydroxysubstituiert.
Neben der Gruppe der Anthocyanidine gibt es noch die kleine Gruppe der 3-Deoxyanthocyanidine (mit R3 = H). Hierzu zählen
- Apigeninidin (3-Deoxypelargonidin, Gesneridin)
- Luteolinidin (3-Deoxycyanidin) und als Methylether Diosmetinidin (3-Deoxypeonidin)
- Tricetinidin (3-Deoxydelphinidin)
- Columnidin
3-Deoxyanthocyanidine verhalten sich in Bezug auf Farbe und Acidität [pKS3 = 8,06 für Apigeninidin bestimmt von L. Costantino, G. Rastelli, M. Rossi und A. Albasini: "Quantitative measurement of proton dissociation and tautomeric constants of apigeninidin", J. Chem. Soc., Perkin Trans. 2, 1995, S. 227-234 .] wie Anthocyanidine.
Eigenschaften
Anthocyanidine sind licht-, luft- und temperaturempfindlich, bei pH-Werten unter 3 sind sie in Form ihrer Flavyliumsalze am stabilsten.
Anthocyanidine absorbieren Licht im sichtbaren Bereich zwischen 450 und 650 nm und erscheinen daher rot, violett oder blau. Der Wellenlängenbereich wird außer von der Molekülstruktur auch vom pH-Wert der Lösung beeinflusst. Im sauren Milieu überwiegt die Rotfärbung, im basischen sind vor allem Blau- und Violetttöne zu finden.
pH-Abhängigkeit des Farbumschlags
Die Farbänderungen beruhen auf chemischen Reaktionen.
- Bei pH-Werten unter 3 sind sie rot gefärbt und liegen in Form von Flavyliumkationen vor.
- pH-Werte zwischen 4 und 5 führen durch Hydroxylierung zu farblosen Carbinol-Pseudobasen ("Leucobasen", Chromenol).
- Bei pH-Werten zwischen 5 und 7 liegen sie als Flavenole mit chinoider Struktur vor und sind purpur.
- Bei pH-Werten zwischen 7 und 8 wird dieses Molekül zum Flavenolatanion deprotoniert, das eine blaue Farbe aufweist. Hier sind die ?-Elektronen im gesamten Molekül über eine längstmögliche Distanz delokalisiert und daher mit niedrigster Lichtenergie anregbar.
- pH-Werte ab 8 führen bei Fehlen von Glycosidgruppen in 5-Position auch zu Flavenolat-Dianionen, jedoch konkurriert im Alkalischen die hydrolytischen Öffnung des Pyranringes. Das Molekül wird dabei irreversibel zu einem gelben Chalkon-Anion umgewandelt.
- Verglichen mit den pKS-Werten von Dihydroxybenzolen (pKS ca. 9,5 und 11,7) sind Anthocyanidine mehr als 1000-fach acider. Flavyliumsalze in Wasser sind mehr als 10-fach saurer als Ameisensäure (pKS 3,8).
Synthese
Robert Robinson kam 1921 aufgrund der Analyse der Substitutionsmuster der Flavonoide zu der Erkenntnis, dass die Flavonoide und damit die Anthocyanidine biochemisch aus einer C6- und einer C6-C3-Einheit aufgebaut sein müssen. 1953 erweiterten Arthur Birch und F. W. Donovan diese Theorie: Die Flavonoid-Biosynthese muss von einer p-Hydroxyzimtsäure und drei Acetateinheiten ausgehen, als Intermediat wird eine Polyketosäure gebildet.
Synthetisch werden die Anthocyanidine vielfach nicht direkt, sondern über ähnliche Flavonoide hergestellt. Flavone sind redoxäquivalent mit Anthocyanidinen, Flavanone mit 3-Deoxyanthocyanidinen. Es sind zahlreiche Methoden bekannt, um Flavone, Flavanone und Flavonole zu den entsprechenden Anthocyanidinen bzw. 3-Deoxyanthocyanidinen zu reduzieren.
Anthocyanidine
Präparativ sind die Anthocyanidine durch eine Knoevenagel-Kondensation von 3,5-dimethoxysubstituierten Salicylaldehyden mit ?-Methoxyacetophenonen zugänglich. Das Primärprodukt tautomerisiert unter Ringschluss zum ?-Flavanol, das bei Zugabe von Säure Wasser abspaltet und das methoxysubstituierte Flavylium-Salz ergibt (Robinson-Anellierung). Methylether-Gruppen lassen sich schonend mit Iodwasserstoffsäure abspalten.
Flavone
Die Allan-Robinson-Reaktion sowie deren intramolekulare Variante, die Baker-Venkataraman-Umlagerung, führen durch basenkatalysierte Kondensationsreaktionen zu Flavonen.
Flavonole
Bereits 1908 entdeckte Karl von Auwers durch Zufall eine Ringerweiterungsreaktion (Auwers-Reaktion), die von Cumaronen zu Flavonolen führt.
Die Algar-Flynn-Oyamada-Reaktion ist eine basenkatalysierte Ringschlussreaktion mit Wasserstoffperoxid. Hierbei werden Flavon-Zwischenstoffen bis zum Flavonol oxidiert.
Reduktion
Mit klassischen milden Reduktionmethoden können spezifisch Flavone zu 3-Deoxyanthocyanidinen bzw. Flavonole zu Anthocyanidinen reduziert werden. Mit drastischen Reduktionsmethoden (Natriumamalgam in Wasser) lassen sich jedoch auch Flavanone zu rot gefärbten Flavyliumsalzen umsetzen.
Übersichtsartikel
- H. Halbwirth: "The Creation and Physiological Relevance of Divergent Hydroxylation Patterns in the Flavonoid Pathway", in Int J Mol Sci. 2010, 11, 595-621 .
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