C6 MAGAZIN
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ARABISCHE WELT

23.08.2011

Gaddafi-Regime am Ende

Den Rebellen in Libyen ist es nach eigenen Angaben inzwischen gelungen, große Teile des Landes sowie über 90 Prozent der Hauptstadt Tripolis zu erobern. Auch das Gebäude des staatlichen Fernsehens soll sich unter der Kontrolle von Aufständischen befinden. Am Dienstag berichten ausländische Medien, die Rebellen hätten die Residenz des Diktators Muammar al-Gaddafi auf der Militäranlage Bab al-Asisija eingenommen. Truppen des Machthabers dort hätten kapituliert, hieß es. Gaddafi selbst wird in einem unterirdischen Bunker der Anlage vermutet. Diese Information ist jedoch nicht bestätigt.

Von der Region um die Residenz Gaddafis wurden am Montag und Dienstag schwere Kämpfe gemeldet. In der Gegend um die Stadt Sirte sollen Regierungstruppen die Oberhand gewonnen haben. Nach Einschätzung von Beobachtern scheint es nur noch eine Frage der Zeit zu sein, wann die Rebellen auch die letzten regierungstreuen Truppenteile zur Aufgabe zwingen werden. In den letzten Tagen waren immer mehr Soldaten des Gaddafi-Regimes zu den Aufständischen übergelaufen. Auch die Präsidentengarde soll kapituliert haben. Wo sich Machthaber Gaddafi zurzeit aufhält, ist ungewiss. Nach Angaben aus Diplomatenkreisen hat sich Gaddafi mit den letzten ihm verbliebenen Getreuen in die Residenz Bab el Asisija zurückgezogen. Die Anlage verfügt über ein verzweigtes Bunkersystem. Wie lange die Kämpfe in Libyen tatsächlich noch andauern, bleibt indes unklar. US-Regierungsvertreter rechnen damit, die Auseinandersetzungen könnten noch Tage bis zu mehreren Wochen dauern.

Unterschiedliche Meldungen gibt es zu den Söhnen Gaddafis. Erst hieß es, zwei seien gefangen worden, später sprach man von drei. Der zweitälteste Saif al-Islam sei entkommen. Die Flucht wird durch die Rebellen bestätigt. Von Gaddafi selbst fehlt jede Spur.

Wesentlichen Anteil an dem Erfolg der Rebellen hatten offenbar auch die in den letzten Tagen verschärften Angriffe durch NATO-Kampfflugzeuge auf Stellungen der libyschen Armee. Militärische Kommandozentralen der libyschen Armee sowie schwere Waffen der Gaddafitreuen Armeeeinheiten wurden offenbar durch Angriffe von Drohnen zerstört. In den letzten Monaten führten NATO-Streitkräfte mindestens 7.500 Luftschläge gegen Stellungen und strategisch bedeutsame Militäreinrichtungen des Regimes durch.

Führende Politiker westlicher Länder forderten den Diktator zum Rücktritt auf. US-Präsident Barack Obama sagte: "Der sicherste Weg, ein Blutbad zu verhindern, ist einfach: Muammar al Gaddafi und sein Regime müssen anerkennen, dass ihre Herrschaft geendet hat."

Am frühen Morgen des heutigen Dienstag meldete sich Gaddafis zweitältester Sohn Saif al-Islam al-Gaddafi, tatsächlich scheinbar frei, durch spektakuläre Fernsehauftritte zu Wort in denen er verkündete, sein Vater und die Regierungstruppen hätten das Geschehen unter Kontrolle und würden schon bald wieder Ruhe und Eintracht in Tripolis einkehren lassen. Dies tat er im umkämpften al-Mansoura und dem tripolitanischen Rixos Hotel, ebenfalls in einer stark umkämpften Zone. Hier harren seit einigen Tagen an die 30 internationale Journalisten ohne Strom, fließendes Wasser und nennenswerte Vorräte aus, unter Bedingungen die der New York Times Korrespondent als 'Gefängnisähnlich' bezeichnete. Auch Mitarbeiter von CNN, BBC und Al Jazeera sind dort. Saif al-Islam gilt allerdings als großer Regimekritiker, der nur deshalb noch lebt, weil er der Sohn des Oberst ist. Daher ist nicht hundertprozentig sicher, ob er den Rebellen wirklich entkommen ist oder ihnen hilft oder half, da er beispielsweise auch dazu aufrief 'es mit dem Kämpfen nicht zu übertreiben', 'keinen sinnlosen Märtyrertod zu sterben' und sich, wenn kein anderer Ausweg besteht, 'auch mal gefangennehmen zu lassen'. Dies scheint auf Regierungstruppen abzuzielen die, sollten sie sich daran halten, es den Rebellen natürlich ein ganzes Stück leichter machen würden die restlichen regimetreuen Soldaten zu entwaffnen und zu inhaftieren.

Am Dienstagmittag flammten die Kämpfe zwischen regierungstreuen Armeeeinheiten und den Rebellen wieder auf, wobei ausgehend von der Gaddafiresidenz Bab el Asisija erstmals von Regierungsseite innerhalb Tripolis' schwere Waffen zum Einsatz kamen. Selbst bei der erstaunlich schnellen Eroberung der Hauptstadt durch die Rebellen hatten Gaddafis Truppen auf ihren Einsatz verzichtet. So breiteten sich die Gefechte binnen kurzer Zeit bis zum Platz der Märtyrer (Unter dem Gaddafiregime: "Grüner Platz") aus. Im restlichen Land und auch den meisten Stadtteilen von Tripolis scheint die Lage allerdings ruhig. Die Rebellen richten Checkpoints ein, suchen nach regierungstreuen Beamten und Funktionären und rüsten sich für zu erwartende kleinere Scharmützel und eventuell auch Terroranschläge durch Oberst Gaddafi verbliebene Spezialeinheiten. Alle hoffen einen Guerillakrieg verhindern zu können und bauen darauf, dass der Rebellenführer Mahmud Dschibril und der von Deutschland und anderen Staaten als Übergangsregierung anerkannte Rebellenrat die Verhältnisse in Libyen bald wieder normalisiert.

Der Aufenthaltsort von Oberst Gaddafi ist weiterhin ungeklärt. Nachdem mehrere Familienmitglieder und Vertraute auf ihren Anwesen oder in Verstecken wie Touristendörfern und Nomandencamps verhaftet wurden, reichen die Spekulationen über den Aufenthaltsort des Diktators von dem Tunnelsystem unter seiner Residenz, respektive Tripolis bis zu einer noch andauernden Flucht in Richtung Südafrika, gedeckt durch den Volksstamm, dem die Familie Gaddafi angehört.

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