Im Bundestagsausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe wurde am 8. Juni 2011 über die Altersarmut in Deutschland im internationalen Vergleich diskutiert. Die Bundesregierung ist der Ansicht, Altersarmut sei "derzeit kein verbreitetes Problem in Deutschland, dennoch muss die zukünftige Entwicklung sorgfältig beobachtet werden." Ende 2008 hätten etwa 400.000 Menschen Grundsicherung im Alter erhalten, darunter mehr Frauen als Männer und mehr Ost- als Westdeutsche. "Wer Grundsicherung bezieht, ist nicht arm." Die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung deckt den Regelsatz von derzeit 364 Euro monatlich, die Kosten der "angemessenen" Wohnung sowie eventuelle Sonderbedarfe, sie weist also im wesentlichen den gleichen Umfang auf, den auch die Grundsicherung für Arbeitsuchende hat. Für die Zukunft bestehe allerdings das "Risiko eines Anstiegs" der Altersarmut in Deutschland, was vor allem auf die schlechte Beschäftigungslage in Ostdeutschland und auf die "teils unvollständige Absicherung von Selbstständigen" zurückgehe. Deshalb solle nach der parlamentarischen Sommerpause der sogenannte "Regierungsdialog Rente" begonnen werden, über den aber bisher noch nichts näheres bekannt geworden ist.
Rezeption
Der Bericht wurde von den Vertretern der Parteien im Ausschuss unterschiedlich aufgenommen. Die CDU stimmte ihm zu, während Bündnis 90/Die Grünen darauf hinwiesen, dass es - auch ohne die Lage zu dramatisieren - durchaus "eine Bedürftigkeit im Alter" gebe. Vielen Selbstständigen, insbesondere Scheinselbstständigen, bliebe von den Einnahmen zu wenig übrig, um ausreichende Ersparnisse für das Alter zu bilden. Die SPD verwies vor allem auf die Auswirkungen der diskontinuierlichen Erwerbsbiographien auf die Rente sowie darauf, dass man von der Grundsicherung "keine großen Sprünge machen" könne, während sich die FDP sich von dem vorgesehenen "Regierungsdialog Rente" viel versprach. Ihr Anliegen sei vor allem, "die Situation der Soloselbstständigen" zu verbessern. DIE LINKE beurteilte die Prognosen als "beängstigend" und hob besonders die Lage der Frauen hervor, die 70 Prozent der 7,3 Millionen der in sogenannten Minijobs Beschäftigten ausmachten, die regelmäßig nur sehr kleine oder gar keine Ansprüche auf Altersrente hätten. Auch sei der Anteil der verschämten und verdeckten Armut unter den Frauen sehr hoch, die beispielsweise eher zur Bahnhofsmission gingen als zum Amt.
Insbesondere die soziale Lage Selbstständiger
Auf die soziale Lage vieler Selbstständiger hat vor allem ein Bericht der Süddeutschen Zeitung hingewiesen. Immer mehr Selbstständige beziehen der amtlichen Statistik der Bundesagentur für Arbeit zufolge Hartz-IV-Leistungen. Im Jahresdurchschnitt waren es im Jahr 2010 125.000 Betroffene, im Februar 2011 waren es 118.000. Im Jahr 2007 lag die Zahl der Betroffenen um 50.000 niedriger. Derzeit verfügten gut 85.000 Selbstständige in Deutschland über ein Einkommen von weniger als 400 Euro. Etwa 25.000 nähmen unter dem Strich bis zu 800 Euro ein, der Rest liege etwas darüber. Die Zahl der Selbstständigen liege insgesamt bei etwa 4,4 Millionen Menschen, unter denen allerdings die prekären Ein-Personen-Existenzen zunähmen. Allein ein Sechstel der Hartz-IV-Bezieher unter ihnen lebe in Berlin, heißt es.
Das Vorstandsmitglied der Bundesarbeitsagentur Heinrich Alt hat hierzu die Ansicht vertreten, möglicherweise rechneten sich viele Selbstständige arm. Dabei handele es sich aber um eine reine Vermutung, denn es gebe hierzu "keinerlei Empirie, ob und wie oft dies vorkommt".
Zur Erwerbsbiographie von Grundsicherungsempfängern
Allerdings ist es sehr schwierig, aus einer prekären Lebenslage herauszufinden. Zur Lage der Bezieher von Arbeitslosengeld II insgesamt wurde vor kurzem ein Bericht Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) bekannt, einem Thinktank der Bundesarbeitsagentur. Demnach hätten trotz eines hohen Grades der Arbeitsaufnahme unter den Beziehern von Grundsicherung nur 55 Prozent der Arbeitsverhältnisse auch nach einem halben Jahr noch bestanden. Und auch während der Beschäftigung seien die Löhne so niedrig gewesen, dass sie den Bedarf des Haushalts nicht decken konnten, so dass weiterhin Hartz-IV-Leistungen bezogen werden mussten.
Kritik an der Riester-Rente
Auch die Ergänzung der gesetzlichen Rente durch die sogenannte Riester-Rente ist insoweit in der Diskussion aufgegriffen worden. Anlass hierzu boten zwei Berichte der Zeitschriften Capital und Öko-Test in deren April- bzw. Juni-Ausgaben, in denen darüber berichtet wurde, dass die aus den Riester-Verträgen zu erwartenden Altersrenten sehr viel niedriger ausfielen als ursprünglich erwartet, so dass es wahrscheinlich nicht möglich sei, damit den Verlust auszugleichen, der sich aus der damaligen Kürzung der gesetzlichen Rente ergeben hatte. Hierüber berichtete auch das ZDF-Politmagazin Frontal21. Der Gesetzgeber war bei der Einführung der Riester-Rente davon ausgegangen, dass die Betroffenen in der Lage wären, vier Prozent ihres Bruttoeinkommens nebst staatlichen Zuschüssen in einem privaten Sparvertrag bei einer Bank oder bei einer Versicherung im Kapitaldeckungsverfahren anzusammeln. Tatsächlich zeige sich nun aber, dass die Verträge dies nicht leisteten, weil die Sparpläne finanzmathematisch so angelegt seien, dass 30 Prozent des angesammelten Kapitals für die Auszahlung im Zeitraum nach dem 85. Lebensjahr eingeplant würden, das aber die meisten Versicherten gar nicht erreichten. Dieser Betrag fließe in Rückstellungen. Aus den nicht ausgezahlten Beträgen dürften die Versicherer ein Viertel behalten. Auf diese Weise verdienten die Unternehmen mit jedem Riester-Vertrag durchschnittlich 8.000 Euro, rechnet der Wirtschaftswissenschaftler Klaus Jaeger von der Freien Universität Berlin in der Fernsehsendung vor.
Bemängelt wurde auch der Verbraucherschutz bei diesen Sparplänen. Nur eine Handvoll der einbezogenen Verträge seien in der Untersuchung von Öko-Test empfehlenswert gewesen. Der Vergleich der Produkte sei nur äußerst schwer möglich, weil die Anbieter keine vollständigen Angaben machten, die für die Rentenrechnung benötigt werden, und weil die Rechenwege bei jedem Vertrag anders seien. Normalverbraucher könnten deshalb kaum durchblicken. Bei den meisten Verträgen seien so hohe Verwaltungskosten eingerechnet, dass sie als Geldanlage trotz der staatlichen Zuschüsse aus Steuergeldern nicht interessant seien. Auch die Zertifizierung der Verträge ändere hieran nichts, weil sie nur eine rein formale Zulassung zum Markt beinhalteten, die tatsächliche Rendite werde dabei nicht geprüft.
Über erste Erfahrungen mit der Riester-Rente hat Ende Mai 2011 auch die Bundesregierung aufgrund einer Kleinen Anfrage von Bundestagsabgeordneten der Fraktion DIE LINKE Auskunft erteilt. Sie hält die "angemessene Beteiligung der Versicherungsunternehmen an den so genannten Risikoüberschüssen" für "sachgerecht". Zu den tatsächlichen Renditen und zur Höhe der gezahlten Renten aus den derzeit laufenden Verträgen könnten keine Angaben gemacht werden. Auch zu den Verwaltungskosten der Finanzdienstleister, die die Rendite mindern, sei der Bundesregierung nichts bekannt. Derzeit liefen 14,6 Millionen Riester-Verträge, von denen vom Beginn der Verfügbarkeit vor zehn Jahren bis Ende 2008 1,4 Millionen gekündigt worden seien. Etwa 15 Prozent der Verträge ruhe, weil keine Beiträge eingezahlt werden. Von allen Verträgen seien 2009 aber nur etwa 4,6 Millionen staatlich bezuschusst worden. Der Umfang der Nachfrage nach Riester-Verträgen sei der Bundesregierung nicht bekannt.