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VERSTORBENE PERSÖNLICHKEITEN

06.12.2009

Otto Graf Lambsdorff (FDP) gestorben

Wie sein Büro am Sonntag mitteilte, starb der langjährige FDP-Vorsitzende und ehemalige deutsche Wirtschaftsminister, Otto Graf Lambsdorff, "am 5. Dezember 2009 am späten Nachmittag in einem Krankenhaus in Bonn". Der frühere FDP-Vorsitzende Wolfgang Gerhardt würdigte den Verstorbenen mit den Worten: "In der politischen Geschichte der Bundesrepublik ist seine Handschrift zu erkennen." Der Name Lambsdorff steht allerdings nicht nur für die Wirtschaftspolitik der BRD in den Jahren 1977 bis 1984, als er für das Wirtschaftsministerium verantwortlich zeichnete. Der Name Lambsdorff taucht auch immer dann auf, wenn es um Korruption und Bestechung von Politikern geht. Lambsdorff war tief verstrickt in die Flick-Spendenaffäre. Es ist gerichtlich aktenkundig, dass er für seine Partei, die FDP, Geld vom Flick-Konzern angenommen hatte. Weil das deutsche Strafrecht für eine Verurteilung wegen des Tatbestands der Bestechung jedoch außerdem verlangt, dass zwischen dem Korrumpierer und dem Korrumpierten eine "Unrechtsvereinbarung" geschlossen worden sein müsse, wurde Lambsdorff vom Landgericht Bonn 1987 nicht wegen Bestechlichkeit, sondern lediglich wegen Steuerhinterziehung zu einer Geldstrafe von 180.000 DM verurteilt. Als verurteilter Rechtsbrecher musste Lambsdorff danach von seinem Ministeramt zurücktreten.

In der einschlägigen Literatur (hier zitiert nach "Michael Clemens, Amtsmissbrauch und Korruption: Strukturen in Deutschland Ost und West") wird nachgewiesen, dass "der Flick-Konzern gezielt auf die Politik einzuwirken versuchte" (S. 20). Während die Motivationslage auf der Geberseite klar zu Tage liegt, wird auf der Seite der so Korrumpierten eine Neigung zur Doppelmoral zur Rechtfertigung des verbotenen Tuns konstatiert. So versuchte die FDP im Deutschen Bundestag eine Amnestie für die kriminellen Handlungen seines Ministers durchzusetzen. Der damalige Chefredakteur des "Spiegel", Rudolf Augstein, (selbst für kurze Zeit für die FDP Mitglied des Deutschen Bundestages) kommentierte den Vorgang mit den Worten: Die "Wähler sind nicht so sehr an der Korruption der Regierenden interessiert, die sie nahezu für selbstverständlich und jedenfalls für menschlich halten. Vielmehr, sie wollten nicht, per Selbstamnestie der Regierenden, regelrecht verarscht werden." Laut Grundgesetz gelte, so Augstein weiter, "Sie (die Parteien) müssen über die Herkunft ihrer [...] Mittel öffentlich Rechenschaft geben".

Eine andere Form der Beeinflussung von Politikern ist in der Vergabe von meist gut honorierten Aufsichtsratsposten zu sehen. Auf der Internetseite "NachDenkSeiten" wird beispielsweise vermutet, dass Lambsdorff über Jahrzehnte als Abgeordneter, Minister und Parteifunktionär "über Aufsichtsratsmandate und ihre Vergütung" für seinen Einsatz "für die Privatisierung der Kranken- und Rentenversicherungen" honoriert wurde.

Die Verurteilung Lambsdorffs wegen Steuerhinterziehung und dem folgenden Rücktritt von seinem Ministeramt hielt die FDP nicht davon ab, ihn 1988 zu ihrem Vorsitzenden zu machen, ein Amt, das er bis 1993 ausübte. Der Name Lambsdorff steht darüber hinaus für den Bruch der sozial-liberalen Koalition unter Bundeskanzler Helmut Schmidt und den Übergang zur Kohl-geführten CDU-FDP-Regierung 1982. Als "Manifest" dieser politischen Wende gilt sein Aufsatz "Konzept für eine Politik zur Überwindung der Wachstumsschwäche und zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit", in dem er einen rigorosen Sozialabbau forderte. 1982 begann die Regierung Kohl damit, Sozialleistungen flächendeckend zurückzufahren. Kürzungen beim Kindergeld und Wohngeld, Zuzahlungen der Patienten für Medikamente und Krankenhausaufenthalt sowie die Anhebung der Beiträge für die Renten- und Arbeitslosenversicherung standen auf der politischen Agenda.

Eingedenk des politischen Wirkens von Otto Graf Lambsdorff formulierte die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel die politische Lebensleistung Lambsdorffs so: "Er hat die Wirtschaftspolitik der Bundesrepublik Deutschland lange Jahre hindurch ordnungspolitisch geprägt und reiht sich ein in die Reihe der großen Persönlichkeiten unserer sozialen Marktwirtschaft."

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