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RECHT IN BREMEN | 05.06.2008 |
Urteil im Fall des kleinen Kevin aus Bremen: 10 Jahre Haft für den Ziehvater
Zehn Jahre Haft für den Ziehvater des vor zwei Jahren an schweren Misshandlungen gestorbenen zweijährigen Kevin aus Bremen beschloss heute das Landgericht Bremen. Der Mann wurde wegen Körperverletzung mit Todesfolge sowie Misshandlung Schutzbefohlener für schuldig befunden. Damit blieb das Gericht unter der Forderung der Staatsanwaltschaft, die 13 Jahre Haft gefordert hatte. Einer Verurteilung wegen Mordes, wie von der Staatsanwaltschaft gefordert, folgte das Gericht nicht. Außerdem ordnete das Gericht die Unterbringung des 43-jährigen drogensüchtigen Ziehvaters in einer Entziehungsanstalt an, diese erfolge jedoch erst nach Verbüßung von drei Jahren Haft.
In der Urteilsbegründung führte der Vorsitzende Richter Helmut Kellermann aus, dem Ziehvater Bernd K. habe eine Tötungsabsicht nicht nachgewiesen werden können. Insofern folgte das Gericht der Argumentation der Verteidigung. Zur Todesursache Kevins führte der Richter aus, die vorliegenden Fakten und Gutachten hätten zu der Erkenntnis geführt, dass der Junge an den Folgen mehrfacher Knochenbrüche gestorben sei. Durch einen Bruch sei Knochenmark in die Blutbahn gelangt und habe eine Fettembolie in der Lunge ausgelöst. An dem anschließenden Herzversagen sei das Opfer dann gestorben. Diese Fakten seien insofern von Bedeutung, als dem Angeklagten nicht unterstellt werden könne, er habe gewusst, dass ein solcher Knochenbruch zum Tode führen könne. Das gehöre auch nicht zum Allgemeinwissen der Öffentlichkeit. Wenn der Angeklagte den Jungen hätte töten wollen, wäre er vermutlich anders vorgegangen. Wegen der Drogensucht des Angeklagten könne das Gericht auch eine verminderte Schuldfähigkeit nicht ausschließen.
Der Angeklagte hatte sich während des mehrmonatigen Prozessverlaufs kein einziges Mal zu dem Vorgang geäußert. Erst am letzten Prozesstag, am 28. Mai des Jahres, hatte er eine vorbereitete schriftliche Erklärung mit stockender Stimme verlesen. Dabei brachte er zum Ausdruck, dass er keine angemessene Worte für das Geschehene finden könne: "Ich bin erschüttert von der Katastrophe. Ich würde gern mehr sagen, aber das kann ich nicht. Ich weiß wirklich nicht, was da passiert ist." In seiner Urteilsbegründung bezweifelte der Richter diese Aussage des Angeklagten: "Ich bin ganz ehrlich. Das glaube ich Ihnen nicht."
In seiner Urteilsbegründung zeichnete der Kammervorsitzende, Richter Kellermann, dann ein detailreiches Bild des mehrjährigen Martyriums, das der von Polizisten im Oktober 2006 im Kühlschrank des Ziehvaters gefundene Kevin erleiden musste. Bereits im Herbst 2004, als Kevin gerade acht Monate alt war, habe Kevin nach den Untersuchungsergebnissen "multiple Frakturen und damit verbundene heftigste Schmerzen" erleiden müssen. Brutalste Misshandlungen haben sich dann über die Zeit bis zu seinem Tod fortgesetzt. Der genaue Todeszeitpunkt habe aber nicht genau festgestellt werden können - vermutlich zwischen Ende Juni und Anfang Juli 2006. Insgesamt ermittelten die Gerichtsmediziner 24 Knochenbrüche. Nach dem Tod der ebenfalls drogenabhängigen Mutter im November 2005 war Kevin den Misshandlungen seines Ziehvaters weiter schutzlos ausgeliefert. In diesem Zusammenhang wertete es der Richter als Entlastungsgrund für den Angeklagten, dass Behördenmitarbeiter trotz vorliegender Erkenntnisse über Misshandlungen des Kindes nicht eingegriffen hätten. Allerdings habe es der Angeklagte verstanden, die tatsächliche Notlage des Kindes durch immer neue Ausreden nach außen hin zu verschleiern. In diesem Zusammenhang erhob der Richter Vorwürfe auch an die Adresse des zuständigen Jugendamtes, bei dem die Vormundschaft für das Kind gelegen hatte: "Mancher Handelnde oder Nichthandelnde mag sich moralisch berechtigte Vorwürfe machen." Die Verfehlungen der Behörde seien jedoch nicht Gegenstand des Prozesses gewesen.
Gegen den zuständigen Sozialarbeiter sowie den Amtsvormund wird in einem weiteren Prozess über den Vorwurf fahrlässiger Tötung durch Unterlassen verhandelt werden. Der Bürgermeister der Freien Hansestadt Bremen, Jens Böhrnsen, räumte die Mitschuld der Sozialbehörden der Stadt ein. Der Staat sei seiner Fürsorgepflicht nicht ausreichend nachgekommen und habe "versagt mit seinen Behörden und Ämtern, im Schutz Kevins vor den Gewalttätigkeiten des Vaters".
Mit Empörung reagierte die anwesende Öffentlichkeit im Gerichtssaal laut Radio Bremen auf die Aussage des Richters, dass der Angeklagte im Falle eines erfolgreichen Verlaufs der Entziehung auch bereits nach fünf oder sechs Jahren entlassen werden könnte. In einer Presseerklärung kritisierte die Deutsche Kinderhilfe das Urteil. Mit dem Urteil werde ein "fatales Signal an die Öffentlichkeit" gesandt. Die Staatsanwaltschaft wurde aufgefordert gegen das Urteil Rechtsmittel beim Bundesgerichtshof einzulegen. "Nach der ausgezeichneten Prozessführung des Vorsitzenden, die an dieser Stelle ausdrücklich hervorgehoben werden muss, ist dieser Abschluss des Verfahrens vollkommen überraschend und nicht nachvollziehbar. Die Staatsanwaltschaft hat völlig zu Recht auf Mord plädiert", sagte der Vorsitzende der Deutschen Kinderhilfe, der selbst Rechtsanwalt ist. Verwandte Texte:
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