Papst Benedikt XVI. hat 68er-Trauma

Papst Benedikt XVI., der an diesem Sonntag feierlich in sein Amt eingeführt wird, hat nach Ansicht des katholischen Theologen Hans Küng ein Trauma aus der Zeit der Studentenrevolte Ende der 60er Jahre. In einem Interview mit dem Hamburger Magazin stern sagte Küng, der damalige Theologieprofessor Joseph Ratzinger und er seien damals in Tübingen "diejenigen gewesen, in deren Vorlesungen linke Rollkommandos eindrangen und uns niederbrüllten." Es sei Ratzingers Sache nicht gewesen, ums Mikrofon zu kämpfen. "Ich meine, dass er aus dieser Zeit ein Trauma mitgenommen hat: Seither verdächtigt er alles, was von unten kommt", so Küng.

Küng, der in den 60er Jahren mit Ratzinger freundschaftlich verbunden war und ihn 1966 als Professor nach Tübingen holte, sagte dem stern, er glaube nicht, dass Ratzinger als Benedikt XVI. einfach den Kurs seines Vorgängers weiterführen wird. "Ich rate zum Abwarten. Auch aus dem konservativen Kardinal Roncalli wurde schließlich der Papst Johannes XXIII., der die Öffnung der Kirchen vorantrieb".

Küng, dem der Vatikan vor 25 Jahren die Lehrerlaubnis entzog, verwies auf Meinungsumfragen, wonach 80 bis 90 Prozent der deutschen Katholiken Reformen wollten. "Ich glaube nicht, dass Ratzinger sich allem verschließen kann, er will ja wohl auch positive Zeichen setzen. Wir sollten ihm eine Chance geben", so Küng. (Original Pressetext)