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GLüCKSSPIEL 25.7.2005

Spiel mit dem Schicksal

Spielsucht gefährdet soziale Kontakte und den Job, treibt Menschen in Schulden und lässt sie oft sogar kriminell werden. Dennoch gibt es viele Menschen, die der Versuchung nicht widerstehen können und das Spiel mit dem Schicksal wagen. Rund 200.000 Spielsüchtige leben in Deutschland, einige davon finden eines Tages den Weg zur therapeutischen Behandlung - dank Einsicht und Wunsch nach Abstinenz.
Viel zu schnell lassen die kleinen, bunten Jetons vergessen, dass es sich hierbei um bares Geld handelt. Ein einziger Jeton kann über 10.000 Euro wert und innerhalb von Sekunden verspielt sein
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Viel zu schnell lassen die kleinen, bunten Jetons vergessen, dass es sich hierbei um bares Geld handelt. Ein einziger Jeton kann über 10.000 Euro wert und innerhalb von Sekunden verspielt sein
"Man hat das Gefühl, etwas zu verpassen, wenn man nicht wenigstens einmal da war.", sagt Hermann Jakobs aus Mainz. Er wollte seinen 30. Geburtstag mit Freunden in einer Spielbank feiern, doch er fand Gefallen an dem Spiel. "Die Atmosphäre ist einfach unbeschreiblich. Die Luft knistert förmlich, man weiß, dass man jeden einzelnen Moment in die Hände des Schicksals legt."

Das DSM-IV (Diagnostisches und statistisches Manual psychischer Störungen 1996) führt unter anderem den Punkt auf, dass dem Verlust hinterher gejagt wird, sprich, man versucht, de Verlust wieder auszugleichen, indem man wiederkehrt und weiterspielt - in der Hoffnung einen Gewinn zu erzielen. Hermann Jakobs kann dies bestätigen. "Wenn man abends verliert, kommt man am nächsten Tag wieder um zu gewinnen und das verlorene Geld wiederzubekommen." Ein Plan, der fast nie aufgeht und doch immer abhängiger macht: bereits nach wenigen Monaten hat er mehr umgerechnet als 50.000 Euro verspielt.

"Therapie oder Trennung"

Nach einem halben Jahr ließ sich seine Spielsucht nicht mehr verheimlichen. "Meine Freundin unterstellte mir, ein Verhältnis zu haben - dabei war sie die Frau meines Lebens. Wir wollten sogar heiraten." Hermann Jakobs gestand ihr, nach zwei langen Monaten voller Vorwürfe, dass er nicht zu einer anderen Frau, sondern in die Spielbank gehe. "Für sie brach eine Welt zusammen! Sie fragte, wie viel Geld ich verspielt habe. Als ich es ihr gesagt habe, stellte sie mich vor die Wahl: Therapie oder Trennung!"

Nach den Automatenspielen ist das Roulette einer der häufigsten Gründe für eine Spielsucht. Für die meisten Spielsüchtigen ist es ein faszinierender Nervenkitzel, bis hin zum Rausch, ihr Schicksal einer einzigen Kugel zu überlassen
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Nach den Automatenspielen ist das Roulette einer der häufigsten Gründe für eine Spielsucht. Für die meisten Spielsüchtigen ist es ein faszinierender Nervenkitzel, bis hin zum Rausch, ihr Schicksal einer einzigen Kugel zu überlassen
Hermann Jakobs versprach aufzuhören, doch als er bereits einen Tag später wieder den Weg zur Spielbank fand, fand er umso weniger vor, als er nach Hause kam: "Sie war weg! Sie hatte alle ihre Sachen gepackt und war einfach weg - nicht einmal einen Zettel hat sie dagelassen. Ich brach heulend zusammen, mir war bewusst, was ich verloren hatte. Allerdings versuchte ich den Schmerz zu unterdrücken, indem ich am nächsten Tag in die Spielbank ging. An diesem Tag verlor ich umgerechnet über 40.000 Euro."

Spielsüchtige sind unter anderem durch Schulden, vor allem jedoch dadurch gekennzeichnet, dass sie selbst dann nicht aufhören können, wenn sie sehen, dass das Spielen ihnen nur Unglück bringt. Die meisten Glücksspielsüchtigen haben Beziehungsstörungen, eine Selbstwertproblematik oder wiesen Defizite bei der Gefühlswahrnehmung auf. Bei Hermann Jakobs ist dies nicht der Fall, er hatte eine langjährige, intakte Beziehung und war Chef seiner eigenen Firma, die er bereits im Alter von 21 Jahren gegründet hat. Dank seiner Sucht bekam er von der Firma jedoch kaum noch etwas mit. "Ich schlief oder ging spielen. Mehr tat ich kaum noch, jegliche Kontakte waren abgebrochen. Wenn ich einsam war, hatte ich ja noch die Spielbank." Er genoss die Besuche mit der Zeit immer weniger, zunächst empfand er es als Zwang, dann "wurde es fast zur Routine täglich spielen zu gehen." Eine Routine, ohne die er nicht mehr leben wollte - nicht mehr leben konnte. Selbst, als er eine starke Grippe hatte, schleppte er sich in die Spielbank.

Verspieltes Vermögen

Die psychische Wirkung, die ein Spielsüchtiger während des Spielens erfährt, soll der des Kokainkonsums ähneln. "Es war ein absoluter Kick! Sobald die Kugel am Roulettetisch rollte, spielten meine Gefühle verrückt. Ich musste immer höhere Einsätze machen um dieses Gefühl zu erhalten." Der Preis für ein paar Endorphine war seine Firma. Nach 14 Monaten hatte er sein gesamtes Vermögen verspielt, seine Freundin verloren und seine Firma dem Boden gleich gemacht.

Im Jahre 2003 war die Spielbank Berlin zum ersten Mal die umsatzstärkste Spielbank Deutschlands. Menschen, die in Spielbanken gehen suchen zuerst nur den Nervenkitzel, bedenken jedoch nur selten, dass auch Spielen zur Gefahr werden kann
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Im Jahre 2003 war die Spielbank Berlin zum ersten Mal die umsatzstärkste Spielbank Deutschlands. Menschen, die in Spielbanken gehen suchen zuerst nur den Nervenkitzel, bedenken jedoch nur selten, dass auch Spielen zur Gefahr werden kann
Ein relativ typischer Nebeneffekt der "Tätigkeitssucht", ist das Abrutschen in eine weitere Sucht. Hier war es der Alkohol. Hermann Jakobs war am Ende und begann zu trinken. "Auf einmal stand ein alter Freund vor der Tür, meinte, von meiner Firma gehört zu haben. Er redete auf mich ein, schaffte es, mich vom Alkohol fernzuhalten und ging mit mir zu einer Beratungsstelle." Nach 16 Monaten Spielsucht und einer vergleichsweise geringen Summe Schulden von umgerechnet 15.000 Euro, fing Hermann Jakobs eine Therapie an. "Die Regeln sind hart, Automatenspiele, Casinospiele, Kartenspiele, Wetten, ja sogar Kniffel oder Billard sind verboten. Teilweise darf man sogar kein Schach spielen oder erhält in den ersten Wochen striktes Ausgehverbot." Doch er hat es geschafft. Er hat die Pflichtaufgaben wie die Schuldenaufstellung, Ausgabenprotokolle und monatliche Haushaltspläne gemeistert und die Therapie erfolgreich abgeschlossen.

Rund zwei Drittel derer, die eine solche Therapie beendet haben, sind und bleiben abstinent. So auch Hermann Jakobs, der heute, fünf Jahre danach wieder glücklich mit Frau und Kind und einer wieder aufgebauten Firma lebt. "Eine Selbstsperre für alle europäischen Spielbanken habe ich trotzdem noch. Während der Therapie ist diese Pflicht, doch ich habe mir geschworen, sie lebenslänglich bestehen zu lassen. Ich möchte nie wieder jemanden so etwas antun." Alle siebe Jahre erneuert er seine Selbstsperre vor der Löschung, mit dem festen Ziel, nie wieder eine Spielbank zu betreten.
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Artikel vom 25. Juli 2005

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