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Gerüchte

Die Musik war viel zu laut, der Boden bebte im Takt der Beats, die Leute auf der Tanzfläche bewegten ihre Körper elegant, fast schlangenhaft im Rhythmus der Melodie.
Die Hände weit nach oben gestreckt, unter dem Schwarzlicht, das in Intervallen von dunklem Blau, grellem Rot, und sattem Grün unterbrochen wurde, gelborange Strahler leuchteten von zwei Seiten auf das dunkle Parkett, auf dem sich die Tänzer drängten.

Wie eine geballte Wolke Stimmung hüpften die Massen und auf, am Rand drängten sich die Schaulustigen, die ihre Blicke über die tanzende Menge gleiten ließen, ihre Augen klebten an den grazilen Körpern der jungen Frauen, die sich ausgelassen zu harten den Klängen bewegten.

Kai quetschte sich an den Kellnern vorbei, die volle Tabletts mit großen Gläsern mit knallbunten Flüssigkeiten und üppigen Verzierungen vor sich her trugen, oder hoch über den Köpfen der tanzenden Menschen balancierten. Er stieß andere mit den Ellenbogen weg, sein breiter Körper machte ihm den Weg frei bis nach hinten, wo es sich die üblichen Leute auf den bequemen, mit rotem Samt bezogenen Sofas bequem gemacht hatten. Die besten Plätze hier, mit heruntergedimmten Deckenstrahlern sanft beleuchtet, waren für die Stars des Abends belegt. Stammgäste, die unter sich sein wollten, sich in die Sessel legten und mit kühler Arroganz die anstarrten, die sich hierher verirrten. Gesprochen wurde nicht viel, wichtiger war es, sich zu zeigen, hier waren alle Marken der großen Designer oder aktuellen Sportmarken vertreten, es blinkten die dezenten Platinuhren an knochigen Handgelenken magersüchtiger Jungen.

Kai störte mit seinen ausgebeulten Jeans, dem grünbunten XXL Hawaiihemd, das trotzdem noch viel zu eng war, und seine Schwimmringe grob nachzeichnete, das Bild, er wurde streng gemustert, dann sah man demonstrativ weg, zeigte ihm die kalte Schulter. Er spürte die eisige Kälte, die ihm hier entgegengebracht wurde, doch tat er, als würde er es nicht bemerken und störte sich nicht daran.

Er winkte Lena zu, die sich schon den ganzen Abend an einem alkoholfreien Coconut Kiss festgehalten hatte, und alleine auf einem Sofa saß, als Bewacher zurückgelassen, damit niemand den begehrten Sitzplatz wegschnappen würde. Andere sollten um die Stehtische herumstehen, oder den ganzen Abend stehen. Gelangweilt rührte sich mit dem Strohhalm im Glas herum. Er beobachtete sie, während er zielsicher auf sie zulief, legte ihr seine dicken Finger auf die Schulter. Sie schrak auf, zuckte zusammen, und sah ihn für eine Sekunde mit weit aufgerissenen, grünen Augen an. Er lächelte. "Magst Du tanzen?", fragte er plump. Sie verstand ihn wegen des Lärms um sie herum nicht, zuckte mit den Schultern. Er sah lachend zu ihr hinunter, beugte sich dann über sie, und legte seinen Mund so nahe an ihr Ohr, dass sie seinen Atem spüren konnte. "… tanzen … ?", verstand sie. Sie drehte den Kopf zur Seite, machte ihm so klar, dass er ihr zu nahe getreten war. "Schüchtern also", dachte er. Mit einem bestimmten Kopfschütteln machte sie ihm klar, dass sie kein Interesse hatte. Er lachte etwas gekränkt, und zuckte mit den Schultern. "Dann eben nicht." Enttäuscht und wütend drehte er sich weg, watschelte im Entengang seinen Weg zurück. Sein Hemd hatte sich bis oberhalb des Pos verzogen, man konnte deutlich seinen Po sehen, der im Takt seiner Schritte auf und ab wackelte. "Was wollte der denn?" Lena rollte genervt die Augen. "Tanzen", meinte sie, und machte ein wenig begeistertes Gesicht, sah ihm nach, wie er zwischen den leichtfüßigen Tänzern verschwand. Katharina lachte laut auf. "Der?" Sie nippte an ihrem Orangensaft. Es schmeckte bitter. Eine gute Mischung. "Auf den Schrecken lad ich Dich auf was Hartes ein." Einige Minuten später trank die ganze Clique Tequila.

Kai war wütend. Er schlug die Tür mit einem Knall zu, und begab sich nach draußen, um Dennis Gesellschaft zu leisten, der mit seinem schwarzen, zu einem Zopf gebunden Haar und dem dunklen Anzug, unter dem er ein blütenweißes Hemd trug, eher aussah wie ein Mafiosi als ein Türsteher. "Na, zu stickig da drin?" Kai schnaubte, und zog verächtlich die Nase hoch. "Immer das gleiche mit den Schlampen." Dennis lachte. "hast Du wieder einen Korb bekommen?" Er griff in sein Jackett, holte eine Schachtel Zigaretten heraus, und raschelte Kai damit vor der Nase herum. "Auch eine?" "Du weißt doch, dass ich nicht rauche", meinte der nur, und starrte in den Himmel. Hier draußen war es frisch, die Nacht war lau und angenehm, irgendwo fernab des Diskolärms zwitscherten die ersten Vögel um die Wette. "Also was hat Dich gestochen?" "Schlampen halt", meinte er kurz. "Wer?" "Na, die Lena, die immer hinten bei den Assis sitzt. Eigentlich ganz süß. Dachte ich. Aber seit die mit denen da", er machte er ruckartige Kopfbewegung, "zusammenhängt, ist die so was von arrogant geworden." Dennis zündete sich seine Zigarette an, schaute dem blauen Dunst nach, bis er sich verflüchtigt hatte, und drückte sie dann nach nur wenigen Zügen mit seinen glänzend polierten Schuhen aus. "Mach Dir nichts draus, die sind alle so. Lass und reingehen was trinken. Bin am verdursten." Mit diesen Worten hielt er ihm die Tür auf. Sie stellten sich vorne an die Theke, wo die Leute, die dort standen, um auf ihre Getränke zu warten, automatisch für Dennis Platz machten. Kai drängte sich neben ihn. "Zwei Bier, Marina", bestellte Kai. Geschäftig zapfte sie das Bier vom Fass, ließ es einige Minuten ruhen, setzte dann jedem eine schöne, feste Schaumkrone auf. Lächeln servierte sie die Getränke. In dem knappen Outfit sah sie einfach umwerfend auf. "Dich würd ich auch mal gerne…", meinte Kai in seinem gespielten Selbstbewusstsein. Marina grinste etwas verlegen, und machte sich dann wieder an die Arbeit, die ganze Zeit von seinen gierigen Blicken beobachtet. "Ach komm, die Frau ist wie Beton. Bei der landest Du nicht", lachte Dennis. "Mal schaun", sagte Kai geheimnisvoll. Dennis begab sich wieder nach draußen, um einige Gäste zu verabschieden, Kai stand vor dem Tresen und genoss die Aussicht, bestellte sich ein Bier nach dem anderen. Als Marina hinter der Theke hervoreilte, die schönen Hände fest um ein schweres Tablett geklammert, tatschte er ihr an den Po. Er lachte laut auf, Marina warf ihm einen bösen Blick zu, was ihn nur noch mehr zum Lachen animierte. Kai rief ihr etwas zu, was sie nicht verstand, doch sie merkte, dass er es trotz dem scherzhaft aufgesetzten Ton ernst meinte. Sie seufze vor sich hin, und machte einen großen Bogen um ihn, um seinen Annäherungen aus dem Weg zu gehen.

Eine halbe Stunde später winkte er Lena zu, die mit ihren Freunden das Lokal verließ. Sie schenkte ihm ein halbherziges Lächeln, schaute schnell weg, und verwickelte Katharina eilig in eine Unterhaltung. Katharina drehte sich an der Tür kurz um, und musterte Kai, der sich immer noch den Hals nach Lena ausrenkte, kurz von oben bis unten. Dann verschwanden beide.
Langsam leerte sich die Diskothek, die Gäste gingen nach Hause. Dennis kam herein, pfiff ein Lied in die plötzliche Stille. Auch der DJ packte seine CD in große, metallbeschlagene Koffer. "Nimmst mich mit nach Hause?" Dennis bejahte, und beide stiegen in den tiefer gelegten Sportwagen, kurbelten die Fenster hinunter und rasten mit lauter Musik die Strassen entlang.

"Das ist eine Schlampe!" "Wer?" "Na, Lena. Hab ich doch vorhin erzählt." "Dachte, die will nichts von Dir", hakte Dennis nach. "Frauen", meinte Kai verächtlich. "Die sagen immer nein, wenn sie ja meinen. Aber die Kleine kenn ich. Die macht es mit jedem." Er machte eine Handbewegung, als würde er trinken. "Aber erst, wenn sie 3 Promille im Blut hat. Das ist ein Flittchen." Dennis fuhr scharf um die schmale Seitengasse. "Und mit was für Typen. Das vergehts einem doch", setzte er noch einen drauf. "Beruhige Dich mal. Ist doch alles halb so wild." "Ich wollts ja nur mal gesagt haben", beendete Kai etwas beleidigt das Gespräch, stieg wortlos aus dem Wagen. "Man sieht sich", sagte Dennis. Er hupte, ließ den Wagen laut aufheulen, und rauschte davon.

Sofort stieg er aus seiner verschwitzen Kleidung, duschte. Als er das Wasser abgedreht hatte, betrachtete er sich nackt vor dem Spiegel. Unförmige Ringe entstellten seinen Körper, er hatte ein Doppelkinn, wirkte aufgeplustert, seine Bewegungsfreiheit war durch seine Masse eingeschränkt. Er machte ein zufriedenes Gesicht. "Ist doch alles dran", sagte er zu sich selbst. "Weiß auch nicht, was die Schlampe will."

Er deckte den Frühstückstisch, stellte das Radio an, kochte Kaffee und briet sich nach amerikanischem Vorbild Eier und Speck. Zehn Minuten später hatte er sein Frühstück vertilgt. Er warf sich in frische Kleidung und machte sich fertig für seinen Arbeitstag. Den kurzen Weg bis zum Hotel legte er zu Fuß zurück. Er genoss den warmen Tag, atmete tief durch und fühlte sich prima. Es versprach, heiß zu werden. Die Temperaturen waren schon jetzt in der Frühe ungewöhnlich hoch.

Er bog in die zweispurige Hauptstrasse ein, die durch eine Parkinsel getrennt war. Schon um diese Zeit herrschte reger Verkehr, Auto an Auto reihte sich aneinander. Im Schritttempo fuhr man von Ampel zu Ampel. Es hatte sich eine riesige Schlange gebildet, nur durch einige Lücken konnte man auf die andere Straßenseite sehen. Plötzlich tauchte dort Lena auf. Sie hatte sich umgezogen, zeigte nicht mehr so viel Haut wie vor einigen Stunden, ihr Gesicht war nicht mehr so kräftig bemalt. Sie wirkte natürlich schön. Er blieb stehen, sah ihr nach. Ganz in der Nähe wohnte sie, sicher ging sie nach Hause, um den Samstag über zu schlafen. Ihre Schritte waren müde, der Körper schlaff und schwer. Er malte sich aus, wie es wohl wäre, wenn sie gemeinsam im Bett liegen würden.

Den ganzen Tag über verbrachte er im Hotel an der Rezeption, nur selten wurden seine Gedanken von eintreffenden Gästen unterbrochen, die hier eincheckten. Er las, schaute fern. Lena ging ihm nicht mehr aus dem Kopf. Er wollte sie haben. Mit ihr schlafen. Als ihm die Abfuhr wieder in den Kopf kam, stellte er sich vor, dass er sie schlagen würde. Brutal. Ins Gesicht. Sie würde weinen und ihn um Verzeihung bitten. Dann würde er großmütig sein und ihr vergeben. Der Tag verging wie im Flug.

Trotz der durchzechten Nacht und der Arbeit klingelte noch bei Martin. Er öffnete munter die Tür, den Oberkörper frei, ein Handtuch um die schlanken Hüften gewickelt, das Haar zerzaust und sichtlich gut gelaunt. "Na, alles klar bei Dir?", meinte Kai, und stand etwas verloren vor der Tür. Martin stand im Rahmen, er hatte die Tür nicht ganz aufgeschlagen, nur einen Spalt weit. "Ja. Sicher. Hab grad Besuch da." "Aha", meinte Kai tonlos, und versuchte, Martin über die Schulter zu schauen. Insgeheim hoffte er, einen Blick auf ein unbekleidetes weibliches Wesen werfen zu können. Martin stellte sich seinen Augen direkt in den Weg. "Wollte nur mal hallo sagen." "Ja, kein Thema", meine Martin etwas genervt. "Nur jetzt geht es gerade wirklich nicht."

"Macht ja nichts." Er zuckte mit den Schultern. "Neidisch?", feixte Martin. "Nein, hatte heute schon meinen Spaß", log Kai. "Ach ja? Mit wem denn?" Martin machte ein ungläubiges Gesicht, denn Kai hatte noch nie eine richtige Freundin im Leben gehabt, geschweige denn, eine Chance gehabt, einen Onenightstand mit nach Hause zu nehmen. Seine penetrante Art war bei den meisten Frauen sehr unbeliebt und schreckte sie ab. Nur selten zeigte jemand Interesse an ihm. Und wenn, dann blieb es meistens bei kurzen Gesprächen. "Lena." "Lena? Die ist doch ein Eisblock", rief er aus. "Tja, gewusst wie", lächelte er überlegen, drehte sich auf der Schwelle um. "Hey warte. Heute Abend? Kommst ins Teehaus? Dann kannst mir ja alles erzählen." Martins Neugier war geweckt worden. "Vielleicht", sagte Kai, und stieg ungeschickt ohne ein weiteres Wort die hellen, marmorierten Stufen hinunter, seine Hände an das Geländer geklammert, um nicht über seine Füße, die er nicht mehr sah, zu stolpern.

Wie ein Lauffeuer verbreitete sich in dem kleinen Stadtteil die Nachricht, dass Lena mit Kai im Bett war. Eigentlich konnte es niemand so recht glauben, doch jeder wollte Details wissen. Und Kai erzählte sie breit weiter. Urplötzlich genoss er durch diese Heldentat großes Ansehen, wurde von allen bewundert, dass er es geschafft hatte, die zurückhaltend e Lena zu knacken. Einige waren richtig neidisch, denn Lena war ein hübsches Mädchen, hatte wilde grüne Augen, und verfügtes über ein unheimliches Charisma. Fast jeder hatte schon versucht, mit ihr anzubandeln, doch sie hielt sich zurück, kaum jemand schaffte es, näher an sie heranzukommen.
Weinend saß sie auf dem Bett, Katharina legte tröstend die Arme um Lenas Schultern. "Wie kann er nur so etwas behaupten? Ich verstehe das nicht", schluchzte sie. "Keine Ahnung. Das ist so einer, der keine abbekommt, und großartig was erfindet, um sich wichtig zu machen." Katharina schaute finster drein. Überall hörte man nun die verrücktesten Gerüchte. Angespornt durch Kais Geschichte hatten sich auch andere dazu hinreißen lassen, irgendetwas zu erfinden, es dann weitererzählt. Lena wurden die buntesten Dinge angedichtet, den Ruf als übelste schlampe aus der Gegend hatte sie nun weg. Sie war wütend, verletzt und traurig.

Die nächsten Wochenenden verbrachte sie alleine zu Hause, der Kontakt zur Clique wurde kälter. Sie rief kaum noch jemanden an, meldete sich nicht mehr.

Es klingelte Sturm, Lena öffnete, und eine gut gelaunte Katharina wirbelte herein. "Ich habs, ich habs", schrie sie. "Du, ich weiß, wie wir es dem Idioten heimzahlen." Sie stürzte sofort den Flur entlang, hüpfte schwungvoll aufs Bett. "Und wie?" Lena verschränkte die Arme vor der Brust, lehnte sich gegen die weiß gestrichene Wand, runzelte die Stirn.

"Hast Du was zum trinken da? Ich verdurste?" "Spann mich nicht so auf die Folter", maulte sie. Katharina lachte. "Erst was zum trinken. Nach einem Glas Sekt sind all Deine Probleme gelöst." Skeptisch seufzend holte sie eine Flasche Sekt aus der Küche, zwei Gläser, schenkte ein.

Die kleinen Perlen setzen sich auf ihren Lippen ab, er war frisch und schmeckte süß, prickelte angenehm im Mund. Die halbe Clique stand um die beiden herum, sie lachten, einigen konnten sich kaum fangen, der Sekt in den Gläsern schwappte heraus. Es war lauter als sonst, eigentlich verstand man, wie immer, kaum die Worte der anderen, doch diesmal spitzen alle die Ohren, um keine Einzelheit zu verpassen. "So klein", lachte Lena. "kleiner geht’s nicht. Winzig, einfach nur winzig", wiederholte sie sich immer wieder, und streckte Daumen und Zeigefinger in geringem Abstand auseinander, um das "winzig" noch lächerlicher zu machen. "Geschnaubt hat er wie eine Dampflok. Er hats einfach nicht gebracht. Kein Wunder, bei der Masse." Wieder lachten alle laut auf, steckten die Köpfe zusammen. "Aber das beste war", lachte sie, "das beste war…" Sie bekam kaum ein Wort heraus. "Das beste war ja,…" Sie erzählte eine erfundene lächerliche Geschichte nach der anderen. Die Lichter blinkten im Rhythmus der Musik, sie feierten ausgelassen das Wochenende. Es war wie immer. Katharina zwinkerte Lena feste zu, hielt den Daumen nach oben. "Jetzt haben wir das Schwein", dachte sie. Sie war froh, Lena endlich wieder lachen zu sehen. Lena zwinkerte zurück. Es störte sie nicht, dass dabei die Schminke ihrer perfekt mit schwarzem Kajal umrandeten Augen verwischte. Sie lachte Tränen über ihre selbst erfunden, doch durchaus glaubwürdigen Geschichten.

Katharina verstummte, ihre Augen fixierten Kai, der auf die Gruppe zulief. Lena stand mit dem Rücken zu ihm. Auch die anderen verstummten, warfen ihm die üblichen unterkühlten Blicke zu, und zogen sich auf die roten Samtsofas zurück, die Knie angewinkelt, die Sektgläser locker in den Händen schwingend. Lena stand noch immer mit dem Rücken zu ihm, er lief an ihr vorbei, erkannte sie von hinten nicht. "Na, alles klar", begrüßte er alle, und machte ein erwartungsvolles Gesicht, streckte seine Hände aus, und erwartete, dass sie einschlagen würden. Er grätschte die Beine etwas, und wirkte auf eine lächerliche Art cool. "Is was?", fragte er, spürte er doch, dass etwas nicht stimmte, und er der einzige war, der nicht mitbekommen hatte, was genau an ihm auf einmal als störend empfunden wurde.

"Hey, Kai", rief Martin aus der hinteren Ecke, und legte den Kopf etwas zur Seite, so dass sein braun gebranntes Schlüsselbein unter dem im Schwarzlicht hell aufleuchtenden Shirt hervorlugte. "Wo kann man denn diese supererotischen langen Unterhosen kaufen?" Die Menge tobte vor Lachen. "Was?" "Niemand gibt gerne zu, dass er eine Frau nicht ordentlich befriedigen kann", ertönte hinter ihm die Stimme Katharinas. "Oder keinen hochbekommt", ergänzte Lena. Beide grinsten breit, als er sich zu ihnen umdrehte. Er wurde rot vor Wut im Gesicht, ballte seine Hände zu Fäusten. "Das ist doch gar nicht wahr!", brüllte er aufgeregt. "Das stimmt doch gar nicht. Was erzählt ihr denn da?" Lena schaute ihn verächtlich an, spürte, diesmal im Vorteil zu sein, fühlte sich überlegen. "Du weißt doch", sagte sie mit eisiger Stimme "wir haben doch,… Besser gesagt, wir wollten doch." Sie nippte an ihrem Glas. "Schade, dass es nicht geklappt hat." Sie sah ihm direkt in die Augen, seine Nasenflügel bebten, langsam verstand er, was hier los war. Die Scheinwerfer schienen ihm hart ins Gesicht, sein buntes Hawaiihemd verschmolz mit den Farben der Diskobeleuchtung, man sah ihn kaum noch. "Du musst Dich nicht schämen, ein anderes Mal hast Du sicher mehr Erfolg." Damit schien alles gesagt zu sein, Katharina zog sie auf ihren Stammplatz zurück. Beide lehnten sich zurück in den roten Samt, hörten nur noch den Ansagen des DJ zu, der das nächste Lied mit rauchiger, schwungvoller Stimme ankündigte. "Prost", sagte Katharina, und stieß ihr Glas sanft klirrend gegen das von Lena.

Kai, von dem nun niemand mehr Notiz nahm, stampfte mit schweren Schritten nach draußen zu Dennis. Der saß nur da, und beobachtete ihn aus den Augenwinkeln, ohne den Kopf zu drehen. "Schlampen", meinte er verbittert. "Flittchen und Schlampen. Was anderes gibt’s da drin nicht". Er kniff wütend die Mundwinkel zusammen. Dennis hörte nicht mehr hin, schüttelte den Kopf, und zündete sich die übliche Zigarette an. Das Feuerzeug klickte, ein kleiner Lichtschein erhellte die Nacht. Tief atmete er den Qualm ein, stellte sich breitbeinige vor Kai. "Jetzt haben Dich Deine feinen Freund sitzen lassen, und Du kommst wieder bei mir an, um Dir das Herz zu lüften?" Unter dem engen Shirt zeichneten sich die durchtrainierten Oberarme ab. Langsam hauchte er ihm den Rauch ins Gesicht, Kai hustete kräftig, krümmte sich nach vorne. Dennis ging hinein, stellte sich an die Theke. Marina strahlte ihn an, und gab ihm einen Kuss auf die Wange. "Magst Du einen Kaffee? Der soll heute ganz besonders gut sein." Er lachte. "Den können wir nachher bei mir trinken. Ich verspreche Dir, mein Kaffee übertrifft den hier bei weitem." Marina zwinkerte ihm zu. "Das Angebot nehme ich doch gerne an."

Zwei Stunden später brachte er ihr ein voll beladenes Frühstückstablett ans Bett. "Du warst wundervoll", sagte er, und nahm die Blume aus der Vase, steckte sie ihr in das rot glänzende Haar. "Ach, sag so was doch nicht", meinte sie, und zog die Bettdecke verschämt bis zum Kinn hoch. "Glaube mir doch, mir hat es gefallen." Er nahm ihr Kinn sanft in seine Hand, und zog ihren Kopf nach oben, so dass sie ihm in die Augen sehen musste. Sie grinste etwas verlegen, öffnete den Mund, holte Luft, wollte etwas sagen. Doch bevor die Worte aus ihr heraussprudelten unterbrach er sie. "Es ist schön, dass ich Dein Erster bin." Er lächelte sie aufmunternd an. "Na gut", sagte sie wenig überzeugt, und erröte verlegen. "Nur eins versteh ich nicht: Wieso zur Hölle hast Du gesagt, dass Du mit diesem Kai…?" Martin verzog das Gesicht. "Ach", meinte Lena, "ihr hättet mir doch eh nicht geglaubt."

Er nickte stumm in sich hinein. "Wie auch immer." Martin klatschte in die Hände. "Jetzt stärken wir uns erst einmal für die zweite Runde."
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Artikel vom 6. Oktober 2002


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