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Feuer

Klein und zart. Nicht einmal Licht spende ich. So klein, fast unscheinbar, und doch immer tauche ich nur zu besonderen Gelegenheiten auf.

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Sehe das Strahlen ihrer Augen, wie glücklich sie sind, mich zu sehen. Manchmal, da hauchen sie mich etwas an, dann flackere ich, wiegte mich hin und her. Vor und zurück. Und dann spiele ich mit Licht und Schatten, male die schönsten Muster auf Wand, Decke und sehe ihre Gesichter in immer neuem Schein. Ich lasse sie groß erscheinen, dann wieder ganz klein. Verzerrt, lasse sie strahlen, verdunkele. Und dabei zischele und scheine ich vor mich hin. Spüre, wie aufgeregt ich doch selbst bin. Im Mittelpunkt, dann dezent im Hintergrund. Mir wird ganz hitzig. Ich schäume über vor Freude. Will immer heller, immer größer strahlen. Das Funkeln in ihren Augen, als sie mich ansehen, es lässt mich nicht mehr los. Ich funke vor Zufriedenheit vor mich hin, strecke meine heißen Wangen aus, schlage um mich. Immer größer, höher, weiter, ich wachse und wachse, räkele und strecke mich nach allen Seiten.

Hüpfe freudig auf den Tisch, schmecke den groben Leinen, breite mich aus, mache es mir gemütlich. Da, nun habe ich ganz zärtlich und ganz sanft ihr Haar gestreichelt. Wie sie zuckt vor Vergnügen, wie sie aufschreit vor Wonne, um dann gleich den Freudentanz zu beginnen. Immer lauter werden ihre Jubelrufe, sie dreht sich im Kreis, hüpft herum auf beiden Beinen, und dann aus dem Haus hinaus. Sie ist so angetan, überschwänglich, lässt sich von ihm kaum einholen. Immer wieder wendet sie sich ab, rennt davon.
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Im zweiten Stock, da bin ich schon, bald habe ich das Dach erreicht. Dann werden mich alle sehen und bewundern können. Wie ich strahle. Als leuchtender Stern auf dem Hügel am Rande der Stadt. Der trockene Feuerduft. Harzig wie Holz, frisch und rußig.
Da! Sie haben mich gesehen. Sie kommen an. Die enge Straße hinauf. Sie bewundern mich. Rote Autos, blaue Lichter. Mit Getöse kommen sie im Eiltempo angefahren, mich zu bewundern und zu grüßen. Ich werde sie gebührlich empfangen.

Und gleich reiße ich mir aus den Wänden die Rohre. Sauge tief in mich das Gas ein. Es knallt und explodiert. Wie ein Feuerwerk. Die Funken sprühen. Winken ihnen wieder freudig zu. Ich bin so glücklich. Kein kleines Lichtlein mehr, sondern groß und mächtig. Mein Schein leuchtet weit, bis hinunter in die Stadt. Überall gehen nun die Lichter in den Häusern an, immer mehr Leute laufen hinaus, beschauen mich von unterhalb des Hügels. Sie stehen da und bestaunen meine mächtigen Feuerarme.

Ich spucke wie ein Flammenwerfer, als die roten Wagen immer näher kommen. Strecke meine Zungen in den Nachthimmel hinein und erleuchte die Gegend um mich herum. Durch die gewaltige Macht betört, blende ich mich. Will immer mehr, immer weiter hinaus, immer höher, immer intensiver. Ich gerate in Wallung, in Ekstase. Und dieser Duft. Haus und Scheune stehen nun in Flammen, bin ganz wild, kann mich nicht mehr halten. Nicht eher gebe ich Ruhe, bis auch der letzte Fetzen Holz meinen hungrigen Bauch genährt hat.

Die Menschen draußen schreiben wie wild, spornen mich an. Doch langsam, ich spüre es. Da werde ich träge. Sie steigen von den Autos, laufen wild umher. Um mich herum alles in Blaulicht getaucht. Abschiedsvorstellung. Überfressen habe ich mich. Und im Innern des Hauses, auf dem kleinen Tisch da, wo ich als kleiner Lichtschein begonnen hatte, ist das Wachs bald in meiner eigenen Hitze verbrannt.

Weggeschmolzen. Mein Bauch wird schwer, ich werde träge, ziehe mich zurück. Jetzt ist es vorbei, das Schauspiel, liebe Leute. Ich kann nicht mehr. Müde ziehe ich mich langsam zurück. Die Flammen sterben langsam ab. Werden kleiner. Verzeiht mir!
Ich gähne erschöpft vor mich hin. Ein letztes Knacken, ein letztes Knistern. Dann lege ich mich zur Ruhe. Winke ihnen noch ein letztes Mal zu, hülle die Gegend in dichten Rauch, den der Wind fort bläst. Dann ist es still.

Die Männer aus den roten Wagen. Sie tun nichts mehr. Ich höre den Applaus nicht mehr. Bin sanft eingeschlafen.
rk
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Artikel vom 15. März 2002


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