Südsudan ist seit dem 9. Juli um 0:00 Uhr Ortszeit unabhängig und somit der 54. Staat Afrikas. Mit dem Läuten von Kirchenglocken und mit Trommeln begrüßten die Südsudanesen die Sezession vom Norden. Die Unabhängigkeitserklärung vom Sudan, zu der in einem Referendum im Januar 2011 von einer sehr großen Mehrheit der Grundstein gelegt worden war, wurde einige Stunden später in einer Zeremonie verlesen, an der außer UN-Generalsekretär Ban Ki-moon rund 30 Staatsoberhäupter, vor allem aus Afrika, teilnahmen. Unter ihnen war auch der sudanesische Staatspräsident Umar al-Baschir, dessen Land den nun unabhängigen Süden bereits am Freitag (8. Juli) anerkannte. Zu weiteren Staaten, die den 193. Staat der Erde bereits anerkannt haben, gehören Deutschland, Indien und die Vereinigten Staaten.
"Wir, die demokratisch gewählten Vertreter des Volkes erklären den Südsudan auf der Grundlage des Willens der Bevölkerung und des Ausgangs des Referendums zur Unabhängigkeit hiermit zu einer unabhängigen und souveränen Nation", hieß es in der Erklärung, die von Parlamentspräsident James Wani Igga verlesen wurde. Bei der Feierlichkeit wurde die sudanische Flagge eingeholt und die Flagge des Südsudan gehisst.
Im Norden, in Khartoum war die Reaktion gemischt. Manche unterstützen den Staatspräsidenten al-Baschir, manche empfinden die Sezession des Südens als "Schande", wie der Händler Bahar Abakar. Viele Mütter dürften die Sezession genauso pragmatisch sehen, wie Amina Mohammed, die froh darüber ist, dass ihre Söhne nicht in den Krieg ziehen müssen.
Viele Bewohner des neuen Staates hoffen, dass mit der Unabhängigkeit ein endgültiger Schlussstrich unter den 30-jährigen Bürgerkrieg gezogen wird, bei dem rund zwei Millionen Menschen getötet wurden. Der Bürgerkrieg war 2005 mit einem Waffenstillstand beendet worden. Der Grenzverlauf zuwischen Sudan und Südsudan beruht weitgehend auf der Grenzlinie von 1956. Strittig ist der Grenzverlauf allerdings im Westen bezüglich der Enklave um Kafia Kingi, einem Gebiet, das 1960 dem sudanischen Bundesstaat Dschanab Darfur angegliedert wurde, und in der Mitte des Grenzverlaufes mit dem ölreichen Abyei-Gebiet, wo ein gesondertes Referendum über die Zugehörigkeit entscheiden soll. Dieses Referendum im Abyei-Gebiet hat bislang jedoch wegen Meinungsunterschieden über den Kreis der Stimmberechtigten noch nicht stattgefunden.
In dem Gebiet kommt es vor allem zu Auseinandersetzungen zwischen Ackerbauern der überwiegend christlichen Ngok-Dinka und nomadischen Misseryia, die hier ihr Vieh weiden lassen. Und Khratoum will dieses Gebiet eigentlich nicht abgeben, weil in dieser Region Erdölvorkommen vermutet werden. Ende Mai und Anfang Juni kam es hier zu Kämpfen zwischen Truppen aus dem Norden und Angehörigen der Sudan People?s Liberation Army| (SPLA) aus dem Süden. Vermittlung durch Südafrika hat zu einer Entspannung der Situation geführt, vorerst. Der UN-Sicherheitsrat verabschiedete dazu die UN-Resolution 1990 (2011), mit der die Bildung einer vorübergehenden Sicherheitstruppe beschlossen wurde. Die United Nations Interim Security Force for Abyei (UNISFA) wird aus bis zu 4200 äthiopischen Soldaten gebildet, die sich zunächst als einzige Sicherheitstruppe in dem Gebiet aufhalten darf.
Unbekannt ist auch der Standpunkt der südsudanesischen Regierung zum Ilemi-Dreieck im äußersten Südosten des neuen Staates. Das Gebiet wurde bislang von Sudan, Kenia und Äthiopien beansprucht. Und auch innerhalb des neuen Staates herrschen Spannungen. Viele der kleineren Volksgruppen fühlen sich von den Dingka, die den größten Teil der rund acht Millionen Einwohner Südsudans stellen, zu stark dominiert und verlangen mehr Mitsprache. Daneben wirft die meist christliche oder animistische Bevölkerung dem Norden vor, islamistische Aufstände im Süden zu inszenieren. Dabei ist der neue Staat auch so mit einer Reihe von Problemen belastet. Die Müttersterblichkeit ist die höchste in Afrika, nur einem Drittel der Bevölkerung steht sauberes Trinkwasser zur Verfügung und nirgendwo sonst ist es um die Schulbildung so schlecht bestellt, wie in Südsudan, drei Viertel der Bevölkerung sind Analphabeten, neunzig Prozent haben weniger als einen US-Dollar am Tag zum Leben.
Cathy Groenendijk, die ein Heim für gefährdete Mädchen betreibt, hofft, dass sich die Regierung bewusst ist, dass der Verlust einer ganzen Generation drohe. "Eines der größten Probleme für alle Kinder ist, dass sie jede Menge Zeit haben. Sie haben nichts zu tun, so dass sie wütend werden", erklärte die Uganderin der Tageszeitung Los Angeles Times. Groenendijk befürchtet eine Zunahme der Kriminalität. Viele Eltern hätten nicht genügend Geld, um ihre Kinder zu ernähren und großzuziehen. Ihnen drohe sexueller Mißbrauch und Prostitution. In den Bordellen schaffen auch Frauen aus Uganda, Kenia, Äthiopien und aus den Kongostaaten an, offenbar strikt getrennt nach der Nationalität der Prostituierten. Die Regierung hat unlängst ein Rotlichtviertel niederreißen lassen. Beseitigt hat sie das Problem nicht, sondern nur um einige Straßen verlagert.
Eine der großen Herausforderungen des jungen Staates dürfte die Bekämpfung der Korruption sein. Der Herausgeber und Eigentümer der Tagezeitung "Citizen", Nhial Bol, wurde nach eigenen Angaben in den letzen Jahren dreimal verhaftet weil er Behördenvertreter wegen Bestechlichkeit und Misswirtschaft kritisierte. Er meint, dass die Personen, die das Land nun führen, auf diese Situation nicht vorbereitet seien. Diese Männer seien durch den Kampf gegen den Norden geeint gewesen, ihnen fehle jedoch die Vision für das Land. Die Situation sei gefährlich, man könne zu den früheren Rebellenchefs schlecht hingehen und fragen, wo das Geld geblieben sei.
"Diese Unabhängigkeit ist ein Neuanfang für den Südsudan. Die internationale Gemeinschaft hat eine Verantwortung für den neuen Staat", sagte UN-Generalsekretär Ban Ki-moon in einer Pressekonferenz. Und tatsächlich ist das Land von internationaler Hilfe abhängig. In dem neuen Staat, der ungefähr die Größe Frankreichs hat, gibt es nur wenige Kilometer asphaltierte Straßen, zumeist in der Hauptstadt Juba. Die Vereinigten Staaten finanzieren mit 225 Millionen US-Dollar eine Fernstraße von Juba zur Grenze nach Uganda. Hinzu kommen 300 Millionen US-Dollar US-amerikanische Entwicklungshilfe und weitere 150 Millionen US-Dollar in Form von Nahrungsmittellieferungen. Ban Ki-moon ist sich dieser Probleme bewusst. Er will eine Geberkonferenz der internationalen Staatengemeinschaft. Dabei könnte auch helfen, dass über Investitionen im Süden nun nicht mehr das wegen der Krise in Darfur latent drohende Damoklesschwert Wirtschaftssanktionen gegen Sudan schwebt.