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KOMMUNIKATION 14.1.2007

Aller Anfang ist Flirten

Beziehungen, Affären und die Liebe des Lebens. Das alles sind Dinge, die Jugendliche täglich beschäftigen. Selten wird beim Flirt in der Bar jedoch daran gedacht, dass es sich hierbei auch nur um die Beherrschung der Regeln der Kommunikation handelt und diese erlernbar sind. Entweder durch Übung im echten Leben, im Internet oder in einem Flirtkurs.
Ein Flirt kann eine gut laufende Kommunikation zweier Menschen sein, die sich erstmals begegnen
© STOCK.XCHNG
Ein Flirt kann eine gut laufende Kommunikation zweier Menschen sein, die sich erstmals begegnen
Es ist 17:50 Uhr und langsam füllt sich der hellgelb gestrichene Raum der Volkshochschule. Die Teilnehmer setzen sich an die im Halbkreis aufgestellten Tische. Sie lesen, schreiben SMS oder beäugen sich vorsichtig. Nur drei der neun Personen kennen sich bereits. Wenige Minuten später betritt Michael Germann, der Kursleiter, den Raum: "Mit welchen Erwartungen sind Sie heute Abend hier hergekommen?” Schon diese erste Frage macht manchen Teilnehmer verlegen. Die 19-jährige Susanne* grinst unruhig: "Ich wollte mir das einfach mal angucken”, sagt sie und signalisiert, weiter nichts zufügen zu wollen.

Weitere Aussagen wie: "Ich möchte taktvoll auf Frauen zugehen können” oder "Ich habe den Kurs von Freunden geschenkt bekommen, weil sie meinten, es sei nötig”, schließen sich an. Umgehend folgt die laut Germann wichtigste Regel: "Man ist, wie man ist”. Ziel des Kurses sei es nicht, sich zu verstellen. Mit Garantien für den Flirt seines Lebens solle man nicht rechnen. Die Teilnehmer folgen aufmerksam den Worten des Kursleiters, der sich zunächst mit der Anatomie beschäftigt.

Die große Liebe im "real life” finden

Im Internet wird man von Partnerbörsen erschlagen, die mit Werbung versuchen, neue Mitglieder anzulocken. "Hier ist alles möglich”, "Treffen Sie Ihren neuen Partner” oder "Attraktive Singles”. Jede Seite verspricht auf den ersten Blick den Partner fürs Leben oder die unwiderstehliche Affäre. Der 22-jährige Manuel* aus Augsburg ist bei einer dieser Flirt-Seiten angemeldet. Empfohlen bekam er diese Art der Kontaktaufnahme von Freunden.

Michael Germann gibt Flirt-Kurse um den Menschen die erste Kommunikation mit Fremden zu erleichtern
© MICHAEL GERMANN
Michael Germann gibt Flirt-Kurse um den Menschen die erste Kommunikation mit Fremden zu erleichtern
Manuel öffnet den Laptop und loggt sich ein: "Ich bin sehr kontaktfreudig. Wenn ich jemanden über eine Partnerbörse kennenlerne, mache ich mir aber keine allzu großen Hoffnungen. Ich bin immer noch Realist und hoffe so, einfach nette und interessante Leute kennen zu lernen. Aber die große Liebe werde ich weiterhin im 'real life' suchen”, sagt er und grinst. Besonders reizt es ihn Menschen kennen zu lernen, die er normalerweise nicht kennen lernen würde. Vor allem auch, da er "auch mal was riskieren kann, was man sich im echten Leben vielleicht nicht trauen würde”.

"Sie Arschloch!”

Laut dem Brockhaus ist ein Flirt eine "Liebelei” zwischen zwei Menschen. Laut Michael Germann ist ein erfolgreicher Flirt bereits eine gut laufende Kommunikation nach dem ersten Kontakt. "Die Sprache und die Regeln haben sich geändert, aber miteinander ins Bett wollten die Menschen schon im Mittelalter!” Als Germann erzählt wie man Frauen deutlich macht, dass "Rumzicken” sie nicht weiterbringt, wird es der 21-jährigen Mareike zu viel: "Sind sie eigentlich ein Arschloch? Ich hab noch nie so einen Vollidioten gesehen!”

Germann reagiert ruhig und verständnisvoll: "Ich kenne solche Reaktionen.” Er erklärt, dass Frauen oftmals nicht mit der Emanzipation klarkommen, da diese sie schlichtweg überfordere. Die oben angesprochene Risikobereitschaft ist auch im Flirtkurs eine Thema. Frauen sollten lernen, selbst zu erobern und die Männer nicht durch anfängliche Unnahbarkeit in die Rolle des Eroberers drängen. Germann fordert die Teilnehmerinnen auf, selbst auf Männer zuzugehen. Den männlichen Teilnehmern rät er "verschwiegen wie ein Grab” zu sein und Beziehungsdetails nicht an "Kumpels” weiterzugeben.

Bestätigung der Anziehungskraft

In dem Film "Kinsey” wird der US-amerikanische Sexualforscher Alfred Charles Kinsey porträtiert, welcher als erster Statistiken zum menschlichen Sexualverhalten erstellte. Professor Doktor Kurt Starke, deutscher Sexualforscher, befasst sich seit über 30 Jahren mit ähnlichen Themen und hat diesbezüglich auch das Thema Flirten näher beleuchtet. Er meint, dass Flirten eine erotische Kommunikation und zudem ein "Sich-Ausprobieren” ist, um sich die eigene Anziehungskraft bestätigen zu lassen.

Im Internet findet man sehr viele Partnerbörsen, die versuchen, neue Mitglieder anzulocken
© C6 MAGAZIN
Im Internet findet man sehr viele Partnerbörsen, die versuchen, neue Mitglieder anzulocken
Seine Studie zum Thema "Sex und Sinnlichkeit”, für die 2.259 Frauen befragt wurden, besagt, dass lediglich 13 Prozent der Frauen nicht gerne flirten. Das Flirten findet seinen Platz laut Starke "zwischen sachlichem Kontakt, freundschaftlich-netter Beziehung und festem Verhältnis”. Es kann somit der "Ausdruck einer Beziehungskultur” sein.

Aktfotos lenken ab

Auch im Internet ist diese Beziehungskultur stark vertreten: Die Suche nach dem Wort "Partnerbörse” im Internet landet mehr als 1,7 Millionen Treffer. Kein Wunder, dass man dort schnell den Überblick verliert, findet auch Manuel: "Die Personen, die man über solche Seiten findet, sind sehr unterschiedlich. Es gibt wohl wirklich eine Fraktion, die einen lieben Menschen sucht. Ich denke aber, dass das recht wenige sind. Dann gibt es halt viele, die einfach Kontakt suchen. Manche nutzen die Seiten auch einfach als Plattform, um auf sich aufmerksam zu machen.”

Unter Jugendlichen entsteht häufig ein Konkurrenzkampf, beispielsweise in der Schule. Wer hat die erste Beziehung, wer hat zuerst Sex? Der Druck, dass es unnormal sei, über einen längeren Zeitraum Single zu sein, entsteht durch die Gesellschaft. Auf Flirt-Seiten fällt dieser Druck weg: es geht um Spaß und um den Augenblick. Was Aktfotos oder Fotos in Unterwäsche angeht, so reagiert Manuel jedoch zweifelnd: "Da bin ich sehr zwiegespalten. Zum einen finde ich es recht mutig. Zum anderen frage ich mich allerdings, ob man so den wirklichen Menschen, also seinen Charakter, kennen lernen kann?”

Professor Starke hält Flirten für eine natürliche Sache: "Meist handelt es sich nur um ein vorübergehendes Spiel zu einer bestimmten Gelegenheit in Gesellschaft und lockerer Atmosphäre und ohne Folgen." Weiter sagt er: "Blicke, Worte, auch kleine Zärtlichkeiten werden ausgetauscht, aber so, dass man sich nichts vergibt und jederzeit zurück kann." Aufgeben möchte Manuel genau diese lockere Art, Kontakte zu knüpfen, nicht: "Noch nicht, aber vielleicht, wenn ich meiner großen Liebe begegne", sagt er lachend.

*) Namen von der Redaktion geändert
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Artikel vom 14. Januar 2007

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