Ein Tag an der Wall Street
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Lower Downtown, New York. Besser bekannt als Financial District. Mitten in der imposanten Skyline Manhattans befindet sich das bis 1860 noch höchste Gebäude der Stadt: die Trinity Church. Die aus roter Sandsteinfarbe erstrahlende Kirche steht am Ende einer 500 Meter langen, unscheinbaren Straße - der Wall Street. Hier befindet sich unter anderem die größte Börse der Welt mit einem durchschnittlichen Handelsvolumen von 45 Milliarden US-Dollar am Tag. |
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© KARSTEN J. KLEE |
Die New York Stock Exchange. Größte Wertpapierbörse der Welt und mitten im Herzen des Finanzdistrikts
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| | Matthew ist zehn Jahre alt und mit seinem Vater Jack in New York unterwegs. Sie kommen aus Philadelphia und machen einen Tagesausflug in den Big Apple um sich dort mit zwei Freunden aus Europa zu treffen. Der 35-jährige Jack verbrachte seine Kindheit hier, er weiß also wie aufregend dieser erste Besuch für seinen Sohn sein muss. Matthew steht staunend am Hafen des East River, von dem aus die Tour durch das Finanzdistrikt losgeht. "Die Brooklyn Bridge sieht noch viel schöner aus, als im Fernsehen!", sagt er strahlend.
Dieser Stadtteil von New York setzt sich aus kurvigen und sehr schmalen Straßen zusammen. Die Gebäude an den Rändern der Straßen brachten schon unzähligen Menschen Ruin oder Reichtum, Museen und Denkmäler erinnern an die ereignisreiche Vorgeschichte des Viertels. In seinem Herzen befindet sich die Wall Street, eine Straße, die tagsüber ohne den Touristenandrang wahrscheinlich kaum auffallen würde. "1653 errichteten die Niederländer einen hölzernen Wall zum Schutz gegen die Indianer und Briten - daher der Name Wall Street", erklärt Jack seinem Sohn. Dieser lässt sich jedoch mehr von dem gigantischen Gebäude der New York Stock Exchange beeindrucken. "Seht nur! Stars and Stripes aus Lichterketten!", ruft er aufgeregt. Tatsächlich ist an der Front der Börse die amerikanische Flagge zu sehen. Kleine Lichter sorgen für den Glanz im rechten Licht.
1792: Fünf Wertpapiere zum Handeln
Die New York Stock Exchange, auch NYSE genannt, ist die größte Wertpapierbörse der Welt. Etwa 2.800 Firmen sind dort gelistet, knapp 460 davon haben ihren Sitz außerhalb der Vereinigten Staaten von Amerika. Kursbrüche, die hier stattfinden, haben Auswirkungen auf die Wirtschaft in der ganzen Welt. Jack erklärt: "Der Grundstein für die Börse wurde 1792 durch 24 Broker, also Börsenmakler gelegt. Sie unterzeichneten das Buttondown-Abkommen und mit nur fünf Wertpapieren begann die Geschichte der Börse. Die erste so genannte 'Boom-Aktie' war übrigens eine Eisenbahnaktie, die 1830 gelistet wurde." Im Jahr 1835 zerstörte ein Großbrand Teile New Yorks, unter anderem auch die Wall Street. Es war von nun an üblich, bis zum Verbot im Jahr 1836 Aktien auf der Straße zu erwerben.
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© KARSTEN J. KLEE |
Die Wall Street in Manhattan, New York. Hier befinden sich sowohl die größte Wertpapierbörse, als auch das größte Goldreservat der Welt
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"Aber dann konnten die Aktien doch nur in New York gehandelt werden, oder?", merkt Matthew fragend an. Sein Vater nickt: "Erst ab 1844, nach Erfindung des Telegrafen, war ein Handel auch über die Grenzen der Stadt hinaus möglich. Darauf folgte dann allerdings auch schon bald der erste Börsencrash im Jahr 1857. Die Ohio Life Insurance & Trust Company brach zusammen. Das hatte Hysterie und nicht zuletzt Panikverkäufe zur Folge." Dieser Crash war jedoch kein Vergleich zu dem "Black Thursday" im Jahr 1929. Mit dem Ausdruck des "Schwarzen Donnerstag" bezeichnet man diesen größten Börsencrash aller Zeiten. Nachdem der Dow Jones Index, der älteste noch bestehende Aktienindex - zusammengesetzt aus den 30 größten US-Unternehmen - über mehrere Wochen hinweg fiel, brach am 24. Oktober 1929 um elf Uhr morgens Panik aus, ohne erkennbaren Grund. Die Kurse stürzten ins Bodenlose und viele Anleger, darunter auch Firmen, waren am Ende des Tages ruiniert sowie hoch verschuldet und mussten teilweise Bankrott anmelden.
Bulle, Bär und Gold an der Börse
"Der Bulle steht in der Börsensprache für den Optimismus, er ist quasi das Symbol für steigende Kurse", so Jack. "Der Bär hingegen steht für den Pessimismus. Pessimistische Menschen werden somit auch als Bären, optimistische als Bullen bezeichnet." Die Wall Street zeigt eine klar gewünschte Richtung: sie wird von einem bronzenen Bullen geziert. Neben der Stock Exchange gibt es an der Wall Street auch die Mercantile Exchange, die Warenbörse an der unter anderem Gold und Edelmetalle gehandelt werden.
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© KARSTEN J. KLEE |
Die Trinity Church am Ende der Wall Street. Auf dem Friedhof der Kirche liegt unter anderem der erste Finanzminister der USA begraben. Bis 1806 die Kirche das höchste Gebäude der Stadt
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Matthew zückt einen Dollarschein: "Stimmt es, dass mein Schein von hier kommt?" Jack grinst: "Ich weiß nicht, woher genau Dein Schein kommt, aber es stimmt schon, dass die Federal Reserve Bank viele Banknoten in Umlauf bringt. Aber in erster Linie ist sie für ihre Goldreserven bekannt, die von insgesamt 60 Nationen stammen. In 25 Meter Tiefe lagert hier mehr Gold als in Fort Knox, nämlich rund 550.000 Barren, umgerechnet rund 90 Milliarden Dollar." Vor dem schwer bewachten Tresor, in dem die fast 13 Kilogramm schweren Barren liegen, steht ein Zitat Goethes, natürlich auf Englisch. Auf Deutsch heißt es: "Gold ist unwiderstehlich".
Vereidigung des ersten Präsidenten
Im heutigen Museum of American Financial History, in dem man historische Wertpapiere und Finanzdokumente besichtigen kann, hatte der erste Finanzminister der USA sein Büro. 1784 gründete er die Bank of New York an der Wall Street. Nachdem er 1804 durch ein Duell starb, wurde er auf dem Friedhof der Trinity Church beigesetzt. "Aber auf diesem Boden liefen noch ganz andere Persönlichkeiten Amerikas", berichtet Jack. "George Washington, der erste Präsident der Vereinigten Staaten, legte hier 1789 seinen Amtseid ab. Genauer gesagt in der Federal Hall." Matthew steht vor der großen Statue des Präsidenten. "Das ist also der Mann, der mich immer von meinen 1-Dollar-Scheinen aus ansieht", sagt er und blickt erneut auf seinen Geldschein. Die Faszination ist ihm deutlich anzusehen.
Nach einigen Stunden, in denen nicht nur der Finanzdistrikt, sondern auch der nahe liegende Battery Park mit Ground Zero erkundet wurden, beginnt es zu dämmern. "Zeit nach Hause zu gehen - um diese Zeit sollte man sich nicht in dunklen Ecken New Yorks aufhalten, selbst wenn die Ecken um die Wall Street doch eher eine gehobene Gegend sind." Jack und Matthew verabschieden sich und machen sich auf den Heimweg. Für Matthew war dieser Tag etwas ganz Besonderes: "Ich durfte dort stehen, wo einst schon unser erster Präsident ging - das war ein tolles Erlebnis. Davon kann ich meinen Freunden erzählen und vielleicht kann ich bald ja noch mal nach New York und noch viel mehr sehen!" Es ist dunkel und auch die Touristengruppen verschwinden allmählich von der wirtschaftlich gesehen wohl wichtigsten Straße der Welt - auch die Börse und ihre Händler brauchen einmal Schlaf.
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