C6 MAGAZIN
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BEZIEHUNGEN 21.2.2006

Ja! Nein! Ich mein - Jein!

„Sie hat eine Affäre“, erzählt mir eine Freundin über eine gemeinsame Bekannte, „aber er weiß nichts davon“. „Waaas“, empöre ich mich, „wie kann sie ihm bloß so etwas antun? Ich dachte, bei denen sei alles in Ordnung?!“ Trotz meiner Empörung schießen mir tausend andere Gedanken durch den Kopf. „Was ist schon dabei? Wenn es ihr doch eigentlich nichts bedeutet? Wenn er es nicht erfährt? Was er nicht weiß, macht ihn nicht heiß.... Und wenn es das ist was sie jetzt braucht... Wenn sie jetzt zufriedener ist...“
Beziehungsfrust - wenn es mit dem Partner nicht mehr gut läuft flüchten sich viele Menschen in Affären anstatt die Beziehung zu beenden
© VINíCIUS SGARBE
Beziehungsfrust - wenn es mit dem Partner nicht mehr gut läuft flüchten sich viele Menschen in Affären anstatt die Beziehung zu beenden
Ist eine Affäre, diese so ominös klingende Beziehung neben einer festen Beziehung, eigentlich immer etwas Schlechtes, Negatives? Oder müssen wir uns einfach endlich von unseren Monogamie-Prinzipien verabschieden und anerkennen, dass der Mensch durchaus mehr als eine Person attraktiv, reizvoll, anziehend und begehrenswert findet und dass er sowohl geistige als auch sexuelle Befriedigung von mehr als einer Person bekommen kann – und das parallel? "...jene verborgenen, kaum geahnten Wünsche, die auch in die klarste und reinste Seele trübe und gefährliche Wirbel zu reißen vermögen..." (Arthur Schnitzler (1926), Traumnovelle)

Der Reiz des Unbekannten

"Weißt du, warum sie überhaupt was mit diesem anderen Typen angefangen hat?" frage ich meine Freundin. "Keine Ahnung", meint sie, "ich glaube, sie war in letzter Zeit irgendwie von ihrer Beziehung gelangweilt, sie liebt ihn zwar noch, aber er gibt ihr nicht das Gefühl, dass er sie immer noch begehrt, und dann gibt es da auch noch so ein paar Dinge, die ihr an ihm fehlen...." Ich denke an Schnitzlers Traumnovelle. Das muss es wohl sein, warum man eine Affäre beginnt. Der Reiz des Neuen, Anderen, Unbekannten. Einerseits die Herausforderung der Eroberung und andererseits die Bestätigung, dieses Gefühl, gewollt und begehrt zu werden. "Sie meint aber, dass sei nichts Ernstes..."

Natürlich passiert es auch immer wieder, dass Menschen in der Affäre den Menschen finden, den sie lieben und wegen dem sie ihre alte Beziehung aufgeben. Eine Affäre kann aber auch nur eine nettes "Zwischendurch" sein, etwas, das einem den Kick gibt, den man ab und zu braucht. Wenn man ihn einmal bekommen hat, stellt man häufig fest, dass das eigentlich wirklich nichts Ernstes ist, nichts was einen emotional stark mitnimmt. Man hat vielleicht kurzzeitig den Kopf verloren, war vielleicht ein bisschen verknallt oder hatte einfach nur guten Sex – aber eben nicht mehr. Manchmal merkt man auch gerade dann erst, was einem die feste Beziehung eigentlich bedeutet, welchen Wert ihre "Konstanz" haben kann.

Aber...

Soweit die positive Seite. Gleichzeitig muss man sich aber auch fragen, ob man an den Partner nicht zu hohe Maßstäbe ansetzt, ob es den "perfekten" Partner – nett, intelligent, gut aussehend, sportlich, einfühlsam, charakterstark et cetera - wirklich gibt – oder ob man einem Ideal hinterher jagt, was es so höchstwahrscheinlich nicht gibt und was einen auf Dauer nur unglücklich macht, weil man nie mit dem zufrieden ist, was man hat. Außerdem ist und bleibt es dabei: Fremdgehen bedeutet auch immer ein bisschen Verrat am Vertrauen und an der Liebe des Partners, weil man mit einer anderen Person eine Intimität teilt, von der der Partner glaubt, sie sei nur ihm vorbehalten.

Und es ist nicht nur der Partner, dem man mit einer Affäre unglaublich weh tun kann: wenn es in der Affäre um mehr als nur Sex geht, wenn es zu der Person eine emotionale Bindung gibt, dann kann man auch diesem Menschen mit dieser Beziehung, die nichts halbes und nichts ganzes ist, sehr weh tun. Wer also eine Affäre eingeht, der sollte das bewusst tun, sich darüber im Klaren sein, warum er das tut, und er sollte sie bewusst leben, sprich: sie auskosten und die Notbremse ziehen, bevor es für ein "zurück" zu spät ist.
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Artikel vom 21. Februar 2006

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