C6 MAGAZIN
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BEZIEHUNGEN 21.2.2006

Moderne Wahlverwandtschaften – Die Patchwork-Familie

„Ich glaube, das musst du mir mal aufmalen...“ Es gibt Menschen, die müssen ihre Familiensituation auf Papier aufzeichnen, damit man als Außenstehender überhaupt versteht, wer hier mit wem mal verheiratet war und jetzt verheiratet ist, wer wessen Kind und damit Bruder oder Schwester des einen, aber nicht des anderen ist und wer in überhaupt keinem verwandtschaftlichen Verhältnis steht. Was früher nach grausamen Grimm-Märchen klingende Stiefmütter, -väter und -geschwister waren, sind jetzt eine so genannte „Patchwork-Familie“, also ein lustiger, bunter Flickenteppich. Soweit die Theorie.
Die moderne Famile - oftmals wird diese zusammengepuzzelt, für alle Beteiligten eine große Umstellung
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Die moderne Famile - oftmals wird diese zusammengepuzzelt, für alle Beteiligten eine große Umstellung
Klar ist: fast jede siebte Familie ist heute eine Patchworkfamilie. Die "typische" Kleinfamilie, Mama, Papa, Kind – das ist Schnee von gestern. Bei einer Scheidungsrate von etwa 55 Prozent kein Wunder. Und deshalb sind es immer mehr Familien, in denen Kinder aus früheren Beziehungen der Mutter oder des Vaters (oder beiden) leben oder an Wochenenden zu Besuch kommen. Oft gehören auch noch gemeinsame Kinder aus der neuen Beziehung zu diesem "Flickenteppich". Entstehungsgeschichte, Zusammensetzung und Familienleben sind in jeder Patchwork-Familie anders. Nicht jedes Trennungs- oder Scheidungskind leidet unter seiner familiären Situation. Vielen geht es in der neuen Familie wesentlich besser, als mit der Beziehung der leiblichen Eltern. Trotzdem kann es immer wieder zu Konflikten kommen.

Eine Mama, zwei Papas, drei paar Großeltern...

"Im Kindergarten haben mich alle Kinder immer mit großen Augen angeschaut, wenn ich gesagt habe, dass ich drei Omas und drei Opas habe", erzählt Friederike. Weil sich ihre Eltern getrennt haben, als sie noch sehr klein war und ihre Mutter bald darauf einen neuen Partner fand, ist Friederike ganz selbstverständlich mit zwei Vätern und drei Großelternpaaren aufgewachsen. Kleinen Kindern fällt es verhältnismäßig leichter, sich an die neue familiäre Situation zu gewöhnen, und auch "neue" Elternteile haben bei kleinen Kindern bessere Chancen, für das Kind zu einer wichtigen Bezugsperson zu werden. Jugendliche mögen zwar oftmals besser verstehen, warum sich die Eltern getrennt haben, gleichzeitig fällt es ihnen häufig schwerer, mit dem neuen Partner klarzukommen.

Wen mag die Mutter mehr? Gerade wenn in Patchwork-Familien Kinder geboren werden, gibt es oft Konflikte mit den älteren Geschwistern
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Wen mag die Mutter mehr? Gerade wenn in Patchwork-Familien Kinder geboren werden, gibt es oft Konflikte mit den älteren Geschwistern
Eltern haben es nicht immer leicht, wenn sie ihre Kinder erziehen wollen. Wenn ihre Kinder dann noch dazu gar nicht "ihre" sind, sondern biologisch gesehen nur die des Partners, haben sie oft eine noch schwierigere Position. Insbesondere dann, wenn "angeheiratete" Eltern den Kindern des Partners unangenehme Vorschriften machen wollen, wehren sich diese gegen diese in ihren Augen "illegitime" Autorität. Deshalb ist es in vielen Fällen auch besser, wenn der neue Partner nicht versucht, den Vater oder die Mutter zu ersetzen, sondern versucht, in einer Freundschaft den Respekt des Kindes zu erreichen.

"Dann geh doch zu deinem Vater!"

Von den Kindern getrennt lebende Elternteile, in den meisten Fällen Väter, neigen häufig dazu, ihre zu Besuch kommenden Kinder zu verhätscheln. Weil man sich nur so selten sieht, wird dem Kind die ungeteilte Aufmerksamkeit zuteil. Es werden Dinge zusammen unternommen, kleine Geschenke gekauft et cetera. Diese "Wochenendmama" oder dieser "Wochenendpapa" sind in den Augen des Kindes oftmals natürlich viel "lieber" - verständnisvoller, nachgiebiger, großzügiger – als die Eltern, mit denen es den Alltag lebt. "Bei Papa darf ich das aber", "Mama nimmt sich viel mehr Zeit für mich", das sind Sätze, die Eltern auf die Palme bringen können.

Mutter, Vater, Kind - schon lange gibt es neben dieser "üblichen" Konstellation auch viele andere Auslegungen der "Familie"
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Mutter, Vater, Kind - schon lange gibt es neben dieser "üblichen" Konstellation auch viele andere Auslegungen der "Familie"
Weil der Alltag natürlich Alltag ist, mit all seinen Höhen und Tiefen viel schwieriger zu bewältigen, als ein Wochenende. In solchen Situation passiert es dann auch häufig, dass Eltern gegenüber dem Kind über den Ex-Partner herziehen, längst begrabene Streitigkeiten wieder ausgraben. "Das war immer besonders schwer, wenn ich vom Wochenende bei meinem Papa nach hause kam," seufzt Elisa. "Ich war dann meistens total euphorisch, hatte ein paar tolle Tage verbracht, hätte am liebsten die ganze Zeit davon erzählt. Aber meinen Eltern, die nicht gerade gut auf ihn zu sprechen waren, war das eher lästig. Ich bin dann immer erst mal für ein paar Stunden allein in mein Zimmer gegangen. Das hat sonst eh nur zu Streit geführt und es wurden immer wieder die gleichen Geschichten ausgegraben. Wer was falsch gemacht hat, wer sich damals wie viel um mich gekümmert hat..."

Besonders dann, wenn Eltern ihren Ärger über den ehemaligen Partner am Kind auslassen, bringen sie es in einen "Loyalitätskonflikt", weil das Kind beide Elternteile liebt und nicht weiß, wie es mit diesen Schuldzuweisungen umgehen soll, ist es doch schon schwer genug, mit einem "Ersatzpapa" oder einer "Ersatzmama" zu leben. "Gerade an Weihnachten war das immer blöd," erzählt Felix, "Wenn ich mit meinem Papa und seiner Familie in den Skiurlaub gefahren bin, hatte ich immer das Gefühl, irgendwie meine Mama und meine 'andere' Familie zu 'verraten', und wenn ich dann im nächsten Jahr Weihnachten mit ihnen gefeiert habe, war mein Papa traurig. Dieses ständige sich Hin-und Hergerissenfühlen kann auf die Dauer schon sehr anstrengend sein!"

"Na, ihr seht euch überhaupt nicht ähnlich!"

Klar, dass Kinder, die nur ein Elternteil gemeinsam haben, sich nicht unbedingt ähnlich sehen müssen. Aber das heißt noch lange nicht, dass "Halbgeschwister" sich nicht als "ganze" Geschwister fühlen können. "Meine 'Halb'-schwester? Ganzer geht’s nicht – wir verstehen uns super!" meint Elisa und fügt nach einer kurzen Pause hinzu: "Aber das war nicht immer so – als sie geboren wurde, habe ich sie gehasst.". Gerade in Patchwork-Familien ist das Verhältnis zwischen den Kindern eine komplizierte Angelegenheit. Wenn beide Partner Kinder aus früheren Beziehungen mitbringen, müssen diese nicht nur den neuen "Papa" oder die neue "Mama", sondern auch eine "Schwester" oder einen "Bruder" akzeptieren, mit denen sie plötzlich alles teilen sollen. Plötzlich ist man nicht mehr Einzelkind, ein "Konkurrent" ist da. Besonders schwierig ist es für viele Kinder, wenn das neue Paar ein gemeinsames Kind bekommt, denn natürlich ist die Beziehung zum eigenen Kind meist enger als zu dem des Partners. Damit sich kein Kind weniger geliebt oder benachteiligt fühlt, erfordert diese Situation von beiden Elternteilen besonders viel Fingerspitzengefühl.

"Die Schwester meiner Schwester..."

"Wir müssen immer wieder lachen, wenn wir daran denken, wie meine eine Halbschwester die andere im Kindergarten gegen einen größeren Jungen mit den Worten 'lass die Schwester meiner Schwester in Ruhe' verteidigt und das arme Kind völlig verwirrt hat, " erzählt Elisa schmunzelnd. "Stiefmutter? Ein schreckliches Wort!" meint Friederike, "Sonja und ich haben uns scherzhaft darauf geeinigt, dass sie meine 'gestiftete Mutter' ist." Trotz aller Probleme sind Patchwork-Familien manchmal eben doch, was ihr Name suggeriert – lustig!
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Artikel vom 21. Februar 2006

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