C6 MAGAZIN
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BERUFE 27.10.2005

Der Konzerte organisierende Kriminalkommissar

Jürgen A. ist einer von vielen Polizisten in Nordrhein-Westfalen. Im Sauerland ist der 41-Jährige zusammen mit seinen Kollegen für den gesamten Märkischen Kreis zuständig - rund 450.000 Einwohner auf 16 Städte verteilt. Bereits mit 25 Jahren begann er die Arbeit bei der Polizei, inzwischen ist der gelernte Kaufmann zum Kriminalkommissar im gehobenen Dienst aufgestiegen. In diesem Interview verrät er ein paar Einzelheiten - nicht nur über seinen Beruf...
Jürgen A. in seiner Freizeit. Der Kriminalkommissar hat seinen Traumberuf gefunden - auch wenn er oft mit schlimmen Dingen zu tun hat
© JüRGEN A.
Jürgen A. in seiner Freizeit. Der Kriminalkommissar hat seinen Traumberuf gefunden - auch wenn er oft mit schlimmen Dingen zu tun hat
C6 MAGAZIN: War Kriminalkommissar immer dein Ziel?
Jürgen A.: Wie jeder Junge wollte ich als Kind entweder Polizist oder Lockführer werden. Dann habe ich jedoch erst einen anderen Job gemacht, ich habe eine kaufmännische Ausbildung absolviert. Lockführer fand ich dann auch nicht mehr sonderlich prickelnd und Polizei hat mich nach wie vor noch interessiert. Kriminalkommissar hat sich erst im Laufe der Zeit so ergeben. Der Polizeiberuf ist so vielschichtig und interessant und es gibt die verschiedensten Arbeitsmöglichkeiten und Dienststellen. Im Laufe der Zeit schaut man dann, welcher Aufgabenbereich der Polizei am Besten zu einem passt. Über den Wach- und Wechseldienst, so heißt Streife fahren offiziell, bin ich zur Leitstelle, also der Notrufzentrale gekommen. Hier habe ich gut sechs Jahre gearbeitet, bis ich mich dann für einen Wechsel zur Kripo entschieden habe.

C6 MAGAZIN: Würdest du erneut so entscheiden?
Jürgen A.: Wenn ich mich beruflich noch einmal entscheiden müsste, würde ich es wieder tun - nicht zuletzt, da alles noch interessanter geworden ist, als ich es zu Beginn gedacht habe. Es ist mein absoluter Traumberuf! Außerdem denke ich, dass der Beruf auch ein Teil Berufung ist. Er bedeutet den Abschied vom Gewohnten, den Abschied von freien Wochenenden und auch der Verabschiedung von Freunden und der Clique und der Teilhabe am so genannten ”gesellschaftlichen Leben” - zum Teil auch von der Familie. Der Beruf des Polizisten kann Dir im Gegenzug aber auch sehr viel geben. Freundschaft bis zum Letzten, Kameradschaft bis an die menschlichen Grenzen, zu glauben, dass Du auf der richtigen Seite stehst und letztendlich auch eine finanzielle Absicherung.

Polizeiauto - Jürgen A. fährt als Kriminalkommissar nur noch selten Streife. Auch trägt er im Dienst keine Uniform mehr
© STOCK.XCHNG
Polizeiauto - Jürgen A. fährt als Kriminalkommissar nur noch selten Streife. Auch trägt er im Dienst keine Uniform mehr
C6 MAGAZIN: Was sind die Voraussetzungen für die Ausübung des Polizeiberufs? Gibt es viele Frauen, die zur Polizei wollen?
Jürgen A.: Die Voraussetzungen sind je nach Bundesland unterschiedlich. In einigen Bundesländern reicht ein Hauptschulabschluss mit einer abgeschlossenen Berufsausbildung, in anderen muss es die Mittlere Reife sein und bei uns in NRW mindestens Abi oder Fachabi. Wer sich für den Polizeiberuf interessiert, sollte einfach mal im Internet unter seinem Bundesland unter Einstellungsberater Polizei googlen. Soweit ich das jetzt mitbekommen habe, liegt der Ausbildungsanteil der zum 01.09.05 neu eingestellten Kolleginnen in NRW bei 48 Prozent. Auf den Wachen schätze ich den Frauenanteil mittlerweile auf gut 30 Prozent und in den Kommissariaten auf etwa 20 Prozent.

C6 MAGAZIN: Wie viele Leichen hast du durch deinen Beruf schon gesehen und wie hast du diesen Anblick in deiner Anfangszeit verarbeitet?
Jürgen A.: Zu meinem Aufgabenbereich bei der Kripo gehören unter anderem die Todesermittlungen. Wenn ich die Verkehrstoten und ”Sonstigen” aus meiner Wach- und Wechseldienstzeit dann auch noch mitzähle, komme ich bestimmt auf weit über 150 Tote. Aber genau kann ich das wirklich nicht mehr sagen. Wenn man sich jedoch für den Polizeiberuf entscheidet, sollte man wissen, dass auch solche unangenehmen und teilweise belastenden Erfahrungen auf einen zukommen. Ich denke, es ist nicht entscheidend, ob es die Anfangszeit oder die schon fortgeschrittene Dienstzeit ist. Jeder Tote ist ein Mensch und jeder Fall ist anders. Es kommt immer auf die Umstände und für mich persönlich auch oft auf das Alter und die Situation an. Tote Kinder oder Babys sind belastender als beispielsweise ein älterer Mensch, der freiwillig aus dem Leben geschieden ist.

C6 MAGAZIN: Lässt Dich dein Beruf am Verstand der Menschen zweifeln?
Jürgen A.: Nein, ich zweifele dann schon eher daran, wie es sein kann, dass einige Menschen viel Zeit aufbringen um ihren Verstand in kriminelle Energie umzuwandeln. Ich meine damit niemanden, der sich mal einen Joint raucht. Vielmehr diejenigen die andere bestehlen und betrügen, vergewaltigen, Kinder missbrauchen, dealen oder einfach ein anderes Leben auslöschen.

C6 MAGAZIN: Welche Fällen bearbeitest du hauptsächlich?
Jürgen A.: Meine Dienststelle nennt sich Kriminaldauerdienst (KDD). Wir bearbeiten ausschließlich Fälle der so genannten ”gehobenen Kriminalität” außer der ”organisierten Kriminalität”. Mit meinen Kolleginnen und Kollegen bin ich zuständig für die Bereiche Todesermittlungen, Brandermittlungen, Prostitution und Menschenhandel, Raub auf Geldinstitute etc. und Drogenhandel.

C6 MAGAZIN: Wie ist das Verhältnis zu Kollegen?
Jürgen A.: Sehr gut! Anders, als mehr als gut miteinander klarzukommen, könnte unser Dienst auch nicht funktionieren. Wir sind täglich den unterschiedlichsten physischen und psychischen Belastungen ausgesetzt. Ich verbringe mehr Zeit mit meinen Kolleginnen und Kollegen als mit meiner Familie oder meinen Freunden. Überstunden sind nicht die Ausnahme, sondern die Regel. Wenn man so eng aufeinander hängt und auch Freud und Leid miteinander teilt, redet man natürlich über alles Dienstliche und die Belastungen, aber auch über privates und zum Teil auch über sehr Intimes. Ich denke, dass wir uns untereinander besser kennen, als es unsere jeweiligen Partner zu Hause tun.

C6 MAGAZIN: Denken andere von dir, dass du durch die Uniform überheblich wirst?
Jürgen A.: Da habe ich mir bisher eigentlich keine Gedanken drüber gemacht. Es mag schon sein, dass eine Uniform mit einem entsprechenden Auftreten überheblich bis arrogant wirkt. Das kommt aber auch immer auf den Kollegen an, der in dieser Uniform steckt. Überheblichkeit ist ja eine generelle menschliche Schwäche und zeugt meistens von Unsicherheit. Es muss aber nicht zwingend an der Uniform liegen.

C6 MAGAZIN: Hast du als Kind schon mit Waffen gespielt?
Jürgen A.: Ja habe ich! Ich habe als Kind schon Räuber und Gendarm gespielt - wobei ich nicht mehr genau weiß, ob ich öfter Räuber oder Gendarm war. Ich bin auch schon als sechsjähriger mit meinen Freunden durch die Wälder gezogen und habe mit Pfeil und Bogen auf jeden zweiten Baum geschossen. Etwas später habe ich dann meinem Opa das Luftgewehr ”geklaut” und ich habe mit meinem damaligen Kumpel Zigarettenschachteln kleingeschossen.

C6 MAGAZIN: Gibt es für dich die ”Faszination Waffe”?
Jürgen A.: Den Begriff ”Faszination Waffe” setze ich gleich mit dem Begriff ”Waffennarr” Nein, das gibt es für mich nicht. Und ich glaube, da spreche ich auch für 99,9 Prozent meiner Kollegen. Meine Dienstwaffe ist mein notwendiges Handwerkszeug, so wie es die Kelle für den Maurer ist. Wichtig ist, sein Handwerkszeug zu kennen und zu beherrschen um im Falle eines Falles auch richtig und angemessen reagieren zu können. Nicht schießen kommt vor schießen und auch dieses muss gelernt sein. Ich trainiere regelmäßig mit meiner Waffe, kenne ihre Auswirkungen und die Handhabung und hoffe, sie nicht einsetzen zu müssen.

C6 MAGAZIN: Du hattest also nie das Gefühl von Macht, wenn du mit der Waffe unterwegs warst?
Jürgen A.: Wenn mir einmal eine Waffe ein Gefühl von Macht vermitteln sollte, dann kann es nur am eigenen, verlorenen Ego liegen und ähnlich wie bei manchen PS-Bouilloten nur als ”Partnerersatz” dienen. Nein, meine Waffe gibt mir und den Menschen für die ich bei meinem Einschreiten verantwortlich bin, das erforderliche Maß an Sicherheit.

C6 MAGAZIN: Hast du schon mal auf einen Menschen geschossen?
Jürgen A.: Das ist die sensibelste Frage, die man einem Polizisten stellen kann. Die Frage ist ja schnell gestellt aber noch lange nicht so schnell beantwortet. Ein Schusswaffengebrauch gegen Personen ist ja die ultimo Ratio. Notwendig bei einer gegenwärtigen Gefahr für Leib oder Leben von Unbeteiligten, wie zum Beispiel Geiseln, oder einem Angriff auf das eigene Leben. Zu einer Schussabgabe gehören immer zwei. Der Eine, der schießt und der Andere, der schwer verletzt oder sogar getötet wird. Am Ende bleiben immer zwei Opfer. Zum einen der Täter, der sein Leben ”notwendigerweise” verloren hat und zum anderen der Kollege, der für den Rest seines Lebens damit klar kommen muss, einen Menschen getötet zu haben. Wer in seinem Bekannten- oder Freundeskreis Polizisten hat, sollte diese Frage bitte nicht stellen.

C6 MAGAZIN: Gibt es ausreichend Nachwuchs für die Polizei in Deutschland?
Jürgen A.: Da kann ich leider nur wieder für Nordrhein-Westfalen sprechen. Von knapp 8.700 Bewerbungen, mit bei uns erforderlichem Abi, wurden in diesem Jahr, zum 01.09.05, lediglich 448 Bewerberinnen oder Bewerber eingestellt. Das ist meines Erachtens nach sicherlich zu wenig und ich würde mir hier noch einiges mehr an Einstellungen wünschen. Ich denke, je nach Größe des Bundeslandes, dürften 1.000 bis 4.000 Neueinstellungen pro Jahr realistisch sein, um den polizeilichen Herausforderungen der nächsten Jahre gerecht zu werden. Aber darauf habe ich leider keinen Einfluss!

C6 MAGAZIN: Nebenberuflich organisierst du Konzerte - wie und wann bist du dazu gekommen?
Jürgen A.: Die Firma heißt Badland-Concerts. Ich bin dort als ”Geschäftsführender Gesellschafter” tätig und kümmere mich um den Veranstaltungsablauf und das Band-Booking. Wir sind bereits im Jahr 1998 mit einem Konzert gestartet und haben ab 2002 jährlich das Höhlenrock-Festival in der größten Kulturhöhle Europas veranstaltet. Darüber hinaus haben wir weitere Veranstaltungen wie zum Beispiel ein Reggae Open Air, die Plettenberger-Rocknacht oder auch Volksmusikveranstaltungen durchgeführt. Für 2006 planen wir bereits auf Hochtouren ein neues Festival. Es wird ein Open Air mit ziemlich bekannten Rockgrößen aus Deutschland und Europa werden.

C6 MAGAZIN: Welche berühmten Bands konntest du schon an Land ziehen?
Jürgen A.: Na ja, berühmt ist immer eine Frage des Geschmacks, der Chartplatzierung und der eigenen musikalischen Vorlieben. Aber wir haben bei uns schon so einige richtige ” Kracher ” auf die Bühne bekommen! Vor allem auf die ” Königin des Rock ”, Doro Pesch, bin ich richtig stolz. Unter anderem waren diese Künstler bei unseren Festivalauftritten: J.B.O., AXXIS, Subway to Sally, Schandmaul, Fiddlers Green und Extrabreit.

C6 MAGAZIN: Vielen Dank für das Interview!
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Artikel vom 27. Oktober 2005

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