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ZWANGSHEIRAT 26.11.2006

Angst vor dem Altar

Die Ehe wird erst beschlossen, dann geschlossen, in beiden Fällen von der Familie. Die Verheirateten haben kein Wort mitzureden. Nach ihren Gefühlen fragt niemand. Es geht um Ehre, um Tradition, um Geld. Allein in Deutschland werden laut Terre des Femmes jährlich 30.000 Zwangsehen geschlossen.
Schätzungen der Organisation "terre des femmes" werden in Deutschland jährlich 30.000 Frauen zwangsverheiratet.
© JULIANE KAELBERLAH
Schätzungen der Organisation "terre des femmes" werden in Deutschland jährlich 30.000 Frauen zwangsverheiratet.
Zwei Menschen heiraten aus Liebe zueinander. Normalerweise sollte es immer so sein. Dagegen steht die nackte Statistik: Millionen junge Menschen werden jährlich zwangsverheiratet – rund um den Globus, Männer wie Frauen.

Fakt ist, dass vor allem in islamischen Gruppen der Zwang zur Ehe legitimiert wird. Trotzdem: Den "schwarzen Peter" Zwangsheirat nur einem bestimmten Kulturkreis zuzuschieben, wäre verfahren. Doch eine andere Lebensweise oder Religion zu tolerieren, bedeutet nicht, blind gegenüber ihren Ungerechtigkeiten zu sein. Aufzuklären, verkrustete Traditionen aufzuweichen und Mädchen und Frauen vor der Entscheidungshoheit ihrer Männer zu schützen – es wird höchste Zeit.

Aus einer Zwangsehe zu fliehen bedeutet für viele Frauen, von ihren Familien verstoßen zu werden – im mildesten Fall. Andere werden im Namen der Ehre umgebracht. Zwar steht Zwangsheirat in Deutschland bereits als "Nötigung zur Ehe" unter Strafe. Doch Ehremorde wie an der 23-jährigen Deutschtürkin Hatun Sürücü im vergangenen Jahr zeigen, dass im Verborgenen noch vieles schmort, was die Justiz weder aufspürt, noch verurteilen kann. Trauen sich Opfer, ihr Schweigen zu brechen, leben sie nach einem Prozess in ständiger Angst vor der Rache ihrer Verwandten. Mit ihrer Unterschrift auf der Scheidungsurkunde verschwinden die Probleme nicht – es werden nur andere.

Die bekannte türkischstämmige Anwältin Seyran Ates hat deshalb in diesem Sommer ihre Arbeit aufgegeben. Aus Angst. Sie betreute Mädchen und junge Frauen, die mit Gewalt zwangsverheiratet werden sollten. Immer wieder wurde die Frauenrechtlerin von den Ex-Männern und Familien ihrer Mandantinnen beschimpft und angegriffen. Im kommenden Jahr will sie trotzdem weiter als Anwältin arbeiten, weil ihre deutschen Kollegen ihr Unterstützung zugesagt haben.

Zwangsheirat öffentlich anzuprangern ist nur ein kleiner Schritt in die richtige Richtung. Die Gesellschaft für dieses Problem zu sensibilisieren, das Mindeste. Zwangsheirat härter zu bestrafen, um Frauen vor einer Ehe ohne Liebe und voller Angst zu schützen, das Wichtigste.
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Artikel vom 26. November 2006

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