C6 MAGAZIN
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MOBBING 10.2.2006

Geschrei und Beleidigungen

„Hast du zugenommen?“ - „Kopier mir doch mal eben diese 30 Seiten hier. Kopieren ist doch eh das einzige, was du hier richtig machst.“ - „Du hast mal wieder alles falsch gemacht!“ - „Stell dich nicht so an und mach jetzt mal schneller!“ - „Du bist ne Schlampe und nervst mich!“
Ausgrenzung: diese Form des Mobbing erleben viele Menschen
© INITIATIVE "MEHR VOM TAG-MEHR VOM LEBEN"
Ausgrenzung: diese Form des Mobbing erleben viele Menschen
Die Sprüche werden von Tag zu Tag schlimmer, Kollegen oder Ausbilder sind dauerhaft unfreundlich und es hört einfach nicht auf. Wenn solche Attacken regelmäßig (etwa einmal in der Woche) und lange andauern (ein halbes Jahr) spricht man von Mobbing. Auch stehen sich beim Mobbing nie gleichstarke Parteien gegenüber, es gibt immer eine Gruppe und eine schwache, einzelne Person. Mobbing kommt von dem Wort "to mob", was so viel wie anpöbeln, attackieren aber auch über jemanden herfallen heißt. Unter Schülern wird Mobbing als Bullying bezeichnet. In Deutschland werden etwa 1,5 Millionen Berufstätige gemobbt. Der auf Mobbing zurückgeführte Produktionsausfall liegt bei etwa 12,5 Milliarden Euro jährlich. 20% der Selbstmörder sind Mobbingopfer. Man nimmt an, dass über die Hälfte der Mobber Männer und etwa 70 bis 80 % der Opfer Frauen sind.

Mobbing ist ein sehr ernst zu nehmendes Problem mit vielen verschiedenen Gesichtern. Die Betroffenen wissen leider oft selbst nicht, was mit ihnen geschieht und erkennen das Verhalten ihrer Kollegen nicht als Mobbing. Opfer werden von ihren Kollegen ausgeschlossen, sie werden wie Luft behandelt, hinter ihrem Rücken wird schlecht über sie geredet, Auch müssen Gemobbte Aufgaben erfüllen, die unter ihren Qualifikationen liegen, schlimmer noch – sie haben Aufgaben zu erfüllen, die für den Müllkorb bestimmt sind. Die Opfer werden verbal angegriffen, ihnen wird gedroht, es werden wichtige Informationen vorenthalten oder verfälscht und sie werden beim Vorgesetzten schlecht gemacht. Die Täter hindern ihr Mobbingopfer an ihrer Arbeitsdurchführung oder führen absichtlich kleine Unfälle herbei. Von zerstochenen Autoreifen, Drohbriefen bis hin zur körperlichen Gewalt und sexuellen Belästigungen setzten abgebrühte Kollegen alles ein um einen "der ihren" zu schikanieren.

Steckt der Chef mit drin?

In etwa der Hälfte der Fälle sind solche Vorgänge abgesprochene Sache mit dem Chef. Gründe für diese miese Tour sind folgende: Das Ausgrenzen anderer stärkt das "Wir-Gefühl" der Gruppe. Auch wird Mobbing als Spaß und Zeitvertreib angesehen. Es herrschen massive Probleme im Betrieb, wie z.B. chronischer Personalmangel, hoher Leistungsdruck, starre Hierarchien, unsinnige Bürokratie oder ein Stellenabbau steht bevor. Mobbing wird häufig als Rationalisierungsmittel eingesetzt, der starke Druck soll den Gemobbten zur Eigenkündigung führen. Mobbing ist oft Folge eines unprofessionellen Führungsstils. Die Vorgesetzten sind nicht zu erklärenden Gesprächen bereit oder fähig. Dadurch werden "normale" Konflikte im Kollegenkreis nicht gelöst und eskalieren beispielsweise in dauerhafte Unzufriedenheit und Frustration unter vielen Mitarbeitern. Durch starke Konkurrenz kommt es zwangsweise zu Rivalitäten und Neid. Allgemein steigt die Zahl der Mobbingopfer, je schlechter die wirtschaftliche Lage eines Unternehmens ist. Die Täter und Opfer kommen aus jeder Schicht, Vorgesetzte mobben ihre Untergebenen, andersrum jedoch genauso. Häufig wird in Krankenhäusern, Kindergarten und bei der Polizei gemobbt. Natürlich werden besonders gerne Leute gemobbt, die von vornherein nicht gut in das Bild des Betriebs passen, wie z.B. Behinderte, Ausländer oder sogar besonders leistungsstarke Arbeiter, die eine starke Konkurrenz bilden können.


© FLORIDI (PUBLIC DOMAIN)
Die Opfer würden natürlich gerne eine Lösung herbeiführen. Wenn sie sich trauen und die Mobber auf ihr Verhalten ansprechen, werden sie von diesen meist als labil, überempfindlich und sogar als verrückt abgestempelt. Mobbern kommt es nämlich nicht auf eine Lösung an, sie wollen dem anderen Schaden zufügen und setzen alles daran, ihre Macht zu demonstrieren. Ihre Taten sind bewusst herbeigeführt und haben das Ziel den anderen zu verletzen, zu demütigen Auch von anderen Kollegen, die nicht wirklich mitmobben, haben Opfer selten Unterstützung zu erwarten, denn Außenstehende fürchten, selbst zum Opfer zu werden. Die Gemobbten stehen so allein da, dass sie oft keine Beweise haben und die Chefs ihnen nicht glauben - Sie lernen hilflos zu werden.

Krank durch Mobbing

Vielleicht gibt es starke Persönlichkeiten (mit dickem Fell), denen es nicht so viel ausmacht, wenn andere über sie herziehen. Doch sind die meisten Menschen auf Dauer nicht immun gegen solche Attacken. Irgendwann fangen Gemobbte an, die Fehler nur bei sich selbst zu suchen und glauben an ihre Unfähigkeit im Beruf. Wenn Opfer dauerhaft schikaniert werden, schadet das massiv ihren Selbstvertrauen und Selbstbewusstsein. In Gedanken beschäftigen sie sich auch nach der Arbeit mit ihren Problemen. Gefühle, wie Unsicherheit, Hilflosigkeit, Ohnmacht, Ärger, Wut, Angst, Scham etc. sind für die Gemobbten zu bewältigen. Ihr Körper steht unter permanentem hohen Stress, sie können sich nicht erholen. Dies führt zu psychischen und physischen Problemen. Einige Betroffene leiden unter Depressionen oder haben starke Angstgefühle, trauen sich z.B. nicht mehr Einkaufen zu gehen. Scheuen sich vor jeglichem menschlichen Kontakt. Der Körper der Opfer reagiert mit Migräne, Schlafstörungen, Allergien, Herz-Kreislauf-Schwierigkeiten und Krebs. Diese Beschwerden werden von den Ärzten sehr oft nicht als Folge des Mobbings erkannt und können deshalb nicht richtig behandelt werden. So kommt es zu Belastungen der Sozialversicherungsträger. Die Krankenkassen müssen Medikamente, Therapien etc. bezahlen. Frühpensionierungen gehen auf Kosten der Rentenversicherungsträger. Durch Krankschreibungen macht auch der Betrieb selbst Verluste.

An dem Punkt angekommen, an dem Betroffene nicht mehr weiter wissen, hilflos sind, ist es für sie wichtig, sich von jemandem beraten zu lassen, der professionell und fachbezogen auf Probleme der Mobbing-Opfer eingeht. Das beinhaltet eine Psychotherapie, durch die das Opfer wieder Selbstvertrauen erlangt. Sich Hilfe holen ist die beste Chance, sich selbst zu retten. Wenn das Opfer seinen Fall vor Gericht bringen will, sieht es schlecht für ihn aus. Selten gibt es aussagekräftige Beweise und wer will schon gegen seinen Chef Zeuge stehen? Falls das Opfer den Prozess gewinnt, hat es danach im Betrieb auch keine guten Karten mehr. Die einzige Lösung ist wohl tatsächlich, mit einem neuen Job von vorne zu beginnen.

Hierbei können Anwälte mit dem Arbeitgeber eine hohe Abfindung ausmachen. Laut Gesetz sind diese nämlich verpflichtet, ihre Arbeitnehmer vor psychischen Gefahren zu schützen. Wer Mobbing in seinem Betrieb duldet, macht sich strafbar. So gibt der Chef lieber die hohe Abfindung, als dass öffentlich bekannt wird, dass er Mobbing zulässt. Sollte man tatsächlich in seinem Betrieb merken, dass es zu Mobbing-Attacken von Seiten der "lieben" Kollegen kommt, muss man den Konflikt offen ansprechen.
Überhaupt ist Offenheit und Ehrlichkeit in den Betrieben ein guter Schutz gegen Mobbing. Zudem sollten die Berufstätigen über das Thema aufgeklärt werden (z.B. durch Seminare), unter Arbeitgebern und Arbeitnehmern sollte ein gutes Kommunikationssystem herrschen und die Chefs müssen deutlich machen, dass Mobbing negative Folgen für die Betriebswirtschaft hat und somit den Arbeitsplatz jedes Einzelnen gefährdet.

Mobbing gibt es jedoch nicht nur in der Arbeitswelt, sondern auch in Sportvereinen oder politischen Parteien. Die Anfänge des Mobbings liegen meist in der Schulzeit: Es bilden sich Gruppen, die untereinander rivalisieren und auch gegen einzelne (schwächere) vorgehen. Wenn an diesem Punkt nicht in die Entwicklung der Jugendlichen eingegriffen wird, verstärkt sich das machtsüchtige Verhalten. Mit Sprüchen haben die Jugendlichen schon in der Schule Erfolg und machen damit auch im Berufsleben weiter. Um die Ursache von Mobbing zu bekämpfen, muss man in dieser Altersgruppe ansetzen.
Ina Zimmermann
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Artikel vom 10. Februar 2006

Weiterführende Links
- Weitere Informationen: http://www.tresselt.de/mobbing.htm
- ZDF-Ratgeber

Kommentare über Mobbing

Barbara Mürdter am 17.02.2006:
Gelungener Text! Schöner Gruß, Barbara


Klaus-Dieter May am 13.02.2006:
Sehr geehrte Frau Zimmermann,

ja so wie Sie es schildern ist es! Leider! Die Opfer bleiben meistens auf der Strecke und landen in die Arbeitslosigkeit.

Über Mobbing wird viel geschrieben und berichtet, aber geändert hat sich für die Opfer bisher nichts!

Dr. Wickler sagte in einem oder zu einem Urteil des Landesarbeitsgerichtes Erfurt vom 15.02.2001:

"Der Staat, der Mobbing in seinen Dienststellen und in der Privatwirtschaft zulässt oder nicht ausreichend sanktioniert, kann sein humanitäres Wertesystem nicht glaubwürdig an seine Bürger vermitteln und gibt damit dieses Wertesystem langfristig dem Verfall preis."

Nun macht es sich da Richter Dr. Wickler nicht zu einfach?

Wenn der Staat schon versagt, warum handeln dann nicht die Richter und Richterinnen?

Mir hat vor kurzem Frau Ministerin Zypries geschrieben,- die bestehenden Gesetze sich gegen Mobbing zu wehren reichen aus. Man sehe kein Handlungsbedarf..

MfG

Klaus-Dieter May

ww.mobbing-web.de


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