C6 MAGAZIN
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JUSTIZ 27.1.2006

Jugendarrest als Kriminalitätsprävention

Es mag merkwürdig erscheinen, eine Gefängnisstrafe als Präventionsmaßnahme zu bezeichnen, doch genau das sollen Jugendarrestanstalten bewirken. Sie werden oft als „Gefängnis für Anfänger“ bezeichnet, obwohl ein krimineller Werdegang der Insassen dort nicht beginnen, sondern enden soll.
Die Jugendarrestanstalt in Neustadt am Rübenberge: Gefängnis für Anfänger?
© ANNA HAGEMANN
Die Jugendarrestanstalt in Neustadt am Rübenberge: Gefängnis für Anfänger?
In der Täterstatistik des Bundeskriminalamts (Jahr 2004) sind fast ein Viertel der Tatverdächtigen Jugendliche und Heranwachsende. In dieser Altersgruppe gilt es, schnell zu handeln. Reichen Erziehungshilfen und Besuche des Jugendamts nicht mehr aus oder sind die Straftaten zu schwerwiegend (z.B. Raub) ist Jugendarrest ein geeignetes Mittel.

Den Jugendlichen soll mit einer Haftstrafe von einem Tag bis hin zu vier Wochen lediglich der Ernst ihrer Lage klar gemacht werden. Wer nie auf Grenzen stößt, fühlt sich sicher und macht weiter – bis hin zu schwereren Vergehen, die mit mindestens sechs Monaten bestraft werden. Schon durch wiederholtes Schwänzen der Schule kann es zu einer kurzen Haftstrafe kommen, denn die Missachtung der Schulpflicht ist eine Ordnungswidrigkeit. Mörder und Vergewaltiger wird man in einer Jugendarrestanstalt aber nie finden, die meisten Insassen sitzen wegen Diebstahl und Raub ein.

Trotz der kurzen Haftdauer oder gerade deshalb ist die Haft in einer Jugendarrestanstalt kein Vergnügen. Es gibt strenge Regeln – unbekanntes Neuland für viele straffällig gewordene Jugendliche. Hygienezwang (Duschen und Zähne putzen ist Pflicht) und Alkoholverbot lassen die Insassen zum ersten Mal in ihrem Leben die Kraft des Gesetzes spüren. Wer mit Drogen erwischt wird, darf drei Tage lang nicht aus der Zelle. Auch ein Verstoß gegen die Hausordnung bedeutet Einschluss und wer seine Konflikte mit Fäusten austrägt, kommt in eine Absonderungszelle. "Wieso darf ich nicht rauchen? Das mache ich seitdem ich zehn bin, meine Mutter hat mir das erlaubt...!" – In Jugendarrestanstalten hören die Sozialarbeiter solche Sätze oft von den 14- und 15-Jährigen.

Der Tagesablauf lässt keinen Platz für Eigenwilligkeiten

Ein kurzes Beispiel aus der Jugendarrestanstalt Neustadt am Rübenberge: Um 7.00 Uhr werden die Jugendlichen geweckt. Es wird nur einmal geweckt. Wer weiter schläft und das Frühstück verpasst, muss bis zum Mittagessen warten. Das Frühstück ist um 7.30 Uhr. Erst nach dem gründlichen Putzen der Zellen dürfen sich die Insassen in den Gemeinschaftsräumen aufhalten. Von 11.15 Uhr bis 12.00 Uhr gibt es Mittagessen. Danach herrscht bis 14.00 Uhr Mittagsruhe.

§ 16 Jugendgerichtsgesetz (JGG)
(1) Der Jugendarrest ist Freizeitarrest, Kurzarrest oder Dauerarrest.

(2) Der Freizeitarrest wird für die wöchentliche Freizeit des Jugendlichen verhängt und auf eine oder zwei Freizeiten bemessen.

(3) Der Kurzarrest wird statt des Freizeitarrestes verhängt, wenn der zusammenhängende Vollzug aus Gründen der Erziehung zweckmäßig erscheint und weder die Ausbildung noch die Arbeit des Jugendlichen beeinträchtigt werden. (...)

(4) Der Dauerarrest beträgt mindestens eine Woche und höchstens vier Wochen. Er wird nach vollen Tagen oder Wochen bemessen.

    
 
Nach der Mittagsruhe werden die Zellen wieder aufgeschlossen. Nachmittags wird in Gruppen gearbeitet. Täglich sprechen Lehrer, Pastoren und Studenten mit kleinen Gruppen über Arbeitslosigkeit, Bußgeld und die Arbeit eines Richters, damit die Jugendlichen lernen, wie sie zu einem Job kommen, wie man ein Bußgeld bezahlt und dass ein Richter sie nicht bestraft, weil er sie nicht leiden kann. Um 17.00 Uhr gibt es Abendessen. Man kann täglich duschen, aber dienstags und freitags ist dies, der Hygiene wegen, Pflicht. Ab 19.00 Uhr herrscht Nachtruhe und um 22.00 Uhr wird das Licht zentral gelöscht. Auf diesen geregelten Tagesablauf wird pingelig geachtet. Etwas, dass die Jugendlichen oft erst lernen müssen.

Es gibt kein Fernsehen, nur zwei verschiedene Tageszeitungen. Zwei mal am Tag dürfen die Jugendlichen die Nachrichten im Radio hören, manchmal sogar etwas Musik. Telefonieren, Internet und Besuch sind nicht gestattet. Der einzige Kontakt zu Familie und Freunden ist der über Briefe.

Und die Zellen in denen die Jugendlichen wohnen? Schlicht und ein wenig traurig: Ein Etagenbett, ein Spind, ein Tisch mit zwei Stühlen, eine Toilette mit Sichtschutz, ein Waschbecken, ein Spiegel und ein Mülleimer. Kein Luxus, aber trotzdem gibt es Leute, die am liebsten bleiben würden. Manche haben zu Hause einfach nur niemanden, der sich um sie kümmert, andere leben auf der Straße und wollen drei Mahlzeiten täglich und ein Dach über dem Kopf ungern wieder aufgeben. Dennoch hoffen Aufseher und Sozialarbeiter, dass sie die Jugendlichen in ein besseres Leben schicken können – ohne Straftaten und mit mehr Sinn für das Miteinander in der Gesellschaft.
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Artikel vom 27. Januar 2006

Weiterführende Links
- Wikipedia: Jugendarrestanstalt
- Ausführlicher Beitrag zum Thema Jugendkriminalität, Stadt Mannheim

Kommentare über Justiz

K. W. Pörtner am 07.09.2006:
Wozu dieser ganze autoritäre Schwachsinn, wenn sich an der sozialen Sitution der Jugendlichen nichts ändert? Allein schon das Vokabular: "Zuchtmittel" usw. stammt aus den schlimmsten Zeiten der "schwarzen Pädagogik". Höchste Zeit, dass dieser pädagogische Unfug abgeschafft wird!


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