C6 MAGAZIN
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UNO-ROLLENSPIEL 15.7.2004

Honourable Delegate you have the floor!

Beim World Model United Nations kommen 800 Studenten aus aller Herren Länder zusammen um eine Woche lang die verschiedenen UNO Ausschüsse und andere internationale Organisationen zu simulieren. Für einige ist dies Vorbereitung auf spätere Aufgaben.
Die Delegation der TU Dresden
© HK
Die Delegation der TU Dresden
"In case someone raises a motion for un-moderated caucus you will directly proceed and move into voting procedure, unless someone raises a point of parliamentary inquiry, order or personal privilege.” Willkommen beim Harvard Model United Nations! Alles verstanden? Falls nicht ist das nicht weiter tragisch. Vielen der Delegierten ging es kaum anders, und die Wenigsten kannten bis zum Ende der Konferenz all jene komplizierten Regeln, die die Debatten bis ins Detail regeln. Dies fällt aber nicht negativ auf, besteht der Spaß bei dieser Veranstaltung doch ohnehin im bunten Miteinander der Studenten aus aller Welt.

Ich reiste mit einer Delegation der TU Dresden neben einer Vielzahl anderer Delegationen deutscher Universitäten zum Harvard World MUN. Neben dem oben beschriebenen Spaß am Debattieren und Verhandeln und der Möglichkeit interessante junge Menschen aus aller Herren Länder kennenzulernen, stellte der Veranstaltungsort dieses Jahr einen ganz besonderen Reiz dar: Sharm-el-Sheik (Ägypten). Wo sonst die Scheichs oder Staats- und Regierungschefs tagen, konnten nun die "Führungskräfte von morgen" einmal üben. Unsere Gruppe bestand zum überwiegenden Teil aus Studenten des, in Deutschland leider nach wie vor einmaligen, Faches Internationale Beziehungen.

Konferenzarbeit im Hotelzimer
© HK
Konferenzarbeit im Hotelzimer
Nach der Eröffnungszeremonie mit ihren typischen, teilweise amüsanten Reden steht Global Village auf dem Programm. Jede Delegation stellt das Land beziehungsweise die Länder, die sie repräsentiert vor. In unserem Fall Dominica, Nepal und Benin. Es handelt sich hier nicht um internationale Schwergewichte, aber das ist an diesem Abend ohnehin nicht von Belang. Alle sind neugierig auf die anderen. An den Tischen können lokale Spezialitäten probiert werden. Man unterhält sich, knüpft Kontakte. "Ach, von der Bucerius, ja, da hab ich mich auch beworben...", "Also, hab ich das richtig verstanden, du kommst aus Norwegen, studierst aber in Edinburgh und vertrittst Kuba?", "Hast du den Jack Daniels bei den Amis schon probiert? Wie, bei den Griechen gibts Uzo?" So, oder so ähnlich verlaufen die Unterhaltungen, bis der sommerlich warme Abend, der bei manchen Teilnehmern noch lange nachklingt, langsam ausklingt; bis schließlich früh am morgen der Wecker - erklingt: Committee Session!

The day after

Neben ihren Fact Foldern, Position Papers und Study Guides bringen alle Teilnehmer am nächsten Morgen ein paar Augenringe mit zur Sitzung. Dennoch sind alle gut gelaunt und debattieren auf hohem Niveau. Man merkt schnell, dass die Delegierten amerikanischer Unis über Einiges an Erfahrung verfügen. Manche haben, teilweise schon in der Schule, an einem halben Dutzend anderer MUNs teilgenommen.

Batida statt Beton - Uni mal anders
© HK
Batida statt Beton - Uni mal anders
Nach einer Eingewöhnungsphase, in der man sich auch an die zum Teil umständlichen Verhandlungsregeln gewöhnt, kann man bald munter mitdebattieren. Nicht immer verfügt man über vollkommene Sachkenntnis, nicht alle Initiativen sind sorgfältig abgestimmt, aber im Großen und Ganzen setzt bald ein munteres Geschachere ein, in dem jeder Delegierte versucht die Interessen und kulturellen Besonderheiten "seines" Landes in die Debatte einfließen zu lassen. Der produktive Teil der Woche läuft dann beispielsweise wie folgt ab: Mal geht es heiß her, wenn Venezuela dem amerikanischen Vertreter mit einem wüsten Imperialismusvorwurf in die Parade fährt. Mal amüsiert man sich über den redegewandten Harvardstudenten, der auftritt wie ein Gebrauchtwagenhändler.

Aber insgesamt versuchen alle sich konstruktiv einzubringen und man einigt sich schnell auf das zu debattierende Thema. Im Falle meines Komitees, der Organization of American States, ist es "Regional Financial Stability".

Große Probleme...

Die Möglichkeit für all jene Probleme, welche man in verschiedensten Veranstaltungen theoretisch durchgekaut hat, kreativ praktische Lösungen auszuarbeiten, führt schnell zu einem virulenten Brainstorming. Man redet lange darüber worin eigentlich genau das zu bekämpfende Problem besteht, bevor man sich daran machen will dieses genauer anzugehen. Dies in teils zermürbender Rede und Gegenrede herauszuarbeiten dauert eigentlich den gesamten ersten Verhandlungstag. Aber Rom wurde auch nicht an einem Tag erbaut und dies ist nun mal kein Spiel für kleine Diktatoren. Die Interessen der Großen und Kleinen wollen gehört und berücksichtigt werden. Man kommt zu dem Schluss, dass das Kernproblem, welches Instabilität auf Lateinamerikas Finanzmärkten verursacht, fehlende Transparenz ist. Transparenz hat hierbei viele Aspekte. Von Korruption bis hin zu Unklarheit über die Zuständigkeit in Krisensituationen. All dies kann dazu führen, dass Investoren mehr oder weniger geordnet Kapital abziehen oder gar nicht erst in die Länder der südlichen Hemisphäre bringen.

...und der Versuch einer Lösung

Man einigt sich auf die Gründung einer Aufsichtsbehörde. Sie soll zum einen Informationen sammeln und diese internationalen Investoren zur Verfügung stellen, zum anderen die Wirtschaftspolitik der Mitgliedsländer beaufsichtigen und gegebenenfalls beratend zur Seite stehen. Ein schönes Beispiel für die Kreativität und Freiheit mit der an Lösungen gearbeitet wird, ist das für die Besetzung des obersten Aufsichtsgremiums dieser Behörde Anleihen beim Direktorium der EZB genommen werden. So lässt jeder seinen Hintergrund mit einfließen. Auch die Delegierten aus Venezuela, die versuchen ein Passus über die Garantie sozialer Rechte in die Resolution mit aufzunehmen, was allerdings abgelehnt wird, da der Zusammenhang zwischen sozialen Zielen und regionaler Finanzstabilität nicht glaubhaft gemacht werden kann, versuchen ihre Politik zu vermitteln. Nach insgesamt vier Tagen zähen Ringens bringen wir dann gerade noch rechtzeitig unsere Resolution auf den Weg. Es bleibt für die mänlichen Delegierten sogar noch Zeit per geheimer Abstimmung durch Mitteilungszettel ein Mädchen aus Bolivien zum "Hottest female Delegate" zu küren. Auch Diplomaten sind ja nur Menschen...

Und was gabs noch außer Arbeit?

Jede Menge Spaß! Die Jungs des Teams der ausrichtenden Universität haben mit Unterstützung durch die Organisatoren aus Harvard ein Abendmenü auf die Beine gestellt, welches es schaffte die Teilnehmer jeden abend aufs Neue angenehm zu überraschen. Die Tatsache, dass wir trotz Konferenzbeginns um 9 Uhr morgens nie vor 3 im Bett waren, spricht denke ich für sich. Abends ging es stets in den größten Club, das schönste Hotel und die abgefahrenste Location (eine Art zur Disko umgebautes Amphitheater in der Wüste) wo dann bis tief in die lauwarme Nacht hinein gefeiert wurde. So kamen dann auch noch die sozialen Kompetenzen ausgiebig zum Einsatz.

Ich vergebe daher: fünf Michelin Sterne für Unterkunft und Verpflegung, ein MTV Music Award für die Partys und einen Oscar für die für europäische Ohren unglaublich pathetische Schlussrede. "It was the most terrific, exciting, amazing, splendidly marvellous.... experience forever…and… ever”
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Artikel vom 15. Juli 2004

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