C6 MAGAZIN
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MONATSTHEMA 19.3.2006

"Rauchen tötet jährlich 3.300 Passivraucher"

Pro Rauchfrei ist ein Verein, der sich aktiv für eine rauchfreie Gesellschaft einsetzt. Immer mehr Menschen wird bewusst, wie gefährlich das ungewollte passive Mitrauchen ist. Nicht nur Asthmatiker oder Allergiker sind davon betroffen: auch die Gefahr, dass man als Arbeitnehmer in der Gastronomie an den Folgen des Passivrauchens erkrankt ist hoch.
"Tabakrauch ist verantwortlich für 80 bis 90 Prozent sämtlicher Lungentumoren" - Aktionsplakat von Pro Rauchfrei.
© PRO RAUCHFREI E.V.
"Tabakrauch ist verantwortlich für 80 bis 90 Prozent sämtlicher Lungentumoren" - Aktionsplakat von Pro Rauchfrei.
Das C6 MAGAZIN fragte den Pressesprecher und Vorstandvorsitzenden von Pro Rauchfrei, Siggi Ermer, wieso Rauchen für nicht rauchende Menschen eine Gefahr ist und weshalb es häufig von der Tabakindustrie verharmlost wird, weshalb die Politik tatenlos zuschaut und wo uns die Zukunft hinführen wird.

C6 MAGAZIN: Herr Ermer, Sie sind Pressesprecher und Vorstandsvorsitzender von Pro Rauchfrei e.V. Ihr Verein setzt sich für eine rauchfreie und somit gesunde Gesellschaft ein – wie viel Arbeit macht das?
Siggi Ermer: Jede Vereinsarbeit auf ehrenamtlicher Basis ist mit viel Einsatz und Arbeit verbunden. Da wir aber damit ein konkretes und sehr sinnvolles Ziel verfolgen, überwiegt der Spaß.

C6 MAGAZIN: Weshalb engagieren Sie sich für Pro Rauchfrei?
Siggi Ermer: Die Problematik des Passivrauchens beschäftigt mich schon mein ganzes Berufsleben. Schon in den frühen 80er-Jahren habe ich meine Geschäftstelle mit etwa 30 hoch qualifizierten Mitarbeitern rauchfrei gestaltet. Die Tagungen unseres Konzerns waren schon vor 25 Jahren rauchfrei.

Ich wollte keinen eigenen Verein mitbegründen. Als ich aber im Jahr 2002 feststellen musste, wie stumpf und unbedeutend die Nichtraucherorganisationen in Deutschland sind, habe ich mich mit anderen Personen entschlossen, 2004 einen Verein ins Leben zu rufen, der endlich unabhängig und ohne Skrupel die Belästigung des Zwangsmitrauchens anprangert. Gerade die gesundheitlich Vorgeschädigten und die Kinder sind die Opfer der modernen Volksseuche. Wir sind wohl in Deutschland der einzige Verein, deren Vorsitzende nicht im öffentlichen Dienst beschäftigt sind oder waren und damit keinen Repressalien ausgesetzt werden können.

Zigaretten sind leichter zu bekommen als ein frisch gebackenes Brot, eine Flasche Mineralwasser oder lebenswichtige Arzneimittel. Alleine in Deutschland gibt es 720.000 Zigarettenautomaten.
© PRO RAUCHFREI E. V.
Zigaretten sind leichter zu bekommen als ein frisch gebackenes Brot, eine Flasche Mineralwasser oder lebenswichtige Arzneimittel. Alleine in Deutschland gibt es 720.000 Zigarettenautomaten.
C6 MAGAZIN: Ihr Verein setzt sich gegen das Rauchen ein, was machen Sie?
Siggi Ermer: Das ist so nicht richtig. Pro Rauchfrei setzt sich für den Schutz der Nichtraucher vor dem gefährlichen Passivrauch ein. Wir wollen die Raucher nicht missionieren. Jeder soll selbst entscheiden können, wie er seinen Körper schindet oder wie er sich umbringt. Dieses Recht des Rauchers hat jedoch dort seine Grenzen, wo andere geschädigt werden. Deshalb darf das Rauchen nur in abgeschlossenen Räumlichkeiten gestattet werden.

C6 MAGAZIN: Wie erklären Sie sich, dass Rauchen gesellschaftlich toleriert wird?
Siggi Ermer: Die Tabakdroge hat leider eine lange Tradition und durch den modernen Tabak- Chemie-Cocktail erzeugt die Zigarette eine ungeheuerliche Suchtwirkung, die alle Gesellschaftsschichten durchzieht. So sind auch Politiker und Richter von der Tabakdroge gefangen und befangen. Aber erst die Zigarettenproduktionsanlagen haben seit nunmehr 100 Jahren die Tabaksucht zu einer Seuche werden lassen, an der weltweit jährlich 5 Millionen Menschen sterben.

C6 MAGAZIN: Wie sehen Sie die Situation der Passivraucher?
Zu Pro Rauchfrei:
Der Verein setzt aktiv für eine rauchfreie Gesellschaft ein und versucht auf öffentlicher Ebene das Bewusstsein für die Gefahren, die das Rauchen in sich birgt, bekannt zu machen. Pro Rauchfrei möchte nicht belehren, missionieren oder verbieten, sondern nur schützen - das ist erste Prämisse.
    
 
Siggi Ermer: Die Situation der Passivraucher ist in Deutschland katastrophal. Zum einen wurden allen Bürgern die Gesundheitsgefahren durchs Passivrauchen verschwiegen und sogar verleugnet. Tabak ist allgegenwärtig, als schlimmster Feinstauberzeuger in geschlossen Räumen, als Giftmüll auf der Straße und auf Kinderspielplätzen, als widerliche Untermalung in Speisegaststätten und als stinkendes Andenken in Form der eigenen Kleidung. Der ätzende Zigarettenrauch belästigt uns zudem durch rauchende Passanten, Nachbarn und Besuchern bei allen Veranstaltungen.

C6 MAGAZIN: Dass Rauchen süchtig machen kann, ist allgemein bekannt. Wieso sehen das viele Raucher nicht so? Liegt es Ihrer Meinung nach an der Sucht selbst?
Siggi Ermer: Ich denke, viele Raucher wissen um ihre Sucht. Doch nur wenige stehen offen dazu, denn sonst müssten sie ja was ändern. Es ist ein einfaches Rechtfertigungsverhalten für die eigene Schwäche, sich der Sucht zu widersetzen.

C6 MAGAZIN: Welche Folgen hat Passivrauchen für die Gesellschaft?
Siggi Ermer: Die Folgen des Passivrauchens sind noch gar nicht richtig zu fassen. Neben den gesundheitlichen Beeinträchtigungen und den damit einhergehenden Schäden für die Volkswirtschaft, werden immer mehr Kinder mit gesundheitlichen Vorbelastungen geboren und das bei einer Geburtenrate, die nur knapp über der des Vatikans liegt. Jedes zweite Kind wächst in einem Raucherhaushalt auf. Hochrechnungen lassen befürchten, dass die jetzige Elterngeneration zur "Last" hat, ihre eigenen Kinder zu überleben. Immerhin beginnt die Raucherkarriere schon mit durchschnittlich 11,6 Jahren. Nach 30 bis 40 Raucherjahren verstirbt die Hälfte der Raucher vorzeitig an den Folgen. Die anderen versterben früher, im Durchschnitt zehn Jahre. In Deutschland sind davon jährlich mindestens auch 3.300 Passivraucher betroffen, getötet durch den eigenen rauchenden Partner oder die Eltern.

C6 MAGAZIN: Woran liegt es, dass die Tabaksucht politisch wenig Beachtung findet?
Siggi Ermer: Da diese Sucht alle gesellschaftlichen Kreise heimsucht, wird das Problem tabuisiert. Zudem tragen Millionen Geldbeträge jährlich zum Schweigen bei.

C6 MAGAZIN: Wieso hat die Tabaklobby soviel Macht in Deutschland?
Siggi Ermer: Deutschland ist der drittgrößte Tabakerzeuger weltweit. Diese Industrie beeinflusst mit ihren legalen Steuerzahlungen Staat und Kommunen genauso, wie sie dies mit zweifelhaften Stiftungsgeldern im kulturellen und sozialen Bereich tut oder mit verdeckten Geld- und Leistungstransfers an Entscheidungsträger.

C6 MAGAZIN: Es gibt einige Studien, die die Gefährlichkeit des Rauchens bestätigen, wieso finden diese Ergebnisse nicht den Weg in die breite Öffentlichkeit?
Siggi Ermer: In den letzten 30 Jahren hat vor allem die Tabakindustrie umfassend die Gefahren des Rauchens erforscht. Die Ergebnisse, die erst jetzt bekannt werden, zeigen, dass die Industrie alles versucht hat, die Ergebnisse geheim zu halten. Außerdem standen anerkannte Wissenschaftler jahrelang im Dienst der Tabakhersteller. Selbst der Präsident des ehemaligen Bundesgesundheitsamtes, eine Behörde die zu den mächtigsten im Staat gezählt werden musste, stand jahrelang auf der Gehaltsliste der Tabakbosse.

C6 MAGAZIN: Die Präventionsmaßnahmen sind teilweise durch die Tabakindustrie gesponsert, wie wirkt sich das Ihrer Meinung nach auf die Arbeit der Bundesanstalt aus?
Siggi Ermer: "Wer zahlt schafft an". Dieses Sprichwort gilt auch für den Vertrag, den das Bundesgesundheitsministerium mit der Tabakindustrie geschlossen hat. Wir lehnen mit Nachdruck jegliche Zahlungen der Tabakindustrie an öffentliche Träger, die Regierung, Politiker oder Parteien ab. Diese Zahlungen haben immer den Beigeschmack von Bestechung. Eine Regierung jedoch sollte in ihrem Handeln unabhängig sein.

C6 MAGAZIN: Wie sehen Sie die Gefährlichkeit von Tabak?
Siggi Ermer: Der Tabak an sich ist nicht das Problem. Durch die industrielle, vollautomatische Fertigung von Zigaretten, entsteht ein chemisch optimierter Produktcocktail, der hochgradig abhängig macht. Die vielen Zusatzstoffe wie Zucker, Kakao, Ammoniak und viele andere setzen bei ihrer Verbrennung gefährliche Gifte frei. Mindestens 50 krebserregende Stoffe im Tabakrauch sind nachgewiesen.

C6 MAGAZIN: Wie können Menschen von dieser Sucht loskommen? Versuchen Sie auch Aufhörwillige mit Ihrem Verein anzusprechen? Und wie helfen Sie diesen?
Siggi Ermer: Die beste und volkswirtschaftlich günstigste Maßnahme ist ein Rauchverbot in der Öffentlichkeit bei gleichzeitiger Anhebung der Tabaksteuer. Wenn man dem Raucher die Gelegenheit zum Rauchen nimmt, dann hilft man ihm mehr als durch Nichtraucherkurse oder durch "Aufklärung". Wie die Schlange Eva verführt hat, so verführt die Tabakindustrie schon frühzeitig unsere Kinder und Jugendlichen. Wie der Apfel als Sinnbild des Verhängnisses steht, so steht die Zigarette das Symbol einer "Klasse", die sich immer wieder gegenseitig neu verführt, solange wir Ihnen ungestraft die Gelegenheit dazu geben.

C6 MAGAZIN: Wenn Sie Tabakrauchen kategorisieren müssten – welchen Vergleich mit illegalen Drogen würden Sie anführen?
Siggi Ermer: Die Suchtwirkung des Nikotins im Tabak kann mit der von Heroin auf eine Stufe gestellt werden. Was für Kolumbien das Rauschgift ist, ist für Deutschland das Rauchgift.

C6 MAGAZIN: Ihre letzte Aktion "Jeder Zigaretten-Automat ein stiller Killer!" soll darauf hinweisen, wie gefährlich und alltäglich der Umgang mit der Droge Tabak ist. Eingebunden in das Konsumverhalten stehen in ganz Deutschland mehr als 720.000 Automaten, die auch Kindern und Jugendlichen zugänglich sind. Wieso wird das toleriert?
Siggi Ermer: Die Tabakdroge ist verfügbarer als Brot und Wasser. Es gibt nur wenige Länder weltweit, in denen jeder an Automaten unkontrolliert Zigaretten kaufen kann, auch jedes Kind und jeder Jugendlicher. Wir fordern die ersatzlose Abschaffung aller "Stillen Killer" und den Verkauf von Tabakwaren nur noch in lizenzierten Fachgeschäften. Das sind wir unseren Kindern und Jugendlichen schuldig.

C6 MAGAZIN: Wie wird es, Ihrer Meinung nach, in zehn Jahren in Deutschland aussehen? Bleibt es wie es ist, oder wird es Deutschland den rauchfreien Nachbarstaaten gleichtun?
Siggi Ermer: Deutschland wird sich auf Dauer nicht von der Entwicklung anderer Länder abkoppeln können. Die Akzeptanz des Rauchens nimmt auch in Deutschland sukzessive ab. Pro Rauchfrei wird in Abstimmung mit anderen Organisationen alles tun, das Machtkartell der Tabakindustrie in Deutschland zu zerschlagen. 30 Jahre Stillstand in Deutschland sind genug. Die Zukunft atmet rauchfrei!

C6 MAGAZIN: Vielen Dank für das Interview!
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Artikel vom 19. März 2006

Weiterführende Links
- Pro Rauchfrei
- DKZF - Deutsches Krebsforschungszentrum: http://www.tabakkontrolle.de/
- WHO - Euorpa: http://www.euro.who.int/

Kommentare über Monatsthema

Eine Kolumbianerin am 12.08.2006:
Herr Ermer,
waren Sie jemals in Kolumbien?
Wahrscheinlich nicht, denn sonst wüssten Sie, wie falsch ihre Aussage ist.
Alle Kolumbianer sind Rauschgiftsüchtig und alle Deutschen Nazis?
Sie wissen genau so wie ich, dass dies nur eine schamlose Pauschalisierung ist.
Kämpfen Sie weiter für eine rauchfreie Umgebung, aber vermeiden Sie Vergleiche, die keineswegs der Realität entsprechen.


Eine Kolumbianerin am 12.08.2006:
Herr Ermer,
waren Sie jemals in Kolumbien?
Wahrscheinlich nicht, denn sonst wüssten Sie, wie falsch ihre Aussage ist.
Alle Kolumbianer sind Rauschgiftsüchtig und alle Deutschen Nazis?
Sie wissen genau so wie ich, dass dies nur eine schamlose Pauschalisierung ist.
Kämpfen Sie weiter für eine rauchfreie Umgebung, aber vermeiden Sie Vergleiche, die keineswegs der Realität entsprechen.


Peter Thelen am 03.04.2006:
Ein Super Artikel! Endlich mal jemand, der sich traut, ungeschminkt geschickte Fragen zu stellen. Ginge es nach unseren den Politikern, die die Hand aufhalten und sich die Taschen vollstopfen mit Geld der Tabaklobby, bliebe Deutschland ja weiterhin "Raucherparadies". Mit der Konsequenz, dass jährlich Tausende von unschuldigen Menschen an Passivrauch sterben, darunter viele Kinder. Die Tabaklobby hat diese Gefahren jahrzehntelang absichtlich verschwiegen und vertuscht, daher hat die Bevölkerung immer noch ein Wissensdefizit. Es wird Zeit, hier endlich radikal aufzuklären, die Medien sind gefordert. C6 hat einen Anfang gemacht, das Interview war klasse, großes Lob an die Redaktion!

Herzlichen Dank,

Peter Thelen Tib.Preis der Berliner Hochschulen, Dipl.-Kaufm. fh


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