C6 MAGAZIN
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JOURNALISMUS 30.10.2005

"Ein Journalist braucht Stehvermögen"

Markus Göbel ist freier Journalist und schreibt für verschiedene renommierte Zeitungen, Magazine und Zeitschriften im Wirtschaftsteil. Erst wollte er eine Banklehre beginnen, doch dann bewirbt er sich an der DJS in München und kommt durch das Auswahlverfahren, obwohl ihn Günther Jauch ziemlich in die Mangeln genommen hat.
Sein SChwerpunkt liegt auf dem Internet, e-Business und Mobilfunk. Natürlich schreibt er auch über neueste Entwicklungen im Bereich Digitalkamera, Handy, MP3, Bluetooth, SMS.
© MARKUS GÖBEL
Sein SChwerpunkt liegt auf dem Internet, e-Business und Mobilfunk. Natürlich schreibt er auch über neueste Entwicklungen im Bereich Digitalkamera, Handy, MP3, Bluetooth, SMS.
Er wird 1971 in Jena geboren, studiert Journalismus an der Deutschen Journalisten Schule (DJS) und schließt sein Studium mit dem Diplom in Kommunikationswissenschaften an der LMU ab. Sein Nebenfach Volkswirtschaftslehre macht er später zum Inhalt seiner journalistischen Arbeit. Seine Laufbahn beginnt mit einem zweijährigen Aufenthalt bei RTL im Nachrichtenbüro Berlin. Danach ist er zwei Jahre Freier bevor er leitender Redakteur bei der Wirtschaftswoche e-business wird. Nach dem Börsencrash 2001 wird er wieder Freelancer. Seither schreibt er für Magazine und Zeitungen, wie Financial Times Deutschland, Wirtschaftwoche und DIE ZEIT. Als Freelancer zu arbeiten schätzt er an seinem Beruf sehr.

C6 MAGAZIN: Wie sind Sie zum Journalismus gekommen?
Markus Göbel: Es war immer schon ein Kindheitstraum, aber ich wollte eigentlich schon eine Banklehre beginnen und BWL studieren. Eines Samstags stand dann aber in der FAZ, dass bald Bewerbungsschluss bei der Deutschen Journalistenschule (DJS) in München sei. Ich wollte wenigstens noch einmal die Unterlagen anfordern und am Aufnahmeverfahren teilnehmen. Dann ging plötzlich alles ganz schnell. Ohne jede vorherige Erfahrung schrieb ich eine Reportage, mit der ich die erste Hürde nahm: Einladung zum persönlichen Auswahltest nach München. Dort mussten wir unter Zeitdruck Reportagen schreiben und schwere Fragen aus dem aktuellen Zeitgeschehen beantworten. Den Abschluss bildete ein strenges Assessment Center mit gestandenen Journalisten, bei dem mich Günther Jauch ziemlich in die Mangel nahm. Einige Wochen später kam der Brief aus München, dass ich die Aufnahmeprüfung bestanden hatte. Von ungefähr 1.000 Bewerbern haben es 30 geschafft. Meine Banklehre konnte ich dann absagen und musste plötzlich überlegen, wie ich mein Leben im teuren München finanziere.

C6 MAGAZIN: Erzählen Sie uns etwas über ihre Person und Ihren Werdegang.
Markus Göbel: Geboren bin ich in Jena in der damaligen DDR. Eigentlich wollte ich schon immer Journalist werden und habe jeden Tag drei Zeitungen gelesen. Aber die Medien waren dort anders, alles lief nach den Prinzipien von Lenin: "Jeder Journalist ein kollektiver Agitator, Propagandist und Organisator!" Damit wollte ich nichts zu tun haben. Meine Familie war schon immer gegen die DDR eingestellt und hielt sich von der Einheitspartei fern. Deswegen richtete ich mich schon auf ein Studium der Theologie oder Medizin ein, wo man wenigstens mit Politik nichts zu tun hatte. Journalismus in der DDR kam für mich nicht in Frage. Ich konnte höchstens die Journalisten im Westfernsehen bewundern. Später stellten wir einen Ausreiseantrag und kamen kurz vor dem Mauerfall heraus. Ab dann ging eigentlich alles ganz typisch: Abitur, Journalistenschule und Studium in München, erster Job beim Fernsehen, PR-Chef bei einem Internet-Startup und schließlich freier Journalist für Wirtschaftsmedien.

C6 MAGAZIN: Können Sie uns Ihr Erfolgsrezept verraten? Ich meine, außer der harten Arbeit?
Markus Göbel: Mein Erfolgsrezept ist sicher die Spezialisierung. Ich schreibe über extrem komplizierte Themen wie neue Handy-Standards, Dokumentenmanagement oder neueste Technik-Trends. Dabei interessiere ich mich wirklich persönlich dafür und muss auch alles immer selbst ausprobieren. Viele Journalisten bekommen ihre Themen immer nur "auf den Tisch" und müssen darüber schreiben. Meine Themen entstehen aus meiner täglichen Beobachtung von Experten-Foren und dem Lesen unzähliger Newsletter. Oft muss ich sie lang anbieten, bis die Wirtschaftsmedien begreifen, dass sie wirklich wichtig sind. Ich bin also eine Art "Übersetzer" zwischen der Technik-Welt und den Medien wie Wirtschaftswoche oder Financial Times Deutschland, die sich nicht an Experten richten. Oft bin ich dann auch ein "Prophet in der Wüste", dessen Themen lang nicht genommen werden, weil sie zu kompliziert erscheinen. Einmal schrieb ich einen Artikel in der Wirtschaftswoche und ein ganzes Jahr später riefen dann der Stern und zwei Fernsehsender an, die über dasselbe Thema berichten wollten.

C6 MAGAZIN: Was hat Sie an dem Beruf besonders gereizt?
Markus Göbel: Man kann überall dabei sein und alles ausprobieren. Journalisten kommen kostenlos zu den spannendsten Ereignissen, an denen andere nicht einmal für Geld teilnehmen können.

C6 MAGAZIN: Sind Sie ausschließlich für Printmedien tätig?
Markus Göbel: Im Moment schreibe ich nur für Print und Internet, habe aber auch Radio und Fernsehen ausprobiert. Das macht mir mehr Spaß, weil man die Themen viel tiefgehender recherchieren kann. Ein Fernseh-Beitrag besteht ja oft nur aus zwölf Sätzen.

C6 MAGAZIN: Wie und wann haben Sie entschieden als freier Journalist zu arbeiten und sich nicht für eine feste Redaktion zu entschließen? Welche Vor- und Nachteile birgt das?
Markus Göbel: Ich war Leiter der Berliner Büros der Zeitschrift Wirtschaftswoche e-Business, die über die New Economy berichtete. Als dann die Börse auf Talfahrt ging, wurde die Zeitschrift eingestellt. Deshalb musste ich als freier Journalist arbeiten. Mittlerweile freue ich mich sehr über die so gewonnenen Freiheiten: Keine Redaktionsdienste und fast immer nur spannende Themen. Wenn es mal keinen Spaß macht, dann muss es wenigstens ein gutes Honorar bringen.

C6 MAGAZIN: Wie sieht Ihr Arbeitsalltag als freier Journalist aus?
Markus Göbel: Morgens E-Mails checken und Technik-Nachrichten im Internet lesen. Danach recherchieren und schreiben. Abends ins Fitness-Zentrum, um den Körper wieder in Form zu bringen.

C6 MAGAZIN: Stand für Sie immer fest, sich mit Wirtschaftsthemen zu befassen?
Markus Göbel: Im Prinzip schon, weil ich Wirtschaft im Nebenfach studiert habe. Ich finde das einfach am spannendsten. Beim Fernsehen habe ich zwar auch über Stars und Sternchen berichtet oder über entführte Kinder, aber heute würde ich das nicht mehr machen. Ich möchte nur noch über Dinge schreiben, die ich selbst auch lesen möchte.

C6 MAGAZIN: Ihr Spezialthemenbefassen sich mit dem Internet, welche Zukunft sehen Sie in diesem Medium für den Journalismus?
Markus Göbel: Diese Frage stelle ich mir immer wieder und auch die Zeitungen fragen sich, weil sie so viele Leser verlieren. In den USA wollen immer mehr junge Menschen keine Zeitung abonnieren, weil sie "nicht so viel Altpapier herum liegen haben wollen" und alles im Internet lesen können. Guter Journalismus muss aber auf jeden Fall gut bezahlt werden, sonst wird er so oberflächlich wie in Anzeigenblättern oder auf schlechten Websites. Websites wie Spiegel online (http://www.spiegel.de/) oder Heise (http://www.heise.de/) zeigen, dass guter Journalismus auch im Internet funktionieren kann. Ich glaube, das ist der richtige Weg.

C6 MAGAZIN: Welche Aufgaben hat der Journalismus aus ihrer Sicht?
Markus Göbel: Journalismus soll vor allem über relevante Dinge informieren. Ganz nach der alten Definition von "Nachricht" als "sich danach richten". Für mich ist Journalismus kein Unterhaltungsmedium, obwohl der aktuelle Infotainment-Trend in diese Richtung geht. Es ist ein Skandal, wenn eine Nachrichtensendung zu 50 Prozent aus Formel 1 oder Meldungen über Stars besteht, während die Rentenreform des Bundestages nicht einmal erwähnt wird. Die Menschen brauchen die Information der Journalisten, weil sonst die Politiker und Wirtschaftslenker machen können, was sie wollen, ohne dass jemand sie kontrolliert und protestiert. Allerdings scheinen viele Leser gern auf diese wichtigen Informationen zu verzichten. Deswegen sinkt die Zahl der Zeitungsabonnements.

C6 MAGAZIN: Welche Vorbilder haben Sie?
Markus Göbel: Früher fand ich Peter Scholl-Latour gut und wollte auch aus Krisengebieten berichten. Heute bewundere ich Technik-Experten, die noch viel mehr wissen als ich.

C6 MAGAZIN: Was sind Ihre weiteren Leidenschaften, neben dem Journalismus?
Markus Göbel: Techno-Musik und Fitness. Die 90er Jahre haben mich sehr geprägt.

C6 MAGAZIN: Was würden Sie sagen, muss ein junger Mensch mitbringen, um Journalist zu werden?
Markus Göbel: Stehvermögen. Man muss an seiner Sache dranbleiben können.

C6 MAGAZIN: Wie schwer fällt es Ihnen neutral zu berichten?
Markus Göbel: Wenn ich nicht neutral berichte, dann schädige ich mein Geschäft. Gerade die Wirtschaftsmedien sind sehr delikat in dieser Beziehung: Wenn sie den Eindruck haben, dass man in seinen Artikel heimlich PR macht, dann kommt man auf eine schwarze Liste und sie kaufen keine Texte mehr ab. Neutralität ist also oberstes Gebot.

C6 MAGAZIN: Wie vereinbaren Sie Familie und Beruf?
Markus Göbel: Ich habe bisher noch keine Familie gegründet. Aber ich sehe, dass ich später mein Leben etwas anders organisieren muss, damit mehr Zeit für die Familie bleibt

C6 MAGAZIN: Sehen Sie Unterschiede bezüglich der Chancengleichheit von Frauen und Männern in diesem Beruf?
Markus Göbel: Frauen sind im Journalismus jetzt schon zahlenmäßig im Vorteil. Es gibt mehr weibliche als männliche Journalisten, aber die höheren Ebenen werden immer noch von Männern dominiert. Extrem viele Journalistinnen stellen die Chancengleichheit her, indem sie sich gegen Kinder entscheiden. Das finde ich sehr traurig. Der Journalismus hat das Problem aller akademischen Berufe in Deutschland: Weil die Kinderbetreuung so schlecht organisiert ist, lassen sich Kind und Karriere schlecht vereinbaren.

C6 MAGAZIN: Wo haben Sie Ihre besten Ideen?
Markus Göbel: Wenn ich mal kurz etwas ganz anderes mache, beispielsweise Wäsche waschen oder Geschirrspülen. Oft habe ich viele Fakten, Trends und Meldungen gleichzeitig im Kopf. Wenn man dann die Gedanken schweifen lässt, und "Eins und Eins zusammenzählt", ergeben sich oft faszinierende Zusammenhänge. Dann habe ich wieder einen Trend gefunden, aus dem ich einen Themenvorschlag erarbeite.

C6 MAGAZIN: Dankeschön und alles Gute für Sie!
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Artikel vom 30. Oktober 2005

Weiterführende Links
- Markus Göbel Website: http://www.markus-goebel.de

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