C6 MAGAZIN
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BILDUNG 20.4.2006

Wie die Schulen Lehren lernen

Die Bildungspolitik ist neben der Arbeitslosigkeit, dem Gesundsheitssystem und der Rentenkasse eine der großen politischen Baustellen der kommenden Jahre. Ausgelöst durch die PISA-Studie im Jahr 2000 gab es hierzu etliche Studien, die eines ganz deutlich belegen: das deutsche Schulsystem ist weder besonders gut noch sozial. Stattdessen gehört es im europäischen Vergleich zum hinteren Mittelfeld, benachteiligt Arbeiter- und Immigrantenkinder und kostet dabei im Vergleich zu anderen Ländern überdurchschnittlich viel Geld.
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Eins lässt sich an den Testergebnissen klar erkennen: Das Deutsche System ist nicht konkurrenzfähig. Kleine Änderungen an wenigen Stellschrauben werden daran genauso wenig etwas ändern wie die Versprechen mehr Lehrer einzustellen oder mehr Geld in die Schulen zu stecken. Damit lassen sich diese strukturellen Probleme nur aufschieben, nicht beseitigen. Nötig ist keine Kurskorrektur mit Pinzette und Lupe, sondern ein von Grund auf neuer Ansatz, der die verkrusteten Strukturen der Bildungspolitik auch mal mit dem Schauffelbagger angeht – Angst davor, dadurch ein gut funktionierendes Schulsystem zu zerstören muss man nicht wirklich haben.

Im Gegensatz zu anderen politischen Baustellen fehlt es aber gerade in der Bildungspolitik an einer klar erkennbaren Richtung. Die Politik reagiert auf die verheerenden Ergebnisse deutscher Schüler damit, den schwarzen Peter an leere Kassen, Vorgängerregierungen und einzelne Bundesländer weiterzugeben. Die Medien machen abwechselnd die Verwahrlosung der Elternhäuser und die mangelnde Motivation der Lehrer verantwortlich. Niemand spricht jedoch aus, was anhand der Testergebnisse klar ersichtlich auf dem Tisch liegt: Das deutsche System ist nicht konkurrenzfähig.

Desinteresse der Bürger

Deutschland hat die einmalige Chance am heutigen "Schulsystem aus Kaisers Zeiten", wie es die Leiterin der Rütli-Schule nannte, endlich massive Änderungen durchzusetzen. Die Schulleiterin bat im März 2006 ihre Schule zu schließen, da sie sich der vorherrschenden Gewalt nicht mehr gewachsen fühlte. Die Schieflage des deutschen Bildungswesens konnte man auch ohne PISA erkennen, bewegt hat sich jedoch nichts. Politischer Einfluss durch Lobbyisten, vor allem aber das breite Desinteresse der stimmberechtigten Bevölkerung an der Bildungspolitik waren die Gründe dafür.

Im Frühjahr 2006 kommen zwei Vorraussetzungen für Veränderungen günstig zusammen: Die Öffentlichkeit hat endlich die Bedeutung des Themas erlangt und unterstützt Reformen auch gegen Widerstände. Politisch bedeutender ist jedoch der Umstand, dass dem Staat das Geld ausgeht. So wie genügend Schnee sogar die Müllkippe während eines Müllarbeiterstreiks malerisch aussehen lässt, so lässt sich auch in der Politik jedes noch so große, strukturelle Problem mit genügend Geld zudecken. Dies hat zur Folge, dass auf den ersten Blick keine Probleme mehr erkennbar sind. Schnee kommt jedoch kostenlos vom Himmel und muss nicht in Form von Steuern erst erhoben werden - nicht auszudenken wie viel Geld im zweifelhaften Bildungssystem schon versickert ist.

Hilfe aus Finnland

Das bestehende System soll wieder wettbewerbsfähig gemacht werden und das in absehbarer Zeit. Hier versagen die bisherigen politischen Prozesse, die zum Bau einer Autobahn oft schon 30 Jahre und mehr verschlingen – so viel Zeit bleibt dem Bildungsstandort Deutschland einfach nicht mehr. Stattdessen gäbe es zwei schneller durchführbare und durchaus gangbare Wege: zum einen kann man einsehen, dass andere Länder ein erfolgreiches System haben und übernimmt dieses. Allerdings ein unrealistischer Gedanke: welcher Politiker würde schon gerne zugeben, dass Deutschland ähnlich wie Ruanda oder Nepal Entwicklungshilfe aus Finnland oder Korea braucht? Zum anderen kann man das beseitigen, was das deutsche Bildungswesen am meisten hemmt: den unüberschaubaren Wust aus Zuständigkeiten, Verordnungen und Regelungen, die über die Jahre in den einzelnen Bundesländern gewuchert sind und jegliche Bewegung zum Guten hin im Keim ersticken.

Ziel muss es sein in zehn Jahren wieder Minimalanforderungen wie die Chancengleichheit sozial schwacher Schüler oder die Vergleichbarkeit der Noten innerhalb und zwischen Bundesländern zu erfüllen. Es könnten damit in 15 Jahren die Beherrschung fundamentaler Lese-, Schreib- und Rechenfähigkeiten erreicht werden. Vielleicht ließe sich Deutschland damit in 20 Jahren wieder auf einen Spitzenplatz in Bildung und Forschung bringen. Aber wer weiß, ob Deutschland bis dahin noch das Thema Bildung interessiert, oder ob das es bis dahin schon längst wieder so medienwirksam wie Justiz- und Entwicklungshilfepolitik ist...
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Artikel vom 20. April 2006

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