C6 MAGAZIN
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NERVIGES NETZ 12.7.2002

Und trotzdem sind alle "drin"

Schon heute erreichen mehr und mehr e-mails, nach deren Eingang das Mailprogramm in einem kleinen Pop-Up-Fensterchen fragt: "Lesebestätigung absenden?" Heute sind es Leser, Freunde und Bekannte, die sich keine Gedanken über weitere Folgen machen, wenn sie immer öfter "Lesebestätigung" verlangen - morgen ist es dann Standard und man klebt fest im Netz wie die Fliege am Honigstreifen.
Hm ... ärgern wir doch unseren Schreibpartner und verlangen eine Lesebestätigung!
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Hm ... ärgern wir doch unseren Schreibpartner und verlangen eine Lesebestätigung!
Das Chaos nimmt zu, es lässt sich kaum noch übersehen: Mit irrer Geschwindigkeit wächst das Netz und übernimmt die wichtigsten Funktionen in Wirtschaft und Gesellschaft, Information und Kommunikation. Web und E-Mail mit allen darauf aufsetzenden Diensten übertreffen alles vorher da gewesene so sehr, dass sich die Frage des "ob" schon nach wenigen Netz-Jahren gar nicht mehr stellt.

Wer nicht "drin" ist, wird Nachteile haben, und deshalb bemühen sich Politiker und Funktionäre trefflich darum, allen gesellschaftlichen Gruppen den Zugang zu ermöglichen. Gut so, was sollten sie auch anderes machen, um der "digitalen Spaltung" entgegen zu steuern? Dass sie neuerdings selbst vor den Vorschulkindern nicht mehr Halt machen und demnächst bereits die Kindergartenkinder an den Computer setzen sollen, ist allerdings ein schlimmer Auswuchs. Erstmal muss man ja doch Leben lernen, bevor man darüber kommuniziert!

Alle sollen schnellstmöglich "rein" ins Netz. Was aber diejenigen heute schon anrichten und erleiden, die dem Ruf gefolgt sind und im Glauben, alles sei "ganz einfach", ihr Lernen auf automatische Programm-Installationen und die paar Mausklicks bis ins Web beschränkt haben, wird täglich deutlicher. Von zehn E-Mails, die man bekommt, kommen drei mit dem aktuellen Virus im Anhang. Juhu!

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Da schicken sich die User mal eben "ein paar Bilder" zum angucken: So etwa 100 Stück, verteilt auf mehrere E-Mails, jede sage und schreibe 2,5 Megabyte fett! Der Mail-Account ist also eine gute Stunde beschäftigt. Und der Absender bemerkt nichts. Wie denn auch? Er hat ja DSL und es flutscht nur alles so raus. Mag man sich vorstellen, was passiert, wenn nun immer mehr Ahnungslose das Netz über DSL kennen lernen und ihre multimedialen Mailprogramme so richtig ausgiebig nutzen? Mal da ein halbes Fotoalbum, dort ein kleines Filmchen, vielleicht ein Musikstück zur Untermalung - das reine Grauen! Das Netz wird zusammenbrechen, zumindest werden unzählige Empfänger, z.B. die ganze Landbevölkerung, per Leitungsverstopfung zeitweise abgehängt. Und niemand ist "schuld", den man auf Schadensersatz verklagen könnte.

Und nicht nur E-Mail nervt zunehmend, sondern auch Webdesigner und solche, die sich so nennen, tun ein Übriges, den Surfer verzweifeln zu lassen oder vor Ärger an den Rand des Wahnsinns zu treiben. Elend fette Flash-Intros, die einen auf die Wartebank setzen, gar ganze Flash-Sites, die - nachdem man sich im dritten Untermenü endlich zum gesuchten Inhalt durchgehangelt hat, vollständig verschwinden, weil man aus Gewohnheit mal den Back-Button des Browsers benutzt hat anstatt der Site-internen Navigation. Manchen macht es auch richtig Freude, den Besucher durch Aufziehen eines Format füllenden Fensters erstmal aller eigenen Navigationsmöglichkeiten zu berauben und dann vor einer weißen Fläche warten zu lassen.

Das gemeine Spiel ist jedoch noch weiter zu treiben: Wer hat noch nicht erlebt, dass ein Pop-Up-Fenster sich nicht mehr schließen ließ oder das Schließen mit dem Aufspringen weiterer Pop-Ups "bestraft" wurde? Die Methoden der Porno-Sites werden zunehmend in den kommerziellen Sektor übernommen und immer öfter muss man meinen eigenen Browser "abschießen" oder gar den PC neu starten, um aus irgend einer Falle - sei sie absichtlich gelegt oder durch Unfähigkeit erzeugt - wieder heraus zu kommen. Und was denkt und tut eigentlich der unkundige User, wenn ihn diese Dinge erwischen? Wird demnächst ein 80jähriger den ersten tödlichen Herzinfarkt erleben, weil er glauben muss, an dem kostbaren Gerät etwas "kaputt gemacht" zu haben?

Auch langjährige Nutzer bemerken mit zunehmendem Schrecken, dass das Netz nichts vergisst - und dass immer mehr Menschen Zugang haben, auch die Verwandten, Freunde, Nachbarn, die Vorgesetzten und Geschäftspartner. Auf der Suche nach alten Bekannten oder auch einfach aus Neugier machen sich mehr und mehr Menschen den Spaß, mal Vor- und Zuname von Bekannten in eine Suchmaschine z.B. google.de einzugeben - und finden so allerlei Texte, die ein ganz neues Licht auf den "Gesuchten" werfen - und nicht immer ist es ein Helles.

Wer nun glaubt, er könne seine "Jugendsünden" aus dem Netz wieder restlos entfernen, etwa indem er den Herausgebern der einschlägigen Webseiten die Löschung alter Texte abverlangt, irrt. Nicht nur, dass sich natürlich jeder so einen Text zu jeder Zeit zuhause abspeichern konnte - der Text ist zwischenzeitlich "gewandert": auf Sicherungs- oder Geschenk-CDs, in Download-Pakete und natürlich in die Archive der Suchmaschinen. Google bietet z.B. archivierte Fassungen aller indexierten Webseiten - da kann man dann lesen, was gelöscht wurde.

Noch ist die Vernetzung nicht vollendet. Es fehlt noch ein ganz wichtiger existenzieller Bereich: Behördenvorgänge und rechtsverbindliche Verträge aller Art. An beidem arbeitet man mit aller Kraft, um auch diese Ebenen vollständig online ablaufen zu lassen. Dann spätestens wird es ernst: Was uns jetzt noch gelegentlich vor wirklich existenziellen Folgen rettet, nämlich uns auf das ständige Nichtfunktionieren der Technik berufen zu können ("Sorry, die Mail muß im Nirvana gelandet sein", "oh, der Server ist ausgefallen", "ich hatte einen Virus im PC"...), das muss zunächst technisch und vor allem rechtlich verunmöglicht werden, damit die Vernetzung "vollständig" werden kann. Die rechtsverbindliche Signatur ist dafür unverzichtbar - und natürlich der Nachweis, dass eine e-mail auch angekommen ist.

Also bitte, wenn man denn unbedingt rein muss, weil man zu bequem ist... - nein, entschuldigung, weil man alles auf dem modernen Kommunikationsweg erledigen möchte, dann schaltet man die Kiste am Besten auch wieder aus. Rein. Raus. Fertig.
rk
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Artikel vom 12. Juli 2002

Kommentare über Nerviges Netz

RK am 05.11.2002:
Hagbard:
Nimms einfach nicht zu ernst, lies es mit einem Augenzwinkern. :)


hagbard am 23.07.2002:
der verfaser dieses textes ist ein dau


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