C6 MAGAZIN
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MUSIK 30.11.2005

Bootlegs

Dick’s Picks, Instant Live oder Digital Bootlegs sind einige Schlagwörter und Namen bekannter Liveveröffentlichungsreihen zeitgenössischer Musiker. Immer mehr Bands gehen dazu über zumindest Teile ihres Livevermächtnisses und aktuelle Konzerte offiziell zu vertreiben. Für viele Begeisterte geht des Weiteren die fanmotivierte Bootleger-Bewegung munter und Hand in Hand mit den offiziellen Veröffentlichungen weiter. Wie unterscheiden sich diese beiden Phänomene und worin liegen im Einzelnen die Vor- und Nachteile?
Eine der "Live Trax" CDs der Dave Matthews Band
© DAVE MATTHEWS BAND
Eine der "Live Trax" CDs der Dave Matthews Band
Folgendes Szenario kennen wohl viele, die sich Mitte der 90er Jahre für Livemusik ihrer beliebtesten Bands interessierten. Man war entweder auf einen eher seltenen Liverelease der Band angewiesen oder man kaufte bei seinem CD-Händler des Vertrauens Bootlegs für 15 bis 40 Mark. Mitunter total überteuert freute man sich damals trotzdem wie ein König an neue Livemusik der favorisierten Combo herangekommen zu sein. Soundqualität und Aufmachung waren erst einmal zweitrangig. Labels wie "Octopus", "Venus" oder "Arrriba" warfen diese Bootlegs damals in großen Mengen und semi-legal auf den Markt. Im Prinzip waren viele dieser Bootlegs auf CD-gepresste Audience-Tapes, durch die das Label dreist an der jeweiligen Band und dem jeweiligen Taper verdiente. Meist wurde niemand um Erlaubnis gefragt oder am Gewinn beteiligt.

Das Internet setzt diesem ganzen Treiben seit einigen Jahren ein Ende. Es existieren Plattformen durch die legal Audience-Aufnahmen getauscht und runtergeladen werden dürfen und viele Internetforen bekannter Künstler bieten eine Unterrubrik mit dem ungefähren Titel "Trade and B+P Live Recordings" an. War es vor dem Internetzeitalter eher schwierig in den erlauchten Kreis der "Tape-Trader" zu gelangen, ist dies heutzutage vergleichsweise einfach.

Der Mitschnitt des Rock am Ring Auftrittes als eine von 72 Live-Veröffentlichungen der 2000er Tour
© EPIC
Der Mitschnitt des Rock am Ring Auftrittes als eine von 72 Live-Veröffentlichungen der 2000er Tour
Zusätzlich veröffentlichen viele Bands einige (oder alle) ihrer Konzerte mittlerweile offiziell als Digital-Bootlegs, Live-CD Reihen und ähnliches. Auch hierbei wird das Internet als vorherrschendes Medium genutzt, um diese Veröffentlichungen an den Fan zu bekommen. Reagierend auf die Bootlegabzocke früherer Jahre bieten mittlerweile viele bekannte Bands und Musiker ihren Fans an, fertig gemischte Soundboardaufnahmen in den verschiedensten Formaten zu erwerben und aus einem schier grenzenlose Reservoir auswählen zu können.

Offizielle Bootleg-Varianten

Als gedankliche Väter der Idee, jedes Konzert seiner (Lieblings-)Band aufzunehmen, gelten wohl die Grateful Dead. Die unter Fans beliebte und bekannte Reihe "Dick’s Picks" gräbt seit Jahren von Zeit zu Zeit immer einen neuen Schatz aus der "Dead"-Schatztruhe aus. Musiker neueren Datums, allen voran Jam-Bands wie Phish, Widespread Panic oder Moe., machen sich dieses Mittel bereits seit Jahren zu Hilfe ihre Fans ebenfalls mit immer neuem Livematerial zu versorgen.

Mittlerweile beteiligen sich auch uns Europäern bekannte Bands an diesem Phänomen, sowohl diverse alte als auch aktuelle Livekonzerte zu veröffentlichen. Acts wie Metallica, die Barenaked Ladies, Pearl Jam oder die Dave Matthews Band haben alle ihre eigene Version einer Live-Bootleg Reihe. "Live Metallica" bietet dem Fan so zum Beispiel die Möglichkeit weit über 60 Shows ihrer "Madly in anger with the world!" Tour 2004 zu erstehen. Man kann auch ältere Shows der Band runterladen und zwischen einer MP3-Variante und Lossless (FLAC) wählen. Eine ähnliche Version bietet die Dave Matthews Band. Ihre "Live Trax" Reihe widmet sich älteren, legänderen und bis jetzt unveröffentlichten Shows der Band. Wie bei Metallica kann man zwischen MP3 und FLAC wählen. Zusätzlich hat man die Möglichkeit "echte" CD’s mit Digipack und allem drum und dran der gewünschten Show zu erwerben. "Live BNL" der Barenaked Ladies und die "Digital Bootlegs” von Pearl Jam gehen in die bereits erwähnte Richtung von Acts wie Metallica oder der Dave Matthews Band und unterscheiden sich nur geringfügig. Legendär ist und bleibt dabei Pearl Jam. Die kompletten 2000er und 2003er Touren (je um die 70 Konzerte) wurden als "echte" CD’s mit Hüllen und allem Sonstigen veröffentlicht. Vor allem im Jahr 2000 ein kühner Schritt, der von begeisterten Fans belohnt wurde.

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Im Lager der Audience-Taper gibt es mittlerweile regelrechte Stars. Durch den Fortschritt der Technik, entsprechendem Equipment und oftmals bei Konzerten eigens eingerichteten Taper-Zonen, entstehen teilweise Bootlegs die ihren offiziellen Brüdern und Schwestern nur geringfügig oder sogar in gar nichts nachstehen. Mit den entsprechenden Boxen klingen gut gemachte Audience-Tapes oft voller und um einiges authentischer als Soundboardaufnahmen. Von Jahr zu Jahr und von Tour zu Tour bewegt sich nicht nur im Bereich der offiziell produzierten und vertriebenen Bootlegs eine Menge, auch im Fanbereich ist dies zu beobachten. Dank Tapern von Bands, die nicht jedes ihre Konzerte als offiziell abgemischte Soundboardaufnahme veröffentlichen, bleibt der Geist vom Bootlegen am Leben und wächst. Als regelrechte Promis werden diese Taper in bekannten Foren der jeweiligen Band gefeiert und allein der Name eines bestimmten Tapers verspricht dem Downloader eine hohe Qualität.

Official vs. Audience

Wie bei so Vielem, scheiden sich auch bei den unterschiedlichen Varianten der neueren Bootlegproduktion die Geister. Beide Seiten haben ihre Befürworter und ihre Gegner. Argumente gegen den exzessiven Release offizieller Bootlegs liegen meist beim verlustreichen MP3-Format und dem Anhängen an Taperideale und der Suche nach dem ultimativen Tape. Wenn jedes Konzert veröffentlicht wird, entfällt die Suche. Befürworter argumentieren mit der flächendeckenden höchsten erreichbaren Soundqualität und einer Bootlegversorgung, die es erlaubt ein gerade gesehenes Konzert schon wenige Stunden später in perfekter Qualität sein Eigen nennen zu dürfen.

Im Optimalfall herrscht ein Zweiklang beider Varianten. Sich aus diversen Shows seine Lieblinge herauszusuchen und eine hohe Qualität für sein Geld zu bekommen ist lobenswert. Einfach mal zu stöbern und Konzerten unbekannter Bands eine Chance zu geben jedoch genauso. Die ultimative Quelle zu finden ist etwas Schönes und steht für den Jagdtrieb im Menschen. Wer zusätzlich noch gerne sammelt, hat mit den vielen offiziellen Programmen jetzt immer mehr gute Hilfsmittel auch an Shows zu kommen, bei denen kein Audience-Taper anwesend war.
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Artikel vom 30. November 2005

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