C6 MAGAZIN
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TOURBERICHT 9.10.2005

Pearl Jam - North America 2005

Pearl Jam bitten zur Tour. An sich nichts Ungewöhnliches, passiert dies doch im Schnitt alle zwei Jahre. Die Schauplätze dieser Touren beschränkten sich innerhalb der letzten acht Jahre aber im Großen und Ganzen auf die USA, Australien und Europa. Bei dieser, gerade zu Ende gegangenen, Tour und der Fortsetzung, die am Ende des Jahres folgen wird, ändert sich dies allerdings. Die Slogans dazu lieferte Pearl Jam’s Homepage höchstpersönlich, „Oh, Canada“ und „Girl from Ipanema“.
Pearl Jam live im Event Center des Borgata Casinos in Atlantic City am 30.09.2005
© MICHELLE ARIETA
Pearl Jam live im Event Center des Borgata Casinos in Atlantic City am 30.09.2005
Erwartungen, Überraschungen, "Oh, Canada"
Viele Pearl Jam-Fans rechneten 2005 eigentlich mit dem neuen, mittlerweile achten, Studioalbum der Band. Doch was sie bekamen und noch bekommen werden ist um einiges besser und vielversprechender. Anstatt das neue Album fertig aufzunehmen und um Oktober / November 2005 herum in die Läden zu bringen, entschieden sich die Herren Ament, Cameron, Gaspar, Gossard, McCready und Vedder für eine Pause im Aufnahmeprozess und eine ausgedehnte 15-Städte Kanadatour! Gemeinsam mit Warm-up Shows, Fundraisern, einem Gig als Rolling Stones-Support und Konzerten an der Ostküste der USA umfasste die Tour 21 Städte und insgesamt 23 Konzerte. Die Mehrzahl dieser 23 Shows, nämlich 16, fand in Kanada statt. Neben bekannten Großstädten des Landes wie Toronto, Vancouver oder Montreal führte die Tour über Städte, die ein Europäer wohl noch nie vorher in seinem Leben gehört hat, und die sonst von Auftritten großer Bands wie Pearl Jam wohl nur träumen konnten. Oder wem, der noch nicht auf einem ausgedehnten Kanadatrip war, geht bei Städtenamen wie Thunder Bay, Saskatoon, Kitchener oder St. John’s gleich ein Licht auf?

Pearl Jam Sänger Eddie Vedder
© MICHELLE ARIETA
Pearl Jam Sänger Eddie Vedder
Der Tour wird sich im November und Dezember eine in Südamerika, einem im Pearl Jam Tourkalender bis auf Mexico City bisher nie auftauchende Region, anschließen. Begleitet wird man von immer neuen offiziellen Bootlegs und das neue Album soll zwischen den Touren fertiggestellt werden und im ersten Drittel des Kalenderjahres 2006 folgen. Aber zu all dem später mehr, jetzt heißt der Slogan auch für den hier Schreibenden erst einmal, "Oh, Canada"!

29/08 – 05/10/2005: Pearl Jam – North America 2005
Zwischen dem 29. August und dem 5. Oktober 2005 war es wieder soweit, eine neue Pearl Jam Tour! Ein kurzer Abriss über einige Zahlen und Fakten dieser Tour lässt Pearl Jam-Fans das Grinsen wohl nicht allzu schnell wieder aus dem Gesicht verschwinden: 23 Konzerte, 21 Städte, im Schnitt ist jedes Konzert grob 2,5 Stunden lang, knapp 30 Songs pro Konzert, 20 offizielle Bootlegs (diesmal "Digital-Boots", eine Erläuterung folgt später) und insgesamt finden sich über 100(!) verschiedene Songs auf den immer wechselnden Setlists der Band wieder!

Den Anfang nahm die Tour mit einem Fundraiser für den demokratischen Senatorenkandidaten des Bundesstaats Montana ‚Jon Tester’ in Missoula, Montana und einem wohl jetzt schon legendären Konzert in George, Washington (The Gorge). Vor allem das The Gorge-Konzert mit einem 35 Song langen Set (über 3 Stunden) und Songs, die sich Fans seit Jahren live wünschten, Raritäten und einer Band, die an Spielfreude nicht zu überbieten war, bildeten einen fabelhaften Auftakt zu dieser Tour. Zum Gorge-Set gehörten Songs wie "Hard to imagine", "Undone", "Sad", "Alone", "Low Light" oder das Mother Love Bone-Cover "Crown Of Thorns". Alles im Pearl Jam Fanlager umjubelte Raritäten, die einen speziellen Platz in jedem noch so grandiosen Pearl Jam-Set haben. Speziell das seit 188 Shows und fast genau 7 Jahren nicht mehr live gespielte "Hard to imagine" überraschte so ungefähr jeden und lies ahnen was auf der Tour noch so alles folgen könnte. Die einzigartige Naturkulisse des Gorge-Venues trug wohl ihr Übriges zum perfekten Gelingen dieses Abends bei.

Pearl live in Halifax, Canada am 22.09.2005
© MIKE FOSTER
Pearl live in Halifax, Canada am 22.09.2005
Den beiden Warm-Up Shows in Missoula und The Gorge folgte der eigentliche Kanadatourauftakt in Vancouver und weitere Konzerte in Calgary, Edmonton, Saskatoon und Winnipeg. Bei jedem dieser Konzert fängt an, was sich wie ein roter Faden durch die ganze Tour ziehen wird. Eine Band auf einem Level, das einem jegliche Superlative in den Kopf kommen lässt, und Fans, die sich von der Energie, Freude, Dankbarkeit der Band gegenüber vor nichts und niemandem zu verstecken braucht. Zu den Highlights dieser Konzerte gehört der sonst eher selten gespielte Opener "Release", das Guess-Who Cover "Running back to Sakatoon" (der Lokalität angepasst), den wiederbelebten Pearl Jam-Oldie "Bee Girl" (dargeboten nur von Jeff Ament und Eddie Vedder) und die Setlist-Appearences von PJ-Klassikern wie "Red Mosquito", "In hiding" oder "I got shit".

Weiter im Tourprogramm ging es mit Auftritten in der kleinsten Halle der Kanadatour in Thunder Bay (Fassungsvermögen 4.690 – im Vergleich dazu die größte Halle der Kanadatour, Montreal mit über 21.000) und Auftritten in Kitchener, London, Hamilton, Montreal und Ottawa. Speziell Ottawa gilt mit einem langen und großartigen Set definitiv zu den Top-5 Konzerten der gesamten Tour. Zu den Höhepunkten dieser sechs Konzerte gehören sicherlich die PJ-Raritäten "Wash", "Down", "Indifference", "Smile", "Long Road", "Faithfull", die Eddie Vedder Solo Ukulele-version von "Can’t keep", das Cat Stevens-Cover "Trouble" und die durch Eddie Vedder ab Kitchener abgehaltenen Pre-Sets (vor dem Opener Sleater-Kinney spielt Vedder immer einen Song für alle Fans, die schon früh da sind) mit Soloversionen von u.a. "Porch", "Last kiss" oder dem Bruce Springsteen-Cover "Growin’ up".

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Auch bei den folgenden und abschließenden Konzerten des Kanadateils der Tour in Quebec, Halifax und St. John’s wurden leider keine Songs aus dem neuen, noch unveröffentlichtem, Album präsentiert. Wegen Bandaussagen, die das Spielen von neuen Songs eventuell ankündigten, waren einige Fans etwas enttäuscht, durch etliche Songs der Raritätensammlung "Lost Dogs" wie "Footsteps", "Hard to imagine", "Breath", "U", oder "Leaving here" oder anderen Liveperlen wie "The American in me", "Baba O’Riley", "Present tense", "In my tree", "Sometimes", "Man of the hour" oder "Porch" (mit einem neuen Intro) wurde dies aber wie ich finde sehr gut abgefedert.

Fünf der dreiundzwanzig Konzerte fehlen nun noch, alle fünf fanden in den USA statt. Beginnen sollte der Tour-Absacker als Rolling Stones-Support in Pittsburgh am 28. September. Nach 1997 in Oakland supporten Pearl Jam erneut die Stones und ein 14 Song langes, fast nur mit Rockern wie "Go", "Corduroy", "Alive", "Animal" oder "Jeremy", gespicktes Set dürfte wohl für das perfekte Rahmenprogramm an diesem Abend gesorgt haben.

Als nächstes führte der USA-Abstecher ins Spielerparadies Atlantic City. Zwei Nächte hintereinander spielte die Band großartige Sets in einem für Pearl Jam-Verhältnisse eher kleinen Casino. Zu den Höhepunkten der Sets gehörten die jeweiligen Opener "Long Road" und "Present tense", genauso wie "Sad", "Yellow Ledbetter", das "Eleanor Rigby"-Intro zu "I got shit", der dritte und letzte Auftritt von "Don’t gimme no lip" und vor allem die Präsentation des neuen Songs "Gone". Vedder spielte "Gone" solo, der Song wurde zwei Nächte zuvor geschrieben und geht in die Richtung bekannter Vedder-Kompositionen wie "I am mine" oder "Dead man".

Den Spruch "save the best for last" für das Konzert in Philadelphia zu verwenden ist von daher unangebracht da die 21 vorangegangen Konzerte schon jedes einzelne Marken für sich waren. Allein ein Blick auf die Setlist in Philadelphia garantiert einem aber diverse Aha-Erlebnisse. So wurde in Philly nicht nur der sehr selten live gespielte "No Code"-Closer "Around the bend" ausgepackt und der King persönlich ("Little Sister" von Elvis Presley) gecovert, eine PJ-Perle reihte sich an die nächste.

Dank eines Anwesenden, der mir die Songs einen nach dem anderen per Email zuschickte, postete ich das komplette Set nach und nach live im Red-Mosquito Forum. Wegen Songs wie "Alone", "Faithfull", "Nothingman", "Hard to imagine", "Crown of thorns" oder "Sonic reducer" herrschte dort eine große Begeisterung und allseits der Ärger bei diesem Konzert nicht anwesend zu sein und es nur über diesen Weg verfolgen zu können. Insgesamt spielt die Band an diesem Abend 32 Songs und um 5.30 Uhr deutscher Zeit (morgens) lag ich endlich im Bett.

Überschattet wurde der Verlauf der Pearl Jam Tour von den Ereignissen die vor allem der Wirbelsturm "Katrina" mit sich brachte. Vedder kommentierte das Versagen der Regierung Bush mehrmals und forderte zur größtmöglichen Unterstützung der Flutopfer auf. "Given to fly" ihres Saskatoon-Sets wurde im Rahmen der "ReAct Now: Music & Relief"-Aktion, mit dem Spenden für die Opfer gesammelt werden sollten, auf MTV ausgestrahlt.

Genau diesen Opfern ist auch der letzte Tourauftritt am 5. Oktober im House of Blues zu Chicago gewidmet. Bis auf 50 Fanclubtickets kostete jede Karte 1.000 US-Dollar und der Erlös wurde uneingeschränkt an die Opfer von "Katrina" weitergegeben.

Etwas ganz besonderes erwartete die Besucher bei diesem Konzert. Nach dem Main-Set und dem ersten Zugabenteil kam nämlich der Support-Act, kein geringerer als Ex- Led Zeppelin Sänger Robert Plant, auf die Bühne und ein Feuerwerk von 5 Coverversionen (3 davon waren Pearl Jam Konzertpremieren) wurde abgebrannt. "Little Sister" (Elvis Presley), "Money (That’s what I want)" (wurde bekannt durch Interpretationen von u.a. den Beatles), "Fool in the rain" (Led Zeppelin), "Thank you" (Led Zeppelin) und "Rocking in the free world" (Neil Young) zauberten Pearl Jam mit der Unterstützung von Plant aus dem Hut und begeisterten die Zuschauer. Da diese Show (gemeinsam mit Missoula und Pittsburgh) eines der drei Konzerte ist, die Pearl Jam nicht als "Digital-Boot" veröffentlichen, bleibt uns allen nur die Hoffnung auf eine eventuelle reguläre CD Veröffentlichung oder eine in Fankreisen wohl kollabierende Zustände hervorrufende DVD Veröffentlichung. Ein guter Plan wäre es auf jeden Fall, der Erlös könnte ja ebenfalls den "Katrina"-Opfern zur Verfügung gestellt werden.

Natürlich lässt sich eine solche Tour umfassend nicht Song für Song und Konzert für Konzert nachstellen, erst Recht nicht wenn man nicht dabei war. Ich habe versucht diverse Highlights der einzelnen Sets und Shows hervorzuheben, wem Pearl Jam-Hits wie "Alive", "Jeremy", "Black", "Last Kiss" oder "Even Flow" fehlen, dem sei gesagt, das auch diese natürlich oft gespielt wurden und nicht verschwunden sind. Mein Augenmerk lag auf anderen Songs und Momenten, vor allem "Alive", "Black" und "Even Flow" stachen aber selbst für alteingesessene Fans auf dieser Tour heraus, die Band hauchte ihnen im Vergleich zur 2000er oder 2003er Tour mehr Leben ein und bescherte ihnen so einen sprichwörtlichen zweiten Frühling.

Digital Bootlegs 2005
So, und nun ein paar Worte zu den offiziellen Bootlegs der Konzerte. Ich war leider bei keinem der Konzerte anwesend, das oben erzählte weiß ich durch das Hören der Bootlegs und dem Schreiben, Lesen und Diskutieren auf etwaigen Pearl Jam Message-Boards.

Veröffentlichten Pearl Jam anlässlich ihrer 2000er und 2003er Touren noch echte Silberlinge betreten sie mit der Einführung der "Digital-Boots" 2005 technisches PJ-Neuland. Fast jedes Konzert (Missoula, Pittsburgh und Chicago wurden nicht veröffentlicht) der abgelaufenen Tour konnte man nur wenige Stunden nachdem die Band die Bühne verlassen hatte auf deren Internetseite fertig gemischt und als qualitativ hochwertige MP3’s für knapp 10 US-Dollar käuflich erwerben (zusätzlich gibt’s CD-Artwork zum Selberbasteln und eine Foto-Slideshow vom jeweiligen Gig).

Zugegebenermaßen war die Fangemeinde gespaltener Meinung über diese Innovation, vielen wären "echte" CD’s oder die Wahl zwischen MP3 (MP3’s sind und bleiben mit Qualitätsverlust verbunden) und Losslessformaten wie SHN oder FLAC lieber gewesen. Mir bleibt im Nachhinein nur meine subjektive Meinung. Ich bin froh, das die Band sich zu diesem Schritt entschieden hat, so schnell mit dem Konzert von letzter Nacht versorgt zu werden und eine sehr hohe Soundqualität zu haben hat mich angenehm überrascht und überzeugt. Es ist zu hoffen, dass die Serie bei der kommende Südamerikatour fortgesetzt wird, vielleicht dann ja mit einer SHN oder FLAC-Option, es wäre sehr zu begrüßen!

Anhaltender Grund zur (Vor)Freude
Was erwartet uns nun in der Zukunft? Als erstes eine weitere Tour! Von Ende November bis Mitte Dezember 2005 werden Pearl Jam 9 Konzerte in südamerikanischen Großstädten wie Buenos Aires, Porto Allegre, Santiago de Chile oder Monterrey spielen. Die erste Südamerikatour der Band wird mit unglaublicher Vorfreunde der Fans dort unten erwartet und verspricht außergewöhnliche Stimmung, außergewöhnliche Sets und hoffentlich wieder außergewöhnliche Digital-Boots.

Vermutungen und Hoffnungen prägen die weitere Zukunft, in Zahlen 2006. Gut bis sehr gut möglich sind Touren in Europa, Australien und den USA und der Release des neuen Albums. In Stein gemeißelt ist davon leider nichts, aber ich bin mir sicher, das Pearl Jam uns nicht enttäuschen werden. Vielleicht hört man ja auf ihrer Homepage demnächst nach "Oh, Canada" und "Girl from Ipanema", die Eurovision, Zeit wäre es!

Bis zur nächsten Eurotour bleiben uns die diversen Bootlegs, die Vorfreunde Pearl Jam wieder live erleben zu dürfen und die Antizipation des neuen Albums! In diesem Sinn, keep on rockin’ in the free world!
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Artikel vom 9. Oktober 2005

Weiterführende Links
- Offizielle Pearl Jam - Homepage: www.pearljam.com
- Englischsprachiges Fanforum: www.red-mosquito.de
- Fanpage: www.theskyiscrape.com

   
Quellenangabe
- Concert Chronology: www.twofeetthick.com


Kommentare über Tourbericht

steffi und claudi am 22.10.2005:
sehr guter artikel..


nollgo am 16.10.2005:
Sascha Knapek = Pearl Jam !
Pearl Jam = Sascha Knapek


Mudy am 10.10.2005:
Was ein toller Artikel.. Ich bin platt. Arbeitest du für den Rolling Stone ?


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