C6 MAGAZIN
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KOMMENTAR 19.4.2005

Just talking ´bout a revolution

Bob Dylan, Joan Baez, Cat Stevens – das war einmal. Die Zeiten, in denen mit Musik etwas bewegt wurde, scheinen vorbei zu sein. C6-Autorin Hannah Suppa hat dieses Phänomen untersucht. Eine Bestandsaufnahme.

© WARNER
Noch heute reden die Musik-Fans über dieses Ereignis und die, die sich eigentlich nicht für Musik interessieren, können sich auch noch gut daran erinnern: Live Aid. Das war 1985. Und das ist inzwischen zwanzig Jahre her. Bob Geldof (Boomtown Rats, "I Don´t Like Mondays") organisierte das größte Spektakel der Musikgeschichte zu Gunsten hungernder Kinder in Afrika. Stars wie Madonna, Phil Collins, Queen, U2, Tracy Chapman, David Bowie, Paul McCartney traten gleichzeitig in London und in Philadelphia auf. Zeitgleich nahmen die Künstler unter dem Namen "Band Aid" die Weihnachtssingle "Do The Know It`s Christmas?" auf – seitdem ein Klassiker.
Heute funktioniert das nicht mehr so einfach. Im jüngst vergangenen Jahr trommelten Bob Geldof und Midge Ure (Ultravox) wieder zwei Dutzend Musiker zusammen, um den Weihnachts-Klassiker erneut aufzunehmen und wieder Geld für bedürftige Kinder zu sammeln. Aber der Erfolg war spärlich.
Ob es nur an den fehlenden wirklich großen Künstlern (mal von Robbie Williams und Chris Martin abgesehen) liegt, ist fraglich.
Musik scheint heute nichts mehr zu bewegen. Die Musiker haben ihre Stimme verloren, mit der sie früher sooft angeklagt, wachgerüttelt und verändert haben.
Aber wo ist sie geblieben?
Morrissey war und ist politisch. Mit den Smiths und Songs wie "Meat Is Murder" - solo singt er "Irish Blood, English Heart"
© SANCTUARY RECORDS
Morrissey war und ist politisch. Mit den Smiths und Songs wie "Meat Is Murder" - solo singt er "Irish Blood, English Heart"
Songs mit relevanten Themen erreichen die breite Öffentlichkeit heute höchstens noch als Untermalung in den Medien. John Lennons "Imagine" wird heute immer gerne wieder benutzt, wenn man sich an gemeinsame Werte erinnern will.

Songs zur Untermalung

Für Spendenaufrufe werden solche Songs wieder hervorgeholt: Das Tears For Fears Cover "Mad World" von Gary Jules & Michael Andrews diente kürzlich als Hintergrund für die Spendenaufrufe von RTL & Co für die Opfer der Flutkatastrophe in Südasien. "When people run in circles, it´s a very very mad world".
Ja, aber was tut die Musik als Form von Kunst gegen diese "schlechte" Welt?

Dylan war einmal

Wie sooft und vielzitiert war früher alles besser. Bob Dylan, Joan Baez, Cat Stevens, Janis Joplin, Jim Morrisson, Joni Mitchell – die Liste ist lang. Eine musikalische Revolution für Frieden, Freundschaft und Toleranz. 1963 sang Joan Baez: "Oh, deep in my heart I do believe: Black and white together now some day."
Inzwischen sind Janis Joplin und Jim Morrisson an einer Überdosis Heroin gestorben, Cat Stevens ("Peace Train", "Where Do The Children Play?") nennt sich Yusuf Islam und ist zum Islam konvertiert. So gesund scheint das Singen gegen die schlechte Welt wohl nicht zu sein. Vielleicht probieren es deshalb immer weniger Musiker.

Meat Is Murder!

Dabei kann Musik ja vielfältig eingesetzt werden:
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Uns fehlen die Troubadoure. Die Bob Dylans, die mit kleinen einfachen Songs wenigstens ansatzweise etwas verändern. Singer/Songwriter gibt es heute mehr denn je, aber John Mayer und Co singen lieber über Unverfängliches ("Your Body Is A Wonderland") als den 11. September, den Irak-Krieg oder hierzulande vielleicht Hartz IV zu thematisieren.
Musik wird nur dann Kraft zugesprochen und politisiert, wenn es gerade in eine öffentliche Diskussion passt. Nach dem Schul-Massaker in Littleton in den USA war Marylin Manson Schuld, für Erfurt waren Slipknot verantwortlich – weil beide Täter diese Bands gehört hatten. Eine wohl zu einfache Interpretation

Es gibt noch Idealisten

Doch es gibt auch heute noch die, die mahnen und sich einsetzen, nur ist ihre Stimme zu leise und erreicht die breite Masse nicht mehr. Wir sehen und hören in den Nachrichten täglich zu viel unsere schlechte, grausame Welt, dass Musik da kaum noch einen Platz hat. Aber es gibt noch Bands und Musiker, die es versuchen:
Incubus prangern größenwahnsinnige Staatsoberhäupter an ("Megalomaniac"), Chumbawamba die Politik im Besonderen und Allgemeinen ("Always Tell The Voter What The Voter Wants To Hear" oder "Pictures Of Starving Children Sell Records"), REM und Bono (U2) sind auch immer noch in der Riege der sich einsetzenden Musiker dabei.
Aber die, die noch eine Stimme haben, denen fehlt das Gehör. Es scheint heute einfach gar nicht mehr zu interessieren, was Kunst, also auch Musik zu sagen und erzählen hat.
Der Zeitgeist ist ein anderer. Kein händchenhaltendes Friedens-Lieder-Singen mehr, die vielzitierte Ellbogengesellschaft ist allgegenwärtig. Tabus sind längst alle gebrochen, was soll noch kommen? Worüber soll man noch singen und schreiben?
Ein kurzes Raunen geht durch das Land, weil die Berliner Band Mia stolz ist aus Deutschland zu kommen und auf der Bühne die Nationalfahne schwenkt ("Was es ist"): "Was ich jetzt weiß und noch nicht wusste // bin nicht mehr fremd in meinem Land". Ein paar Tage vergehen und es ist vergessen.
Andere versuchen es dann lieber gar nicht erst. Und liefern der Kommerz-Gesellschaft lieber Unterhaltungsmusik mit "Lala" und "Uh Baby Uh" – das verkauft sich besser und jeder Idiot kann es noch im betrunkenen Zustand mitsingen.
Aber das ist ja auch in Ordnung, Musik zur reinen Unterhaltung und zum Feiern hat es immer gegeben. Und soll es auch weiterhin geben, denn Musik macht schließlich auch Spaß. Solange es noch die gibt, die Musik als Kunst verstehen und sie nützlich einsetzen. Sie können heute wohl nichts mehr verändern, auch die breite Masse können sie nicht erreichen, aber sie können wenigstens versuchen ihre Stimme zu erheben.
"Don´t you know, they talking ´bout a revolution", sang Tracy Chapman 1985 auf dem Live Aid Konzert – Manchmal reicht Reden auch schon aus.
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Artikel vom 19. April 2005

Live Aid

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