Von verbalen Kämpfen und Tonspuren
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Manch einer wird sich wohl eines kritischen Blickes nicht erwehren können, wenn ihn die Boxen seiner Stereoanlage oder seines Computers plötzlich wüst mit Kraftausdrücken wie „Faker“, „Hater“ oder „Arschloch“ beschimpfen oder sogar soweit gehen, ihm ein intensiv gepflegtes Verhältnis zu seiner leiblichen Mutter nachzusagen. Warum man sich nicht in jedem Fall davon beeindrucken lassen sollte, zeigt uns das Projekt „Reimliga Battle Arena“ (kurz: RBA) des „Reimliga e.V.“ |
Doch fangen wir einmal ganz von vorne an... Die Idee, Rap-Battles nach dem Vorbild der in der HipHop-Szene gängigen Freestyle-Battles auch im Internet auszutragen, dürfte schon vor langer Zeit die Köpfe der Szene-Anhänger bewegt haben. In Newsgroups lieferte man sich sogenannte "Freetype-Battles", wortgewandt geschriebene Textbattles, in denen der Gegner mit Versen "gedisst", mit Wortspielen "zerflext" und mit jeder Menge Einfallsreichtum "geburnt" wurde. Das Problem: wie sollte man dabei objektiv bewerten, ob der Gegner gut ist? Es konnte ja weder der "Flow" noch der Ausdruck der Stimme untersucht werden. Also reifte der Gedanke, ob man nicht mit dem legendären mp3-Format in der Lage sein könnte, das ganze auch als "hörbares" Projekt durchzusetzen.
In der Charta der RBA liest man zur Geburtsstunde der RBA die folgenden Zeilen: "Am 09.11.1998 schrieb D.G. die berühmten unvergessenen Worte in der damh: '...[..] damit würde ich sagen ist die RBA eröffnet [...]...' (Anm.d.Redaktion: Dieses Zitat ist in brutaler Weise aus dem Kontext gerissen, hilft aber bei der Feststellung eines genauen RBA-Geburtsdatums). Weise gesprochen, und wie wir sehen - das Ding läuft."
Und das Ding läuft tatsächlich! Bis zum heutigen Tag wurden bereits über 10.000 Battles bestritten und die RBA zählt - glaubt man der Mitglieder-Tabelle - weit über 1000 Mitglieder. Dort findet sich wirklich alles an Stilrichtungen und "Skills", was deutscher Underground HipHop zu bieten hat. Und auch wenn der Testosteronüberschuss in kaum einem Musikprojekt so offensichtlich ist, gibt es auch vereinzelte Amazonen in den Reihen der Verbal-Krieger.
Diese "MCs" (MC: Abk. engl. "Master of Ceremony" - gängige Bezeichnung für Rapper) fordern sich nach dem Login in ihren Account gegenseitig heraus und liefern sich, mit allen rhetorischen Mitteln, Wortspielen und Kraftausdrücken, die ihr Gehirn ersinnen kann, Wortgefechte mehr oder weniger intelligenter Couleur. Dabei wird meist kein gutes Haar am Gegner, oder seinem familiären Umfeld gelassen, denn die sogenannten Punchlines müssen sitzen. Das tut aber dem oft kollegialen Umgang der Beteiligten in der Regel keinen Abbruch. Kein Wunder: es kommt häufig vor, dass sich die Kontrahenten kennen, oder sogar aufgrund eines Battles kennen lernen.
Aufgenommen wird zuhause. Man braucht dazu ein Mikrofon und Mehrspur-Recording-Software, die man dank der fortschreitenden Entwicklung, heute bereits sehr billig erstehen kann. Jeder mit einem halbwegs passablen Computer kann diese Software verwenden und damit teils wirklich erstaunlich gute Ergebnisse erzielen. Dazu wird das Instrumental, über welches gerappt wird, in eine Tonspur gelegt und dann in weiteren Spuren der Rap darüber gelegt. Natürlich gibt es zum Teil massive Qualitätsunterschiede bei den Aufnahmen, was durch oft sehr verschiedene Aufnahmebedingungen und Können der Kontrahenten bedingt ist.
Damit es trotzdem fair bleibt wacht die Jury über den gerechten Verlauf. So wird die Aufnahmequalität nicht bewertet, sofern man die Stimme noch verstehen kann. Stattdessen wird auf den Text, Flow, Ausdruck und besondere Merkmale des "Parts" geschaut. Dann entscheidet die Jury in geheimen Abstimmungen über Gewinner und Verlierer und gibt Kommentare zu den abgelieferten Musikdateien ab, die bei der Weiterentwicklung der Fähigkeiten eine Hilfe sein sollen, oder die Besonderheiten der abgelieferten Files hervorheben.
Und warum das alles? Sehen wir noch einmal in die Charta. "Nichts ist essentieller im HipHop als das gewaltfreie Kräftemessen in verschiedenen Disziplinen. Und weil das Rappen dank Home-Recording zum Volkssport wird, wird es doch nur zu dringend Zeit, Niveau und Studio-Gangster gegenüber zu stellen. Jeder ist eingeladen, am ultimativen Battle teilzunehmen und gegen halb Deutschland zu rappen, ach was sag ich, mit den Schwiezern und den Ösis ist das ja schon die halbe Welt ;) Denn am Ende kann es immer nur einen geben ;)"
Und damit wurde schon aus so manchem "Möchtegernphrasendrescher" ein echtes Glanzlicht der Underground-Szene. "Abdel" beispielsweise hat sich dort oft die Ehre gegeben und erregte erst demletzt großes Aufsehen durch seinen im Netz kursierenden "Disstrack" gegen Kommerzrapper EKO FRESH, auf den Beat von dessen Track "Ich bin Jung und brauche das Geld". Darin nahm Abdel, zusammen mit Faust & T-Low Benz, EKOs Track nach allen Regeln der Kunst und mit mehr oder minder sarkastischen Aussagen auseinander.
Einige Künstler haben Labels gegründet und viele bereits Alben und Tapes veröffentlicht. Also eine wasserdichte Talentschmiede? Könnte man sagen, wenn da nicht eine traurig hohe Zahl von sogenannten "Wack-MCs" (zu deutsch in etwa: schlechte Rapper) wäre. Die steigt leider tendenziell weiter, da manch einer keinen Wert mehr auf persönliche Weiterentwicklung legt. Damit sinkt die Qualität des Ligagesamtbildes leider auf ein Level, dass der RBA nicht gebührt.
Doch wie denken die RBA-Mitglieder über diese Möglichkeit der Freizeitgestaltung?
"RBA ist gut für’n Einstieg, weil man viel macht, dazu gezwungen wird, vielleicht auch gute Tips bekommen kann, für’n Anfang" sagt I!!usion aus München West. "Danach kann man das aus Spaß weiterverfolgen, sollte aber nix ernst nehmen, weil’s eben ab einem gewissen Grad von Tightness (nich mehr blutiger Anfänger) zu sehr Geschmackssache ist."
Damit vertritt der Münchener Rapper eine ähnliche Auffassung wie Horst aus Hildesheim: "Ich finde die RBA ist eine sehr gute Übung zur Weiterentwicklung des Raps! Man lernt sehr viel dabei. Aber ich finde es gibt zu viele Faker!"
Und wie sieht das Sugar, der Administrator dieses Webspace und Traffic verschlingenden Monsters? "RBA ist für junge Nachwuchs-MCs und DJs eine perfekte Möglichkeit, in kurzer Zeit in festen Abständen Parts fertigzustellen und sich mit anderen Membern aus Deutschland, Österreich und der Schweiz zu messen. Diese werden von der Jury eisenhart bewertet und man sieht, was man zu verbessern hat."
DÄFF aus Hennef bei Köln attestiert der RBA gar eine Deutschlandweite Community-Funkiton: "Die RBA ist eine Plattform, die ich Leuten, die ernsthaft Rappen lernen oder sich weiterentwickeln wollen sehr ans Herz legen kann. Man kann durch die Community von Nachwuchsrappern aus ganz Deutschland unglaublich viel lernen und zudem noch connecten. Wenn man die RBA also richtig nutzt, kann man sich wunderbar von zuhause aus entwickeln ohne anderen Leuten auf die Nerven zu gehen und legt im Idealfall den Grundstein für eine reale Rapperkarriere mit Auftritten und professionellen Produktionen!"
Da bleibt nicht viel hinzuzufügen. So lange die Liga dazu beiträgt, Konflikte auf harmlose Art zu beginnen und beizulegen oder dem deutschsprachigem HipHop eine neue Dimension zu geben, hat die RBA nicht nur ihre Daseinsberechtigung, sondern stellt sogar einen unersetzlichen Teil der deutschen Undergroundszene dar. Und da kann man dann auch mal getrost darüber hinwegsehen, wenn einen der Nachbar mal "Biter", "Faker" oder "Depp" nennt... |
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Kommentare über VerbalkampfJay Sativa am 11.07.2004: Guter Artikel! Bin auch schon ca. 2 Jahre dabei. ;)
K,C am 15.02.2004: kann leider nicht lesen :-)
jo-Z am 14.02.2004: ich kenne sowohl georg, als auch einige aus der RBA und muss sagen, dass der text interessant zu lesen ist. er hält einiges an hintergrundwissen bereit und erklärt dem unwissenden etwas mehr über die hintergründe der oft recht krassen verbalakte.
allerdings finde ich den text - zumal er sich mit einem undergroud-thema befasst - etwas zu geschwollen.. auch wenn ich mich selbst gerad dieser sprache bediene.. ;)
check das aus!
MAIN-CITY-NORD
DiCHTA37 am 13.02.2004: jap, schön geschrieben.
aber leider is das mit dem Ligagesamtbild sehr gut getroffen.
Argy am 12.02.2004: gefällt sehr gut
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