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LITERATUR ZUR WM
| 25.5.2006
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Zwischen Blasphemie und wahrem Glauben
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Sind Fußballspieler wahre Götter? Und warum reden diese gottgleichen Sportler dann eigentlich so einen Mist in die Mikrophone? Dies und weitere Fragen stellen sich die Zuschauer an jedem Spieltag und bei jeder Länderspielübertragung immer wieder von Neuem. Doch wäre es nicht besser, seine Zeit mit anderen, vielleicht wichtigeren Gedanken, zu füllen? Neue und alte Bücher liefern lesenswerte Gegenbeweise! |
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Braucht der Fußball Lichtgestalten?
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| | Sport und Sprache gehören im deutschen Fernsehen so zusammen, wie das Amen und die Kirche. Sie sind einfach unzertrennlich und dennoch könnte man sich jedes Mal über die blöden Kommentatoren und die alles andere als intelligenten Sprüche der Kommentatoren aufregen. Für viele ist es nervtötend, wenn mit fachlichem Halbwissen oder in totaler Erschöpfung ein intelligenter Kommentar zum Spiel auf dem Platz abgegeben wird, bei dem sich der durchaus interessierte Zuschauer nur an den Kopf fassen kann und sich ernsthaft Gedanken machen muss, ob es nicht besser gewesen wäre, den Ton abzustellen. Andererseits könnte er sich auch mit einem Spruch des Fußballkaisers Beckenbauer beruhigen, der einmal betonte: "Was gesagt wird ist nicht so wichtig. Hauptsache ist, dass etwas gesagt wird." Recht geben würden ihm auf jeden Fall Friedrich Christian Delius und Christian.
Letzterer hat in seinem gerade erst im Ullstein-Verlag erschienenen Buch "Lattenschuß" eine Stoffsammlung geliefert, in der das beste unnütze Wissen über den Weltfußball vereint wird. Ganz nach Oscar Wilde, der einmal bemängelte, dass es zu wenig Bücher mit unnützen Informationen gäbe, steigt der Stern-Redakteur Siewers in ein Genre ein, dass auf dem deutschen Buchmarkt seit einiger Zeit im Schatten existiert. Mit "Schotts Sammelsurium", einem ebenso handlichen Buch - vollgestopft mit eigentlich uninteressanten Tabellen, Definitionen und anderem - wurde damit im vorletzten Jahr im Berlin-Verlag ein Anfang gesetzt.
Potpourri der Kuriositäten
In seiner sehr ausführlichen Sammlung hat der Hamburger Journalist Informationen über die Berufe von Fußballspielern, ihre Torzahl und Ablösesummen bis hin zu anderen mehr oder weniger Details zu den Spielern und ihren vielen Frauen aufgeschrieben. So wird auch der Skandal um den Schiedsrichter Hoyzer genauestens erläutert oder das interessante Interview zwischen Waldemar "Waldi" Hartmann und Rudi Völler bei der Qualifikation zur vergangenen EM dokumentiert. Diese sogenannte "Scheißdreck-Käse-Rede", wie sie Siewers nett betitelt hat, sprach damals vielen Zuschauern aus dem Herzen. Was Kommentatoren – und Völler bezog sich damals vor allem auf Gerd Delling von der ARD – am Ende eines Spiels mit deutscher Beteiligung zu sagen habe, sei immer mit einem negativen Unterton behaftet und letzten Endes nur nervig.
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Das Wunder von Bern: Erinnerungen an die WM von 1954
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Überschrieben sind die elf Kapitel jeweils mit Kommentaren der Sportler. Von "Lieber arbeitslos, als nach Österreich" bis hin zu "Ein drittel mehr Gehalt? Ich will mindestens ein Viertel." Ist da alles dabei und teilweise muss man schon darüber lachen, was für dumme Sprüche diese zu Fußballgöttern hochstilisierten Sportler bringen können. Sind Götter nicht eigentlich perfekt und makellos? Fußall ist doch so gut wie eine Religion, oder warum sonst bezeichnet man besondere Stadien häufig auch als Kathedralen, weil sie so übergroße Formate einnehmen, und wieso sonst sollte man die vielen Zuschauer als Fans, also Fanatiker.
Blasphemie im Wohnzimmer
Diesem interessanten Gedanken geht der deutsche Schriftsteller F.C. Delius in seiner Erzählung "Der Sonntag an dem ich Weltmeister wurde" nach. Biographisch schildert er den Tag, an dem die deutsche Nationalmannschaft 1954 in Bern überraschend Weltmeister wurde. Aus einem Pfarrerhaus im Hessischen stammend erzählt er sehr detailliert den Ablauf dieses für die Familie heiligen Tages, an dem der Junge eigentlich nur eins will – Radio hören. Er übergibt sich anfangs voll der Autorität seiner Eltern, besucht zusammen mit der Mutter den Gottesdienst und tut auch sonst alles, was die Eltern zufrieden stellen kann, damit er im Zimmer des Vaters der heute noch beeindruckenden und berühmt gewordenen Stimme Zimmermanns zu folgen.
Alles läuft überwältigend in dem Spiel, das heute noch als " Wunder von Bern" gilt und sogar verfilmt worden ist. Doch irgendwann überkommen den jungen Fußballfan beklemmende Gedanken, als der Kommentator eine religiöse Sprache verwendet, weil er von Fußballgöttern spricht. Im Zimmer hängen viele Bilder, die Bibelszenen darstellen und die Hauptfigur fragt sich, ob es richtig ist, in solch einer Umgebung einem solchen Gottesdienst, wie er meint, zu folgen. Es ist ein interessantes Buch, dass mögliche Gedanken eines Kindes aufgreift, das immer noch unter der Autorität der Eltern leben muss und sich im tiefsten Inneren nach der Freiheit eines Fußballers auf dem Platz sehnt.
Denkwürdige Lektüre
Beide Bücher versuchen von unterschiedlichen Punkten aus auf das Phänomen Sport, im Besonderen Fußball, und Sprache einzugehen. Während das eine Buch, sich eher mit einer humorvollen Absicht diesem Thema zuwendet, schafft der deutsche Schriftsteller Delius einen durchaus ernsten und denkwürdigen Zugang. Vielleicht ist es wirklich an der Zeit – jetzt zur WM in Deutschland – Gedanken über Kommentare und Sprache im Fernsehen zu machen.
Die deutsche Sprache wird bei Fußballereignissen, so lernt der Leser dieser Bücher, gerne zum Hochstilisieren verwendet und manchmal auch missbraucht. Bei Begriffen wie Fußballgott scheint das Hirn der Kommentatoren auszusetzen, denn derartige Begriffe sind blasphemisch und nicht korrekt. Nicht nur, wenn man behauptet, dass die Sportler nicht perfekt oder ohne Makel sind. Nein, auch wenn man hört, dass sie so intelligente Sätze wie "Haste Scheiße am Fuß, haste Scheiße am Fuß" bringen, weiß der geneigte Zuschauer, dass da auf dem Weg zum Gottsein noch der ein oder andere Fußballschuh ausgelaufen werden muss.
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