Leipzig 2006 - eine besinnlichere Rückschau aus sicherem Abstand
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Es ist früher Abend. Wieder geht ein langer Messetag zu Ende. Die langen Menschenschlangen werden immer kürzer. Auf den ersten Blick sieht man überwiegend geschundene Gesichter: die der Messe- und Verlagsmitarbeiter, der Bedienungen an den Snackbars, der Besucher; doch zugleich leuchtet aus ebendiesen noch immer etwas Glänzendes, Hoffnungsvolles, etwas das von großer Zufriedenheit zeugt, fast wie bei Toten, die in den letzten Zügen zu einem Lächeln gefunden haben. |
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© LEIPZIGER BUCHMESSE |
Hell, geräumig, und noch immer familiär: die Leipziger Buchmesse.
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| | An den Ständen herrscht auch jetzt noch Betriebsamkeit, morgen ein letzter Tag, dann ist es wieder vorbei, das große Spektakel. Tatsächlich scheinen sie zufrieden; natürlich, der eine mehr, der andere weniger, doch im Ganzen wirkt niemand enttäuscht, allen Unkenrufen zum Trotz.
Und was, offiziell, alle überrascht, insgeheim jedoch niemanden: sie lebt noch immer, die deutschsprachige Literatur, und manchmal geht’s ihr sogar richtig gut – manchmal erhebt sie sich für Augenblicke zu einem ungeahnten, hingeperlten Zauberstück, manchmal erscheint sie so kompakt, so unerreicht, dass man meinen mag, es sei die Stunde junger Literatur. Bücher, die derlei Wallungen zu transportieren vermögen, sind etwa Johannes Jansens "Bollwerk", Sibylle Lewitscharows "Consumatus", Clemens Meyers Debütroman "Als wir träumten" oder das einhellig gelobte Edition-Suhrkamp-Debüt Kevin Vennemanns mit dem latent historisierenden Titel "Nahe Jedenew", geschrieben von einem Jungautoren, dessen bisher vorliegende "Wolfskinderringe" von schwachen männlichen Figuren handeln und der nun weit darüber hinaus schießt.
Preise, Preise
Einer der Höhepunkte ist sicherlich die nicht unverdiente Verleihung des Buchmessen-Preises 2006 an Ilja Trojanow für seinen Roman "Der Weltensammler" in der Kategorie Belletristik. Erst zum zweiten Mal wird er verliehen; die Wellen, die dabei geschlagen werden, sind um so größer. Die Wahl scheint zu stimmen. Ein zunächst gebanntes, später begeistertes Auditorium lauscht den subjektiven Märchen aus dem zeitgenössischen Tausend-und-eine-Nacht-Buch, aus dem der Autor, fast von sich selbst bezirzt, zum Besten gibt. Franz Schuh in der Kategorie Essayistik/Sachbuch und Ragni Maria Gschwend für ihre Übersetzung von Antonio Morescos "Aufbrüche" werden ebenfalls ausgezeichnet.
Die Tücken des Betriebs
Den Boom allerdings, das wird nicht erst an diesem Tag deutlich, kann der literarische Betrieb allein kaum einfangen, höchstens noch in ironisch-exotischen Settings à là Kehlmann, die man sich zum Geburtstag oder zu Weihnachten schenkt. Nein, das dicke Geschäft wird an diesem Tag anderswo gemacht, und, neben der teils verstörenden, aber umso vielseitigeren und von einer Mischung aus Weltflair und Würstchenstand gezeichneten Mangahalle ist dies sicherlich der Ort, an dem der Sachbuchmarkt seine Früchte trägt; ganz klar, hier lässt sich mit viel Mist viel abstauben. Da doch schon lieber im Reich der Yoichi Takahashis und Yumi Tamuras versinken.
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© BUCHMESSE LEIPZIG |
Regal mit Buchauswahl aus dem Klett Verlag
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Der Mist jedoch ist manchmal, leider, so schwerelos, dass ihn alle spannend finden, dabei aber so gern die Blutarmut vergessen würden. Eine Flut autobiographischer Texte gesellt sich hinzu: ob nun in Erinnerungen, Briefwechseln, Tagebuchsammelbänden, oder der "echten" Biographie – dem Leser bleibt angesichts der Ausmaße oft nicht mehr als sich an das zu halten, von dem er ohnehin weiß. Das widerum begünstigt die Konzentration auf dem Buchmarkt. Es ist also nicht leicht, für beide Seiten nicht, aber eines ist es bestimmt – sehr aufregend.
Was bleibt
So bleibt es, was es immer werden sollte, ein Rummel. Die Sonne scheint durch das gewölbte Glasdach, zugleich setzt leichter Regen ein, die Farben des Regenbogens scheinen durch den gewaltigen Raum, der Stahl, der blaue Himmel, und klar wird, dass jeder Autor, der hier bestehen will, immer einige Fünkchen mehr mitzubringen hat als nur gute Texte. Leipzig bleibt eine Besuchermesse, die familiäre Atmosphäre wird nie ganz ersticken, was aber für den Autor heißt, dass jeder Professionalismus hier im Wege steht. Doch für den interessierten Laien wie für den spürsinnigen Kenner steht oft der Verleger selbst noch mit am Stand und beantwortet geduldig die Fragen. Was gut ist: junge Leser scheinen erreicht zu werden. Fragt sich nur, womit. Die Wege zwischen den Mangaständen sind unpassierbar. Literarische Verlage, die hier ihren Stand haben, können sich zumindest über mangelnde Besucherzahlen nicht beklagen. Fragwürdig bleibt, ob das Schleusenverfahren das Familiäre nicht langfristig abzuwürgen in der Lage ist. Die Orientierung, jede Gewissheit über den Verbleib seiner Liebsten geht auf einer Buchmesse diesen Ausmaßes verloren.
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