„Die Rauchgiftfalle“ – Das Märchen vom Entzug
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„Rauchen macht süchtig“ – diese Worte verhallen häufig schneller, als sie ausgesprochen werden. Die Gefahren werden schnell ausgeblendet und ignoriert. Krank werden immer nur die Anderen. Wie so viele andere vor ihm ignorierte auch der Autor des Buchs „Die Rauchgiftfalle“, Franz Wilhelm Bauer, bis zu seiner Diagnose: „COPD“ („chronic obstructive pulmonary disease“), die lebensbedrohliche Gefahr. |
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© DIE RAUCHGIFTFALLE |
Franz Wilhelm Bauer, Lebensberater und Therapeut im Ruhestand. Erst seine Krankheit brachte die Einsciht, dass er sich mit dem Rauchen schädigt.
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| | In der Medizin wird die Abkürzung "COPD" als Sammelbegriff für die chronisch-obstruktive Bronchitis und das Lungenemphysem verwendet. Ein Lungenemphysem ist bildlich beschrieben eine überblähte Lunge - die Struktur des Lungengewebes, besonders in den Lungenbläschen wird zerstört. "COPD" ist im eigentlichen Sinn nicht heilbar. Auslöser der Erkrankung und Hauptrisikofaktor für die Entstehung und den Verlauf einer "COPD" ist das inhalative Zigarettenrauchen.
In seinem fast 45 Jahre währenden Raucherleben lebte Franz Wilhelm Bauer an sich gut und merkte nicht, dass ihm das Rauchen schaden zufügte. Er konnte der Zigarette nur Gutes abgewinnen. Sie machte Ihn gesellig, fröhlich, entspannt und holte ihn hoch, wenn er ein Tief hatte. Er rauchte genussvoll seine tägliche Dosis an Zigaretten (meist knapp zwei Packungen). Im Buch schreibt er, "so lange ich inhalierte, war meine Wahrnehmung und Kritikfähigkeit in Bezug auf das Rauchen verzerrt".
Der Schicksalsschlag eines Jugendfreundes, der an Lungenkrebs erkrankte, bewirkte keine wirkliche Einsicht – was ihn jedoch dazu bewegte zu einem Arzt zu gehen und sich untersuchen zu lassen, war das Treppensteigen, wenn der Fahrstuhl streikte. Er konnte seine 96 Stufen bis zu seiner Wohnung nicht ohne mehrmaliges Innehalten und Luftschnappen bewältigen. Einige Zeit später ging er zum Arzt und erhielt nach mehreren Untersuchungen die Diagnose "COPD", welche alles ändern und sein bisheriges Leben in Frage stellen sollte. Er beschäftigte sich ernsthaft mit der Nikotinsucht und deren Wirkungsweise und erkannte, wieso Raucher nicht davon abkommen: Es ist die Angst vor dem Nichtrauchen.
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© DIE RAUCHGIFTFALLE |
Die Titelseite des Buches - Die Rauchgiftfalle.
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Franz Wilhelm Bauer erzählt in seinem Buch lebendig und bisweilen mit einem Hauch Ironie über sein Raucherleben. Die Loslösung von seiner Sucht machte ihm bewusst, dass auch andere vom Rauchen loskommen wollen, es mit den gängigen Mitteln jedoch nicht schafften. Als Therapeut und Lebensberater konnte er auf eine breite Basis an Wissen zurückgreifen und auch anderen Aufhörwilligen unterstützend zur Seite stehen.
Im Interview mit dem Autor der "Rauchgiftfalle" konnte das C6 MAGAZIN auf den Inhalt des Buchs eingehen und Franz Wilhelm Bauer zu weiteren Aspekten des Rauchens befragen. Wir erfahren wie er das Rauchen einschätzt, was er von Prävention hält und welche Maßnahmen er einleiten würde.
C6 MAGAZIN: Wie kamen Sie dazu, dieses Buch zu schreiben? Was motivierte Sie?
Franz Wilhelm Bauer: Zuerst einmal war ich sehr betroffen, als ich erkennen musste, dass ich mir durch meinen jahrelangen Rauchkonsum einen irreversiblen Lungenschaden zugefügt hatte. Ich informierte mich dann im Internet und las mehrere Bücher über die Nikotinsucht. Ich klärte damit meine jahrelangen Irrtümer und Einbildungen in Bezug auf das Rauchen auf und entdeckte, dass die Angst der Raucher vor dem Nichtrauchen das zwanghafte Weiterrauchen bewirkt und das Aufhören so verdammt schwer macht. Ich konnte diese Angst deutlich spüren. Als mir klar wurde, wie der biologische Suchtmechanismus funktioniert, nämlich mit einer argen Manipulation meines Gehirns und meiner Gefühle durch das Nikotin, hörte ich sofort zu rauchen auf.
C6 MAGAZIN: Sie sprechen davon, dass "Genussraucher" sich etwas vormachen – liegt das Ihrer Meinung nach nur an den physiologischen Vorgängen oder liegt es auch daran, dass man es ignoriert und für sich ausschließt?
Franz Wilhelm Bauer: Wer glaubt, Rauchen wäre ein Genuss, hat vergessen, wie eklig die ersten Züge aus einer Zigarette waren und man sich zwingen musste, den Rauch einzuatmen. Nikotin bewirkt sehr schnell eine Veränderung der normalen, gesunden Wahrnehmung und Raucher glauben dann tatsächlich, Rauchen wäre gut. Die physiologischen Vorgänge wirken voll unbewusst und das ist das Erschreckende an der Rauchsucht. Das Ignorieren von Warnungen gehört dazu - die Angst vor dem Nichtrauchen hat die Raucher - unbewusst - voll im Griff. Sie rauchen zwanghaft und merken es nicht. Sie glauben ganz fest, Rauchen wäre toll und gut, und rauchen oft auch dann noch weiter, wenn sie schon mit Lungenkrebs im Spital liegen. Es ist ein Zeichen für die Macht der Sucht, wenn Raucher meinen, "mir passiert das nicht".
C6 MAGAZIN: In einem Kapitel ist von dem "Entzugsmärchen" zu lesen. Warum meinen Sie, dass es vielen Menschen so schwer fällt, von der Sucht loszukommen? Sind sie zu schwach und zu faul, sich mit ihrer Sucht auseinanderzusetzen?
Franz Wilhelm Bauer: Der Körper baut das Nikotin, das ein Gift ist, ununterbrochen ab. Der Abbau erzeugt ein Mangelgefühl (die "heimliche Angst"), und Raucher greifen automatisch zur Zigarette. Das Einatmen von Rauch erzeugt ein Belohnungsgefühl und den Glauben, Rauchen wäre gut. Der Körper baut das Nikotin sofort wieder ab, wieder entsteht das Mangelgefühl und so weiter. Es wird dem Körper nichts entzogen, weil doch niemand einen Verlust erleidet, wenn der Körper Giftmüll und sonstigen Abfall ausscheidet. Also gibt es auch keine Entzugserscheinungen. Was es gibt, sind eben jene Angsterscheinungen, die üblicherweise gar nicht bewusst werden, weil man sich sofort eine Zigarette anzündet, bevor das Unbehagen stark spürbar wird. Beim endgültigen Aufhören meldet das vom Nikotin getäuschte Gehirn wie immer: Schnell, ich brauche Nikotin - und jetzt bekommt es nichts mehr! Huh! Körper und Psyche reagieren mit Angst, weil das getäuschte Gehirn irrtümlich "glaubt", Nikotin zum Überleben zu brauchen.
Wer weiß, wie das abläuft, greift jetzt nicht wieder zwanghaft zur Zigarette, sondern lässt das Angstgefühl einfach vergehen - es vergeht nämlich ganz von selbst, wenn man es erkennt und ihm nicht nachgibt. Es ist wichtig, genau zu wissen, was da passiert, denn wenn man glaubt, es würde dem Organismus etwas "entzogen", verstärkt sich das Gefühl des Mangels und des Verlusts und es wird echt schwer, damit zu kämpfen und zu siegen. Wer die Angst entlarvt hat, braucht sich nicht mehr zu fürchten und kann ganz gelassen zuschauen, wie die Impulse mit jedem Tag schwächer werden, wie sie kommen und gehen und eines Tages ganz verschwunden sind. Niemand ist dazu zu schwach oder zu dumm - zu faul vielleicht aber schon. Man kann sich aber doch entscheiden, ein sportlicher Typ zu sein oder zu werden, seine Intelligenz clever zu nützen oder als Couch-Potatoe doof und willenlos herumzuhängen, oder?
C6 MAGAZIN: Welche Maßnahmen würden Sie einleiten, wenn Sie politisch etwas zu sagen hätten, um Menschen vom Rauchen abzuhalten, vor allem Jugendliche und Kinder?
Franz Wilhelm Bauer: Erstens: Absolutes Verbot jeder Werbung und jeder PR-Aktivität für Tabakerzeugnisse. Zweitens: Gute, anschauliche Aufklärung über den biologischen Suchtvorgang. Das gibt es leider bislang nirgendwo und nur auf die Gefahren hinzuweisen ist zu wenig. Drittens: Rauchverbot in der Öffentlichkeit.
C6 MAGAZIN: Mit welcher Droge würden Sie die Nikotinsucht gleichstellen? Der Präsident von Uruguay stellt sie auf die gleich Ebene wie Heroin und Kokain - meinen Sie, dass das übertrieben ist?
Franz Wilhelm Bauer: Der Vergleich ist zutreffend, auch wenn das schwer verständlich ist. Es gibt viel mehr Nikotinabhängige als Kokain- oder Heroinabhängige. Letztere Suchtgifte haben spektakulärere, sofort merkbare Auswirkungen, während Nikotin über Jahre hinweg heimlich und schleichend zerstörerisch wirkt und daher ist es in meinen Augen sogar gefährlicher als Heroin oder Kokain.
C6 MAGAZIN: Wieso denken Sie, dass die Rauchsucht gesellschaftlich immer noch so anerkannt ist? Und was sollte man Ihrer Ansicht nach dagegen unternehmen?
Franz Wilhelm Bauer: 500 Jahre lang hat man geglaubt, Rauchen wäre ein Genuss. Bis sich die Wahrheit über die Rauchsucht durchsetzt, braucht es seine Zeit. Ich denke, man kann nichts "dagegen" unternehmen, bloß "dafür". Nämlich dafür, dass wir nicht dumm und dämlich glauben, Rauchen wäre toll und cool und ein Genuss, sondern dass wir erkennen, welch schädlicher, zwanghafter Schwachsinn es ist. Ich hoffe, dass mein Buch etwas dazu beiträgt.
C6 MAGAZIN: Vielen Dank für das Gespräch!
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Kommentare über MonatsthemaDr. Weber am 02.04.2006: Sicher ein sehr gutes Buch, vor allem für diejenigen, die von der Nikotinsucht loskommen wollen.
Birgit Kübler am 01.04.2006: Vielen Dank für diesen wunderbaren Artikel. Ich habe in meinem ganzen Leben nicht geraucht, aber auf der Deutschen Bank AG in Köln in der Exportabteilung wurde ich durch Zwangsberauchung regelrecht arbeitsunfähig gemacht. In dem Raum waren 7 Kettenraucher und 10 starke Raucher. Es war die Hölle. Ich konnte mich selbst nicht riechen, und mein Mann ertrug den Tabakrauchgestank auch nicht. Ich hatte Hornhautentzündungen und Bronchitis. Ich mußte also kündigen, weil andere mich quälten. Seitdem ich Raucher wie die Pest meide, habe ich diese Krankheiten nicht mehr. Ich bin der Meinung, daß es keine bessere Rauchentwöhnung gibt als Rauchverbote. Wenn das Image des Rauchens entglorifiziert sein wird, wenn z. B. eine Schwangere nicht mehr, ohne sich zu schämen, in der Öffentlichkeit rauchen kann, erst dann wird dieses Problem gelöst werden. Ein anderes Produkt mit denselben Folgen wie Tabak wäre sofort vom Markt. Die Macht der Tabakindustrie ist grenzenlos, und Politiker, die für Profit über Leichen gehen, machen dieses Verbrechen möglich. Sogar die Kirchen arbeiten mit der Tabakindustrie zusammen, neulich bei den Spreegesprächen in Berlin. Ich glaube, daß Deutschland nur durch den Druck anderer Länder eines Tages dazu gezwungen wird, die Passivrauchopfer zu schützen.
Wer nicht bereit ist, zwangsberaucht zu werden, zahlt einen sehr hohen Preis: Man ist nicht gesellschaftsfähig.
Auf eine rauchfrei Zukunft!
Birgit Kübler
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