C6 MAGAZIN
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POPLITERATUR LIVE 26.7.2004

Ein Abend mit Stuckrad-Barre

Sind seine Lesungen wirklich Lesungen? Oder doch Rock'n'Roll, wie man immer hört? Das herauszufinden war mein Ziel und so machte ich mich auf in das Kölner Limelight. Eine Reportage
Im Bus die erste Begegnung mit einem Teil der Menschen mit denen ich nun wohl einen Großteil des Abends verbringen werde. Am interessantesten finde ich hier die 18-jährigen Mädchen, denen etwas "Groupieskes" anhaftet und die stolz vom Klappentext auswendig gelernte Informationen vorbeten. In der Tat soll ich diese Mädchen später in der ersten Reihe sitzen sehen.
Ich komme später als ursprünglich und sorgfältig geplant zu den Klängen von irgendwie bekannter, nicht zuordbarer, aber zweifellos guter Musik, an, finde aber trotzdem noch einen guten Platz. Das erfreut.

Irgendwann geht es dann also los, und zwar mit einer Foto- und Musikcollage, die aus einem Laptop und einem Computer quillt. Der Laptop verwirrt wegen des Blur-Aufklebers am meisten, dachte ich doch immer, zugegeben nicht auf korrekte Trennung von Werk und Autor achtend, Stuckrad-Barre sei Oasis und kann daher gar nicht Blur sein. Oder ist das doch anders?

Egal jetzt, denn der wohl bekannteste und polarisierendste Popliterat betritt, Marlboro-Menthol rauchend, die Bühne, spielt ein bisschen an den Computern rum, drückt die Zigarette aus, und fängt an zu lesen. Das, was er wohl hinter sich hat, sieht man ihm nicht an, er wirkt frisch und konzentriert, wenn auch ein wenig ausgeflippt, aber das war wohl schon immer so.

Er liest sehr ernsthaft und konzentriert die Texte, was ich so nicht erwartet hätte, habe ich doch Transkript gelesen und ihn bisher noch nicht gesehen und dachte daher, die Lesung würde einen größeren Happening-Charakter aufweisen. Aber er ist in der Tat erst einmal Autor, der Texte von sich vorliest und in den Pausen zwischen den Texten ein wenig Musik aus seinem Laptop erschallen lässt. Über die Texte, die an diesem Abend ausnahmslos seinem neuen Buch "Festwertspeicher der Kontrollgesellschaft- Remix 2" entnommen sein werden, kann man natürlich auch streiten. Die einen, und zu denen gehöre ich, finden sie großartig, die anderen zum kotzen. Letztere Gruppe wird aber kaum auf eine Lesung gehen und so ist ihm ziemliche Sympathie für seine Texte gewiss. Aber mal neutral gesprochen, Stuckrad-Barre versteht das Entertainment schon ganz gut.

Dann kommt aber doch ein Zuschauerspiel, da der Veranstalter ihm einen Obstkorb in den Backstageraum stellte, aus dem er, und mit ihm das gesamte Publikum, nur drei Früchte jemals gesehen hat. Also werden schnell zwei Zuschauer auf die Bühne geholt, die dem Autor und dem Publikum unbekannten Früchte zu identifizieren. Beide schreiben ihre Fruchtnamenhypothesen auf einen Zettel und der Gewinner soll als Preis den Obstkorb erhalten. Auflösung verspricht der Popliterat im zweiten Teil, in dem wohl ein umfassend allgemeingebildeter Gast erwartet wird.

Dann, von einem Moment auf den anderen, lockert die Stimmung im Publikum auf, als Stuckrad-Barre den Text "Je’taime", eine Reportage über die gleichnamige MDR-Kuppelshow, liest und die Originalzitate der zumeist ostdeutschen Kandidaten mit sächsischem Dialekt spricht. Das erheitert, wie auch sein Bericht, er habe den Text genau so auch in Halle gelesen.

Auch sehr lustig, seine spontan dargebotene und im Übrigen völlig berechtigte, Tirade gegen das Jamba-Monatspaket-Klingelton-Nilpferd.

Dann ist Pause. Nachdem ich die äußerst günstig feilgebotenen Buttons erworben habe gehe ich ein wenig frische Luft schnappen. Draußen werde ich partiell Zeuge einer Diskussion, die den Vergleich Grönemeyer-Stuckrad-Barre zum Inhalt hat, da beide ja ihre persönlichen Schicksalsschläge beziehungsweise Krisen einer großen medialen Öffentlichkeit präsentiert haben.

Mich bringt das zu einer anderen Frage: Sind diese ganzen Menschen hier, weil sie doch irgendwie sensationsgierig sind und dann doch mal gucken wollen, was der Mann so macht, der Anke Engelke so verunglimpfte oder sind diese Menschen wirklich am Künstler Stuckrad-Barre und/oder seinem Werk interessiert? Und inwiefern man diese Engelke-Frage diskutieren sollte, ist dann noch eine ganz andere Geschichte, die zu erörtern hier wohl den Rahmen sprengen würde. Nur so viel sei gesagt: Man muss auch immer den Kontext beachten, in dem Dinge gesagt werden.

Und die nächste Frage ist dann: Sind diese Menschen jetzt enttäuscht, weil man ihm eben NICHT ansieht, was da in den letzten Jahren passiert ist? Und sollte man an diesem Abend wirklich darüber nachdenken? Ich denke nein, hat doch die mediale Präsenz des Popliteraten eigentlich wenig mit seinem künstlerischem Schaffen zu tun.

Die Pause geht und zum zweiten Text nach eben dieser kommt Manuel Andrack, um mit Stuckrad- Barre den Text "Gartennazis" zu lesen. Andrack nennt ihn Stucki, was er darf, da er laut Barre mal dessen Chef war, laut Andrack aber nur ein Kollege.
Das Obstkorbrätsel kann übrigens auch von Andrack nicht gelöst werden, da er genauso viele, oder in diesem Falle eher wenige Früchte beim Namen nennen kann. Vielleicht liegt das auch daran, dass er nicht, wie in der Schmidt Show, einen Computer vor sich stehen hat. Endgültige Klärung in der Obstnamenfrage wird es also wohl nie geben. Der Text ist vorbei, Andrack geht wieder.
Im Allgemeinen ist der zweite Teil, ob der Textauswahl, ein wenig lustiger und lockerer als der erste, enthält er doch zum Beispiel den sehr witzigen Text über Paola und Kurt Felix und den Text "Die Beziehung von Körper und Geist im Jahr 2004", ein Text, den er im Zuge einer Radiosendung, in der Hörer anriefen und die Geschichte weiter sponnen, transkribierte.

Das ist dann auch der letzte Text und Stuckrad-Barre fügt an: " Ich will eigentlich schnell von der Bühne runter, kommt, wir sparen uns den ganzen Lärm und Applaus, ich les euch direkt die Zugabe und danach könnt ihr hinten mein Buch kaufen. Ich signier dann."
Sprichts, zündet sich eine Zigarette an und tut das. Danach kurze Verbeugung und weg ist er.

Amüsant war es, das sieht ein Großteil des sehr gut gefüllten Limelights auch so. Stuckrad-Barre schreibt einfach meistens lustige und eigentlich fast immer gute Texte und versteht es diese live gut vorzutragen. Das hat keinen großen Anspruch, ist aber lupenreines Entertainment.

Ich gehe. Dumm, dass der nächste Bus erst in einer halben Stunde kommt. Also gehe ich zu Fuß, einfach der Masse hinterher. Auf dem Weg überhole ich eine weitere Diskussion um die Person Stuckrad-Barre und fühle mich in meiner Pausen-Hypothese bestätigt. Das ist eigentlich schade. Ich komme zu Straßenbahn-Haltestelle, die Straßenbahn mit mir. Wie praktisch.
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Artikel vom 26. Juli 2004

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