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KINO 30.7.2004

Now watch this Drive!

Michael Moores lang erwartetes "Fahrenheit 9/11" unterhält zwar an einigen Stellen, genügt aber streng genommen nicht den Ansprüchen an eine ernsthafte Dokumentation.

© LIONS GATE ENTERTAINMENT
Viel Aufruhr wurde in den Medien um den neuen Michael Moore Film "Fahrenheit 9/11" gemacht. Moore empfing aus den Händen von Quentin Tarantino die Goldene Palme von Cannes, hatte aber in den U.S.A keinen Verleiher; bis sich die Firma Lionsgate erbarmte und den Film in die amerikanischen Kinos brachte; mit einem, bis dahin von einem Dokumentarfilm noch nie erreichten, Einspielergebnis von 100 Millionen Dollar am ersten Wochenende.

Nun läuft der Film, der zum erklärten Ziel hat, die Wiederwahl von George W. Bush zu verhindern, in den deutschen Kinos. Und bringt leider wenig Neues. Die erste halbe Stunde beschäftigt sich fast ausnahmslos mit Dingen, die in Moores Büchern "Stupid White Men" und "Volle Deckung, Mr. Bush" schon ausführlich abgehandelt worden sind. Von manipulierten Wahlen ist da die Rede und davon, dass es kurz nach 9/11 von oben angeordnete Ausfluggenehmigungen für Familie Bin Laden gab, ohne dass diese verhört worden wäre oder der Luftraum, der nach den Anschlägen eigentlich gesperrt war, wieder freigegeben worden wäre.

In dieser ersten halben Stunde verschenkt der Film aber auch eines der eindrucksvollsten Bilder des ganzen Films. Das von George W. Bush, wie er in einer Grundschule in Florida sitzt und die Nachricht von den Anschlägen erhält. Er nimmt ein Bilderbuch und blättert darin. Sieben Minuten lang. Eigentlich eine interessante Situation, sieht man doch den Führer der einzigen Weltmacht völlig ratlos.
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Und dann kommt der 11. September, dankenswerterweise mal nicht optisch, sondern nur akustisch - bei schwarzer Leinwand - vorgeführt und Amerika befindet sich im Krieg.

Zunächst Afghanistan. Moore vertritt hier die These, dass dieser Krieg maßgeblich deshalb geführt worden sei, damit eine Firma, in der er mal und sein Vater wohl noch immer involviert ist, beim Bau einer Pipeline kräftig abkassieren kann. Das kann er nicht wirklich beweisen und schießt sich ins eigene Knie, da er ein Interview mit dem ehemaligen Sicherheitsberater Clarke zeigt, in dem dieser sagt, der Krieg sei geführt worden, da das Volk sonst auf die Barrikaden gegangen wäre und man dann den krieg gegen den Irak, den man wohl von Anfang an geplant hat, erst recht nicht hätte rechtfertigen können. Das klingt auf den ersten Blick viel einleuchtender; und auf den zweiten auch.

Und dann kommt er, der Irak, und steht unter schlechten Vorzeichen. Moore eröffnet diesen Teil des Films nämlich, indem er Idylle auf Bagdads Straßen zeigt. Man kann jetzt vom Irakkrieg halten was man will, aber dass das Regime von Saddam Hussein als totalitär beschrieben werden kann, bezweifelt wohl keiner. Und irgendwie bleibt eben das hängen und man ist geneigt, dem Filmemacher nicht alles zu glauben, was er da zeigt.

Aber dann kommen auch schon die ersten Bilder des Krieges. Die U.S.A. bombardieren Bagdad, und Moore zeigt die spektakulärsten Bilder dieses Angriffes, die es in Deutschland bisher zu sehen gab.
Und dann versucht er den Schrecken des Krieges zu veranschaulichen und übertreibt dabei leider manchmal ein wenig. Es werden Bilder in einer Grausamkeit gezeigt, dass es schon wieder übertrieben scheint. Aber vielleicht muss man das ja in Amerika, um mal die menschliche, grausamere Seite dieses Hightech-Krieges zu zeigen.

Und dann wird es einmal wirklich Interessant. Er zeigt nämlich Interviews mit amerikanischen Soldaten, die fröhlich von ihrem Einsatz berichten und wie sie, aus dem Panzer heraus Häuser bombardierend, über die dankenswerterweise im Helm eingebauten Kopfhörer "Fire Water Burn" von der Blood Hound Gang hören. Diese Interviews erinnern ein bisschen an "Full Metal Jacket" und zeigen, dass Kubrick damals wohl gar nicht so falsch gelegen hat. Unterbrochen werden diese Bilder gerne auch von Werbespots, in denen große amerikanische Firmen, die laut Moore auch mit der Regierung verbandelt sind, mit ihrem Einsatz für die Truppen werben.

Zurück nach Hause. Hier wird Moore jetzt sehr geschickt. Er pickt sich ein Einzelschicksal heraus und verleiht dem Krieg und den amerikanischen Opfern dieses, in seinen Augen sinnlosen, Krieges ein Gesicht. Und zwar das einer Mutter, die, in einer Art Jobbörse arbeitend zunächst meint, die Army sei eine sehr gute Alternative für junge Menschen, als ihr Sohn dann aber fällt, sieht sie das, logischerweise, ein wenig anders. Und hier macht Moore einen weiteren Fehler, indem er die Kamera gerne einfach ein wenig zu lang anlässt. Ein bisschen weniger hätte es da auch getan, respektiert man doch, auch aus der Distanz, ein wenig die Privatsphäre dieser Frau, da sie einem, natürlich, Leid tut.

Und dann, am Ende, kommt sie doch, die typische Moore-Nummer. Er stellt sich vor den Kongress und fragt deren Abgeordnete, ob sie ihre Kinder nicht in den Irak schicken wollen. Das Ergebnis dürfte sich jeder denken können.

Ein Urteil über den Film ist nicht einfach. Er unterhält zweifellos, lacht man doch auch dieses mal wieder, trotz der eigentlich doch ernsten Thematik. Er enthält auch einige interessante Informationen, wie zum Beispiel die Rekrutierungspraktiken der Army: Insgesamt wirkt der Film jedoch nicht glaubwürdig genug, um wirklich als gutgemachte Dokumentation durchzugehen. Er bleibt an zu vielen Stellen zu offensichtlich einseitig gefärbt und im Gegensatz zu "Bowling For Columbine" versucht Moore hier den Anschein von Objektivität zu erwecken, da er von der One-Man-Show weggeht und diesmal hinter die Bilder tritt und diese nur kommentiert. Diese Objektivität hat der Film allerdings nur selten und von daher kann es eigentlich keine gute Dokumentation sein. Unterhaltsam ist er trotzdem und noch nie gesehene Bilder zeigt er auch, von daher ist davon auszugehen, dass er auch an den deutschen Kinokassen boomen wird. Ob zu Recht oder nicht, das sei dahingestellt.
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Artikel vom 30. Juli 2004

Fahrenheit 9/11

von Michael Moore.
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Kommentare über Kino

Josarian am 15.08.2004:
Mein Lüdecke mal wieder!

Dieser Film ist nicht gedacht, den Aufgeklärten unter uns einen Blick auf die Welt zu gewähren, da wir diesen schon haben.
Dieser Film wurde produziert, um jenen ein wenig in einfacher Art und Weise (ohne sie zu überfordern) die Augen zu öffnen, die ihre Welt in der Finanzierung ihres Wagens, im Burgerbesuch am Wochenende und in der Glückseligkeit ihrer 14 Tage Urlaub sehen. Jenen muss unweigerlich eine Sprache kommuniziert werden, die diese auch verstehen. Das hat Moore gemacht und das zeichnet ihn aus. Aus dieser Sicht aber wiederum ist der Film als dokumentarischer Ansatz ein wertvollerer Beitrag als die - zugegeben - nicht ganz brillierende Argumentation seiner Kritiker. Dass sich us-amerikanische Filmverleiher dabei als hilfreiches Instrument in Bezug auf nicht Veröffentlichung erweisen, ist ein weiteres optimal genutztes - wenn auch zufälliges -Moment.


Josarian am 15.08.2004:
Mein Lüdecke mal wieder!

Dieser Film ist nicht gedacht, den Aufgeklärten unter uns einen Blick auf die Welt zu gewähren, da wir diesen schon haben.
Dieser Film wurde produziert, um jenen ein wenig in einfacher Art und Weise (ohne sie zu überfordern) die Augen zu öffnen, die ihre Welt in der Finanzierung ihres Wagens, im Burgerbesuch am Wochenende und in der Glückseligkeit ihrer 14 Tage Urlaub sehen. Jenen muss unweigerlich eine Sprache kommuniziert werden, die diese auch verstehen. Das hat Moore gemacht und das zeichnet ihn aus. Aus dieser Sicht aber wiederum ist der Film als dokumentarischer Ansatz ein wertvollerer Beitrag als die - zugegeben - nicht ganz brillierende Argumentation seiner Kritiker. Dass sich us-amerikanische Filmverleiher dabei als hilfreiches Instrument in Bezug auf nicht Veröffentlichung erweisen, ist ein weiteres optimal genutztes - wenn auch zufälliges -Moment.


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